Gefahrguttransport
Transportvorschriften für Lithium-Ionen-Akkus
Zum 1. April 2016 hat die Luftfahrtorganisation ICAO ihre Transportbestimmungen verschärft: Seitdem dürfen Sendungen mit Lithium-Ionen-Akkus nur noch an Bord von Frachtmaschinen befördert werden und nicht mehr in Frachträumen von Passagierflugzeugen. Welche Auswirkungen hat das für Privatleute wie Händler, und welche Bestimmungen müssen überhaupt beachtet werden, wenn man Lithium-Ionen-Akkus einzeln oder zusammen mit einem Gerät verschicken will?
Obwohl brennende Handy-Akkus oder Rückrufaktionen von Notebook-Herstellern extrem selten vorkommen, so zeigen die wenigen dennoch auftretenden Vorfälle selbst Unbedarften, dass Lithium-Ionen-Akkus Gefahr bergen. Sie werden von den Vereinten Nationen (UN, United Nations) grundsätzlich als Gefahrgut der Klasse 9 eingestuft – was bedeutet, dass beim Versand besondere Vorschriften zu beachten sind.
Diese Vorgaben betreffen nicht nur Händler, sondern auch Privatleute: Wer sein altes Notebook, sein jüngst ersetztes Smartphone oder seine überflüssig gewordene Digitalkamera bei eBay verkauft und die Ware dem Neubesitzer zuschickt, der versendet ebenfalls Lithium-Ionen-Akkus und muss sich an die Vorschriften halten. Mit der Aufgabe einer Sendung erklärt man rechtlich bindend gegenüber dem Transporteur, dass man sich an alle geltenden Verpackungsvorschriften hält beziehungsweise dass undeklarierte Sendungen kein deklarierungspflichtiges Gefahrgut enthalten.
Wer also einen Smartphone-Akku zum Versand lose in eine Luftpolstertasche packt und unbedarft in den Briefkasten wirft, handelt ordnungswidrig. Dass solch ein Versand in den meisten Fällen wohl trotzdem gutgehen dürfte, ändert daran nichts: Nur weil es kaum vorkommt, dass Tanklaster in Flammen aufgehen, würde wohl niemand auf die Idee kommen, die der Sicherheit dienenden Transportrichtlinien für Benzin aufzuweichen.
Auch das Postgeheimnis – frei nach dem Motto „das kriegt doch eh keiner mit“ – hilft nicht weiter: Beispielsweise behält sich DHL explizit das Recht vor, Sendungen im Verdachtsfall auf Gefahrgut zu prüfen. Das geschieht mit ziemlicher Sicherheit spätestens dann, wenn ein Paket tropft oder raucht – sei es das eigene oder ein anderes, dass das eigene beschädigt. Gemäß den mit Abgabe der Sendung akzeptierten AGB darf das Unternehmen alle entstandenen Kosten vom Absender nachfordern, wenn die Sendung nicht vorschriftenkonform war – von eventuellen strafrechtlichen Folgen ganz abgesehen.
Händlern, die Akkus unbedarft verschicken, droht zudem eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung von Konkurrenten, wenn diese etwa durch versteckte Testkäufe feststellen, dass Versandrichtlinien nicht eingehalten werden.
Transportnormen
Die UN hat für jede Gefahrgutklasse und eventuelle Unterklassen individuelle Vorschriften definiert, wie solche Produkte für den Transportweg zu verpacken und zu kennzeichnen sind. Lithium-Ionen-Akkus sind zwei UN-Nummern zugeordnet: UN3480 umfasst den Transport von einzelnen Akkus, UN3481 den Transport von Akkus gemeinsam mit den zugehörigen Geräten. Letzteres ist danach unterteilt, ob der Lithium-Ionen-Akku separat in dieselbe Verkaufsverpackung gelegt wurde oder ob er ins Gerät eingebaut ist (egal ob fest oder wechselbar). Vor einigen Jahren waren UN3090 und UN3091 relevant, doch diese beziehen sich mittlerweile nur noch auf die artverwandten, nicht wiederaufladbaren Lithium-Metall-Batterien.
