c't Fotografie 6/2021
S. 160
Buchkritiken

BuchkritikEN

Verlassene Kirchen

Kultstätten im Verfall

Franzis Meslet macht uns in seinem Bildband „Verlassene Kirchen“ zu Zeugen aufgegebener Sakralbauten. Seine Fotos wollen nicht nur Abbild sein, sondern sie laden dazu ein, in die Bilder und damit in die alten Gemäuer einzutauchen und dabei den eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen. „Indem wir auf die Ruinen schauen, blicken wir auf uns selbst zurück“, beschreibt Meslet seine Eindrücke. Mit dem Bildband möchte der Fotograf und Designer auch auf das große Kirchensterben in vielen Ländern aufmerksam machen. Er geht davon aus, dass von den geschätzt 100.000 sakralen Bauten allein in Frankreich bis 2030 mehrere Tausend verschwinden werden. Andere werden profanisiert und zu Fitnesscentern oder Shoppingpalästen gewandelt. Dabei lebten die früheren Besucher der Kirchen in der Überzeugung, dass ihre Kinder und Kindeskinder ebenfalls hier beten würden wie in einem unverrückbaren Zufluchtsort. Aber nichts ist für die Ewigkeit, das wird hier besonders deutlich – Glas zerbricht, Dächer stürzen ein, Mauern zerfallen. Die Natur holt sich den Ort zurück.

Die Texte zu den einzelnen Kirchen stammen von sehr unterschiedlichen Menschen, denen Meslet die jeweiligen Portfolios zur Verfügung gestellt hat. Davon inspiriert sollte jeder Autor mit zwanzig Zeilen seine Eindrücke und Gefühle zu der jeweiligen Kirche aufschreiben. Die Texte stellen so einen weiteren Zugang zu den Bauten dar. Allein die sorgfältig komponierten Bilder stimmen nachdenklich und hinterlassen Gefühle zwischen Faszination, Kopfschütteln und Trauer, die durch die teils emotionalen und lyrischen Texte noch verstärkt werden. Ein lohnender Bildband, in den man immer wieder hineinschauen kann um Neues zu entdecken. (pen)

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Thomas Hoffmann

Los Cubanos

Los Cubanos

Auf der Suche nach der Seele Kubas

Kuba ist ein faszinierendes Land. Durch das Embargo wirkt vieles, als hätte man die Vergangenheit konserviert. Der kommunistisch regierte Inselstaat ist bekannt für seine karibischen Strände, ebenso wie für seine Mangelwirtschaft. Direkt im Vorwort zum Bildband Los Cubanos schreibt der New York Times Reporter Anthony DePalma, dass Kuba aus der Ferne am besten aussieht. Und diese Wahrnehmung können wohl die meisten für sich bestätigen. Denkt man an Kuba, denkt man an Amischlitten aus den 50er-Jahren, Zigarren, Mojitos und Buena-Vista-Musik. Die Macken, Flecken und vergammelnden Details sieht man nur aus der Nähe. Einblicke ins Alltägliche, hinter die Kulissen, sind für Touristen nicht möglich. Der Fotograf Volker Figueredo Véliz lebte jedoch viele Jahre mit seiner Frau in Havanna. Durch die familiären Beziehungen zum Land lernte er die Sorgen und Freuden des echten Kubas kennen. Mit seiner Leica fing er dieses Kuba immer wieder ein, das Kuba seiner Familie und Freunde. Er zeigt das Land, so wie es im Alltag ist. Auf seinen Streifzügen mit der Kamera war er immer ohne Plan und Ziel unterwegs. Doch die von ihm festgehaltenen Augenblicke erzählen jeder für sich eine Geschichte.

So ist auch das Buch aufgebaut: Jeweils eine Doppelseite widmet sich einem Augenblick mit der dazugehörenden Geschichte. Dabei sind die Motive und Orte vielfältig, von der Privatwohnung bis zum Boxring, alles aber immer jenseits bekannter Touristenmotive. Die Bilder sind durchgehend in Schwarzweiß gehalten, was hervorragend zum morbiden Charme der verfallenden Häuser, Autos und Lebensumstände passt.