100 Jahre Leica I
Mit der Leica I definierte Oskar Barnack das Kleinbildformat und die Normalbrennweite. Viele Theorien versuchten, seine Entscheidungen nachträglich zu erklären. Doch kaum ein Erklärungsversuch kann überzeugen.
Vor 100 Jahren kam das erste Serienmodell der Leica auf den Markt. Es etablierte ein neues Aufnahmeformat und revolutionierte die Fotografie durch spontane, beiläufige oder heimlich geschossene Bilder, bis zu 36 Stück in schneller Folge. 1925 war das eine Sensation. Rund um die Barnack-Erfindung ranken sich Mythen und Anekdoten, deren Wahrheitsgehalt sich heute nur bedingt bemessen lässt. Zugleich existieren auch gut belegte Fakten und plausible Erklärungen, die ein differenziertes Bild ermöglichen.
Wann Barnack mit dem Bau des von ihm „Lilliput“ genannten Prototyps der Ur-Leica begann, ist nicht genau bekannt. Weltberühmt wurde jedoch seine erste Aufnahme, die 1913 in Wetzlar auf dem Eisenmarkt entstand: mehr oder weniger heimlich und von den Passanten weitgehend unbemerkt. Die Begeisterung über das gelungene Experiment nach Jahren des Tüftelns dürfte groß gewesen sein. Im Leica-Roman von Sandra Lüpkes liest es sich so: „Ein schmächtiger, nervöser Mann mit großen runden Augen, einem schmalen Oberlippenbart und welligem Haar, das man sehen kann, da er als Einziger ohne Hut unterwegs ist. Den hat er tatsächlich vergessen, in der Aufregung. Dafür hat er das Metallkästchen dabei, natürlich. Er hebt es just in diesem Moment feierlich auf Augenhöhe und schaut durch den Sucher. … Ein Knopfdruck, gefolgt von einem trockenen Klacken, das er in den letzten Monaten schon oft gehört hat. … Alles zusammen nur einen Wimpernschlag lang. Es ist das Geräusch, mit dem er den Augenblick ins Metallkästchen sperrt.“