Die Aufteilung zwischen zwei UN-Nummern führt in der Praxis mitunter zu kuriosen Situationen. Beispielsweise war es für einen deutschen Akkuproduzenten unmöglich, eine neue Hochleistungsbatterie für einen Elektro-Gabelstapler regelkonform gemäß UN3480 transportieren zu lassen: Sie sprengte für alle darin definierten sicheren Umverpackungen schlicht die zulässigen Gewichtsbeschränkungen. Die Abhilfe bestand darin, die Batterie nicht alleine zu versenden: Das Unternehmen besorgte sich einen Gabelstapler und übergab dann diesen samt dem darin eingesetzten Akku einer Spedition. Das ging, weil jetzt UN3481 (Abschnitt „Batteriebetriebenes Fahrzeug“) zutreffend war, die für Versandobjekte mit eingebauten Akkus keine Gewichtsobergrenze vorsieht.
Sonderverordnung
UN3480 und UN3481 schreiben ausführliche Beförderungspapiere und eine Gefahrgutkennzeichnung vor sowie UN-geprüfte Verpackungen (mindestens Verpackungsgruppe II), etwa Metallboxen mit speziellen nichtbrennbaren Polstermaterialien. Dass man diese bei alltäglichen Gegenständen wie Smartphones oder Notebooks nicht antrifft, liegt an der die beiden UN-Nummern ergänzenden Sondervorschrift 188 (SV188, englisch SP188 für Special Provision). Sie erlaubt Vereinfachungen, wenn der zu versendende Akku nicht mehr als 100 Wh hat – was auf alle Notebook-, Smartphone- und Tablet-Akkus zutrifft. Für die Akkus von E-Bikes gelten die Erleichterungen nicht, denn sie fassen je nach Modell 250 bis 500 Wh.
SV188 wurde in andere Verpackungsvorschriften aufgenommen, welche je nach Beförderungsmittel gelten: ADR SV188 für Straßentransporte, RID SV188 für Schienentransporte und IMDG SP188 für Transporte per Hochseeschiff.
Mehrere Akkus, die die Energiegrenze jeweils nicht überschreiten, dürfen in beliebiger Stückzahl, aber nur bis maximal 30 Kilogramm pro Versandstück gepackt werden. Das Versandstück muss einen Falltest aus 1,2 Metern Höhe überstehen, ohne dass der Inhalt beschädigt wird oder verrutscht – der eingangs beschriebene lose Akku in Luftpolstertasche geht dadurch also gar nicht. Auch muss sichergestellt sein, dass der oder die Akkus nicht durch leitfähiges Verpackungsmaterial kurzgeschlossen werden.
Auf das Paket muss ein Hinweis, dass darin ein Lithium-Ionen-Akku enthalten ist und dieser gemäß SV188 befördert wird – am einfachsten über einen standardisierten Warnaufkleber und einen Hinweis im Lieferschein. Dabei muss eine Telefonnummer angegeben werden, unter der im Falle einer Beschädigung ein Ansprechpartner erreichbar ist, der nähere Auskunft zu Inhalt und weiterer Vorgehensweise liefern kann.
Die Kennzeichnung außen am Paket wird ebenfalls dann notwendig, wenn ein Akku zusammen mit dem Gegenstand verschickt wird, den er betreiben soll. Anders als bei Einzelversand von Akkus sieht SV188 hier keine Gewichtsobergrenze mehr vor, wenngleich Logistikdienstleister natürlich eigene Regeln zum Maximalgewicht einer Sendung haben können.
Ist der Akku ins vorgesehene Gerät eingebaut oder eingesteckt und liegt kein weiterer Akku mit im Karton, dann muss weder ein Warnhinweis auf dem Packstück sichtbar sein noch der separate Falltest bestanden werden. Das ist dadurch zu erklären, dass das Gerät in seiner Umverpackung sowieso durch andere Vorschriften, etwa von den Transportunternehmen selbst, gewisse Anforderungen erfüllen muss und der Akku nebensächlich wird – und offenliegende Kontakte gibt es ja auch nicht.
Lufttransport
Mit der Vorschrift IATA-DGR A45 gab es bis 2009 ein Äquivalent zur SV188 für den Luftverkehr. Seitdem gelten die strengeren Packvorschriften PI965 (Akku alleine), PI966 (Akku wird Gerät beigelegt) und PI967 (Akku in Gerät eingebaut/eingesetzt). Alle drei enthalten in Teil II Vereinfachungen für Akkus mit nicht mehr als 100 Wh. Das klingt stark nach SV188, doch hier gibt es engere und differenziertere Auflagen.
