Auswärtsspiel
Die Virtual-Reality-Spielhallen kommen
Der Virtual-Reality-Trend löst auf der ganzen Welt eine Spielhallen-Renaissance aus – überall schießen „VR-Arcades“ aus dem Boden. c’t hat im Holocafé in Düsseldorf probegespielt.
Virtual Reality kann man mit einem Handy und einem Plastiklinsen-Pappkarton ausprobieren – aber wer wirklich überzeugendes Mittendrin-Gefühl erleben will, muss deutlich mehr Geld ausgeben. Ein komplettes HTC-Vive-System mit passendem Rechner bekommt man zum Beispiel nicht unter 2000 Euro. Und dann braucht man auch noch viel Platz, denn mit der Vive und passender Software kann man sich auf bis zu 25 Quadratmetern frei in der VR bewegen.
Preis und Platz also: Diese Faktoren sorgen dafür, dass auf der ganzen Welt Virtual-Reality-Spielhallen eröffnen. Vor rund zwanzig Jahren gab es solche VR-Spielplätze übrigens schon einmal: unter anderem am Berliner Ku’damm, „Cyberspace-Café“ hieß das kurzlebige Etablissement, das mit dem Ende des ersten VR-Hypes Ende der 90er-Jahre für immer seine Pforten schloss.
In Deutschland starten nun, zur zweiten VR-Welle, mehr solcher Veranstaltungsorte als jemals zuvor: Unter anderem kann im Sportpark Gelsenkirchen in Virtual Reality gespielt werden, in Saarbrücken (VR Arena und HoloLounge), in Düsseldorf (Holocafé), in Hamburg (HoloBar), in Neunkirchen am Sand (3Delta VR Funpark) – und in Nürnberg gleich an drei Orten: bei Virtuis (Neueröffnung im Dezember), im VR Cybercafé in der Schwarzlichtfabrik und im Fraunhofer-Holodeck (Besuch nach Terminvereinbarung). Geplant sind außerdem Hallen in Berlin (Vonderland) und München (Presence).
Die meisten Hallen nutzen HTC-Vive-Brillen und bieten lizenzierte Single- und Multiplayer-Spiele aus dem Steam-Store an. Der Trend geht aber zum Exklusivspiel: Den vom Hamburger Studio VR Nerds entwickelte Insekten-Shooter „Debugging“ kann man zurzeit ausschließlich im Sportpark Gelsenkirchen spielen – inklusive einem in VR getracktem Sturmgewehr. Virtuis in Nürnberg plant zur Neueröffnung ein Angebot von sage und schreibe zehn eigenen Titeln, unter anderem den Multiplayer-Shooter Wild VR West.
VR-Käffchen im Holocafé
Im Holocafé, Mitte November in den Düsseldorf-Arcaden gestartet, kann man aus drei Multiplayer-Eigenentwicklungen auswählen. Wir haben bei der Eröffnung probegespielt. Die drei eigenen Spiele fallen sehr unterschiedlich aus: Im Coop-Shooter „Holo Arena“ verteidigt man sich gegen fiese Drohnen, im Puzzlespiel „Carpe Lucem“ werden im Team Rätsel gelöst, in „Chaos Commando“ versuchen die Spieler eine schlecht gewartete Raumstation vorm Untergang zu bewahren – in dem sie sich unter Zeitdruck Kommandos zubrüllen (so ähnlich wie bei „Star Trek – Bridge Commander“).
Alle drei Spiele sind ausdrücklich unvollendet: Die Entwickler wollen ihre Beobachtungen aus dem laufenden Holocafé-Betrieb möglichst zeitnah in die Spiele einfließen lassen und diese so an den Publikumsgeschmack anpassen. Gerade Chaos Commando wirkte bei unserem Besuch noch sehr rudimentär. Die Holocafé-Besucher können auf Wunsch auch in Einzelspieler-Titel eintauchen, lizenziert wurden unter anderem die Vive-Klassiker The Lab, Portal Stories: VR, Audioshield, Job Simulator, Fantastic Contraption, Space Pirate Trainer und Tilt Brush.
Insgesamt gibt es im Holocafé acht HTC-Vive-Headsets auf zwei Spielflächen à 20 Quadratmeter. Auf einer Spielfläche bewegen sich vier Spieler gemeinsam. Da diese VR-Brillen auf dem Kopf haben, also von der realen Welt nichts mitbekommen, hilft Software gegen ungewollte Zusammenstöße: Alle drei Holocafé-Multiplayer-Titel zeigen die anderen Spieler in der Virtual Reality an der gleichen Stelle an wie in der echten Welt.
Die Visualisierung ist ziemlich minimalistisch: Statt mit einem Avatar werden die anderen Spieler lediglich als schwebendes Headset plus Hand-Controller dargestellt – kurioserweise reicht das aus, um die Mitspieler zu identifizieren; Kopf- und Handbewegungen fallen bei Menschen ziemlich individuell aus.
Acht Windows-PCs mit Intel-i7-Prozessor und Nvidia-GTX-1080-Grafikkarte befeuern die Holocafé-Headsets. Auf beiden Spielfeldern sind lediglich je zwei Lighthouse-Sensoren installiert – das Tracking-System kommt problemlos mit mehreren Headsets zurecht.
Drei Monate lang soll das Holocafé vorerst geöffnet bleiben (Montags bis Samstags von 10 bis 20 Uhr), danach planen die Macher, ihr Konzept zu verfeinern – und möglicherweise in größerem Rahmen weiterzuführen. Eine 20-minütige Spiel-Session kostet bei Online-Vorauszahlung zurzeit 10 Euro und bei Barzahlung 12 Euro pro Person.
Ausblick
Kommt in aktuellen VR-Arcades meist konventionelle Consumer-Hardware zum Einsatz, gibt es auch schon einige Experimente mit individueller, aufwendigerer Technik. So arbeitet das Berliner Unternehmen Illusion Walk am „Immersive Deck“, einem laut eigenen Angaben „Echtzeit-Holodeck“. Nicht nur der getrackte Bereich soll hier deutlich größer sein als bei HTC Vive, sondern auch die getrackten Körperteile – Illusion Walk plant, dass die Benutzer mit ihrem ganzen Körper erfasst werden – und obendrein ein haptisches Feedback bekommen. Möglich machen sollen es Ganzkörper-Anzüge.
Das meiste davon hat das US-Startup The Void bereits umgesetzt (siehe auch Report in c’t 26/15). Das erste Void-Produkt „Ghostbusters Dimension“ ist im Juli in der New Yorker Filiale der Wachsfiguren-Kette Madame Tussauds gestartet. Besucher können hier in einer rund 12-minütigen Erfahrung mit einer Protonenkanone Geister jagen. Das Besondere am Void-Konzept: Elemente aus der echten Welt wie Wände, Türen und Schalter werden millimetergenau mit Elementen in der Virtual Reality überlagert. Dadurch wird das Mittendrin-Gefühl gegenüber „normaler“ VR immens gesteigert – schließlich kann man die virtuelle Welt nun nicht nur sehen und hören, sondern auch anfassen. Das hat seinen Preis: Eine Eintrittskarte für „Ghostbusters Dimension“ kostet 55 US-Dollar. (jkj@ct.de)