c't Fotografie 3/2022
S. 140
Fotostadt
Bild: rudi1976, stock.adobe.com
Agnes Fazekas

Fotostadt Tel Aviv

Orientalisch im antiken Stadtteil Jaffa, Start-up-Szene am Rothschild Boulevard, Körperkult am Strand – Tel Aviv ist vielseitig und voller Kontraste, ein faszinierender Ort für Fotografen.

Es geht in jeder Hinsicht bunt zu in Israels gesellschaftlichem Zentrum, der 440.000-Einwohner Metropole Tel Aviv: Im Süden die sesamfarbenen Mauern der arabischen Altstadt von Jaffa, im Norden der grüne HaYarkon-Park mit exotischen Gärten, dazwischen vermengen sich Orient und Okzident, es brodelt ein wahrer Melting Pot der Kulturen und Subkulturen. Dabei hat jedes Viertel – und oft sind das kaum drei Straßen – einen völlig eigenen Charakter: Das Flohmarkt-Viertel in der alten Hafenstadt Jaffa, mit seinen Händlern, Boutiquen und Bars, landet immer wieder in den Rankings der weltweit hipsten Nachbarschaften; im ehemaligen Handwerker-Quartier Florentin bekommt sogar die winzige Synagoge jede Woche ein neues Graffiti ab; in Neve Tzedek gibt es niedliche Gründerzeithäuschen zu bewundern, während gleich nebenan am Rothschild Boulevard das Leben pulsiert. Start-Ups entwickeln in den anliegenden Hochhäusern die Technologien der Zukunft. Auf dem Carmel-Markt im jemenitischen Viertel wird noch ganz altmodisch mit barer Münze um Granatäpfel oder Falafel gefeilscht. In Cafés und Restaurants wird das Leben gefeiert, am 14 Kilometer langen Stadtstrand Körperkult betrieben. Pärchen verknoten sich beim Acroyoga im Sand, in den Outdoor-Mucki-Buden werden Muskeln gestählt, über den Himmel flitzen die bunten Drachen der Kite-Surfer. Kurz: Den Augen wird es nicht langweilig in Tel Aviv.

Blick in die Altstadt im Ortsteil Jaffa, Bild: Agnes Fazekas
Blick in die Altstadt im Ortsteil Jaffa
Bild: Agnes Fazekas
Historische Architektur: die Kirche Sankt Peter (Jaffa), Bild: Agnes Fazekas
Historische Architektur: die Kirche Sankt Peter (Jaffa)
Bild: Agnes Fazekas

Architektur entdecken

Beim ersten Fotospaziergang kann man sich deshalb kaum entscheiden, worauf man den Fokus legen soll: Auf die diverse Bevölkerung – jüdisch, arabisch, jung, alt, gern exzentrisch gekleidet, viele LGBTQ-Pärchen darunter? Oder auf die Architektur? „Weiße Stadt“ nennt sich Tel Aviv selbst wegen der berühmten Bauhaus-Architektur. Das Weltkulturerbe umfasst 4000 Gebäude, teils strahlend renoviert, teils bröckelnd. Die nüchternen Formen wirken umso stärker im Kontrast zu eklektischen Stadtvillen mit Türmchen und Balkonen in Bonbonfarben, umwuchert von Palmen und Feuerakazien. Für einen architektonischen Rundgang sollte man unbedingt am Dizengoff Square starten: Architektin Genia Averbuch (1909-1977) war gerade mal 25 Jahre alt, als sie den Zuschlag erhielt, ihn zu gestalten.