Bei eingesetztem oder eingebautem Akku muss etwa sichergestellt sein, dass sich das Gerät auf dem Transportweg nicht einschalten kann. Bei zugeklappten Notebooks ist das selbstverständlich, bei Smartphones hingegen darf kein Druck auf den außenliegenden Einschalter kommen. In den Originalverpackungen der Hersteller wird auf solche Details geachtet.
Zum Kasten: Robustheittests für Zellen und Akkus
Ob eine Sendung per Lkw, Zug, Schiff oder gar Flugzeug transportiert wird, ist nicht einmal bei rein innerdeutscher Beförderung eindeutig. Die Deutsche Post betreibt etwa ein Nachtluftpostnetz, damit Briefsendungen in Nord-Süd-Richtung schneller beim Empfänger landen. Fixiert in eine stabile Kartonage verpackt lässt sich ein Smartphone-Akku durchaus als Maxi-Brief (bis fünf Zentimeter Dicke und bis ein Kilogramm Gewicht) verschicken, doch die SV188-Hinweise reichen für die Beförderung per Nachtluftpost nicht aus.
Luftpost-Neuerungen
Generell sind bei Luftpost neuerdings deklarationsfreie Sendungen nicht mehr möglich. Eine Sonderregelung von PI967 Teil II, gemäß der Geräte mit maximal zwei eingebauten oder eingesetzten Akkus ohne Kennzeichnung befördert werden dürfen, gilt nur noch übergangsweise und läuft zum 31. Dezember 2016 aus. Praktisch ist sie aber schon jetzt erloschen, denn seit dem 1. April 2016 gilt eine im Februar beschlossene neue Direktive der Luftfahrtorganisation ICAO: Seit diesem Zeitpunkt dürfen Lithium-Ionen-Akkus grundsätzlich nur noch mit Frachtmaschinen transportiert werden. Statt des Lithium-Ionen-Warnaufklebers müsste dann also mindestens das orangefarbene CAO-Piktogramm (Cargo Aircraft Only) aufs Paket. Da kann man dann auch gleich den präziseren Lithium-Ionen-Warnaufkleber draufpappen – was freiwillig übrigens auch bei den gemäß SV188 kennzeichnungsbefreiten Sendungen möglich ist.
Zum Kasten: Akkus auf Urlaubsreisen
Das Transportverbot auf Passagiermaschinen war unter Fachleuten als kontraproduktiv umstritten. Die Beschränkung auf Frachtmaschinen galt vor dem Stichtag schon für alle Lithium-Einwegbatterien und die Akku-Typen, für die die Teil-II-Vereinfachungen in PI965, PI966 und PI967 nicht zutrafen. Dies hatte den unschönen Nebeneffekt, dass schwarze Schafe Lieferungen von Lithium-Einwegbatterien in den Frachtpapieren fälschlicherweise als Lithium-Ionen-Akkus oder leistungsstarke Lithium-Ionen-Akkus als Nickel-Metallhydrid-Akkus ausgaben. Das neue Verbot, so die Befürchtung, könnte nun dafür sorgen, dass Lithium-Batterien und Lithium-Ionen-Akkus häufiger ganz ohne Gefahrgutkennzeichnung aufgegeben werden. Man könnte dadurch also häufiger unbewusst Gefahrgut an Bord haben, während man gleichzeitig die ehrlichen Kunden bestraft, die regelkonform deklarieren.
Zusätzlich beschränkt die ICAO seit dem 1. April 2016 den Ladestand von Akkus, die auf dem Luftweg transportiert werden sollen, auf maximal 30 Prozent. Die Intention dahinter: Je weniger elektrische Energie im Akku gespeichert ist, desto weniger Hitze entsteht im Falle eines Kurzschlusses, die dann wiederum die chemischen Komponenten entzünden könnte. Gleichzeitig ist aber immer noch genug Ladung vorhanden, sodass sich der Akku selbst bei längerer Lagerung nicht tiefentlädt, was dann wiederum beim nächsten Laden kritisch werden könnte [1].
Logistik-Limitierungen
Selbst wenn man eine Sendung mit Lithium-Ionen-Akku korrekt deklariert, so heißt dies noch lange nicht, dass man sie ohne weitere Einschränkungen einem beliebigen Logistikunternehmen zum Transport übergeben kann: In den jeweiligen AGBs findet man mitunter weitere Einschränkungen.
DHL Deutsche Post nimmt SV188-Sendungen beispielsweise nur im nationalen Versand an; für Geschäftskunden ist mit Zusatzvereinbarungen immerhin ein europaweiter Versand möglich. Wem das nicht reicht, der muss konzernintern auf die weltweiten Dienste von DHL Express ausweichen, die bei Gefahrgut einen Aufschlag berechnen. Bei Lithium-Ionen-Akkus sind es 5 Euro pro Sendung, sofern die Teil-II-Bestimmungen zutreffen.
DPD schließt bei innerdeutschen Gefahrgutsendungen die deutschen Nordseeinseln als Ziel aus: Der Transport dorthin erfolgt nicht durchgängig per Lkw, sondern auch mit Fähren, Flugzeugen und Zügen (Sylt). Ebenso ist die Zustellung an die deutsche Exklave Büsingen nicht möglich, weil der Transport grenzüberschreitend über schweizerisches Staatsgebiet geht. Regulatorisch wäre beides durchaus machbar, doch der bürokratische Aufwand rechnet sich für die geringe Zahl an potenziellen Kunden wohl nicht.
Hermes erlaubt gemäß Punkt 4.2.1 seiner PrivatPaketService-AGBs grundsätzlich keine Gefahrgutsendungen. Ergo ist der Versand von Lithium-Ionen-Akkus nicht möglich – auch nicht von Geräten mit eingebauten oder eingesetzten Akkus. Es handelt sich dabei schließlich weiterhin um Gefahrgut, auch wenn man es gemäß SV188 nicht explizit deklarieren muss.
In der Praxis
Am besten versendet man Geräte immer in den Originalverpackungen der Hersteller, denn diese sind darauf ausgelegt, dass beim Transport nichts passieren oder verrutschen kann. Ist auf der Originalverpackung bereits ein Lithium-Ionen-Warnsymbol samt Telefonnummer des Herstellers zu finden, so darf man dieses üblicherweise weiterverwenden und muss es nicht durch ein eigenes ersetzen. Ansonsten gibt man bei privatem Versand seine Handynummer an.
Haben Notebooks oder Smartphones einen fest eingebauten Akku, dann dürfen ihre Kartons in Versandtaschen gepackt und losgeschickt werden – oder der Adressaufkleber landet direkt auf der Umverpackung des Geräts. Die Tatsache, dass der Transport dadurch viel einfacher zu handhaben ist, dürfte mit ein Grund sein, warum in Notebooks, Smartphones, Tablets & Co. immer häufiger fest eingebaute Akkus Verwendung finden – ganz unabhängig vom Trend zu immer flacheren Geräten.
Gemäß SV188 darf man auch dann ohne Warnhinweis verschicken, wenn ein wechselbarer Akku ab Werk eingesteckt wäre, doch das ist den Herstellern wohl beim Kommissionieren in den Werken zu aufwendig: Unserer Erfahrung nach liegen entnehmbare Akkus bei Neugeräten immer separat mit im Karton. Wer solch ein Notebook oder Handy gebraucht weiterverkauft, sollte sich nicht den Versand dahingehend erleichtern, dass er das Gerät mit eingesetztem Akku verschickt: Die Originalverpackung ist nur im Auslieferungszustand zertifiziert. Durch den selbst eingesetzten Akku wird das Gesamtgerät schwerer, weshalb die Fixierungen versagen könnten. Möglicherweise schaltet sich das Gerät mit eingesetztem Akku durch Druck von außen während des Transports ein, was ebenfalls unterbunden werden sollte – und beim Lufttransport sogar muss.
Geschulte Mitarbeiter
Anders als Privatleute, die üblicherweise gebrauchte Geräte versenden, gelten Händler, die Neuware verschicken, rechtlich als In-Verkehr-Bringer der Ware, was mit zusätzlichen Auflagen verbunden ist. Unternehmen, die Lithium-Ionen-Akkus verschicken, müssen ihre mit dem Versand beauftragen Mitarbeiter über die Transportbestimmungen unterweisen, für den Lufttransport ist bei leistungsstärkeren Akkus eine offizielle IATA-Schulung samt Abschlussprüfung notwendig. Je nach Art, Energieinhalt, Gewicht oder Gesamtmenge der Akkus kann zudem ein geschulter Gefahrgutbeauftragter vorgeschrieben sein, der sich um die Einhaltung aller Vorschriften kümmert sowie Änderungen an diesen im Unternehmen umsetzt.
Privatpersonen, die nur alle paar Jahre mal ein gebrauchtes Notebook verschicken, können diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Man sollte sich vor dem Versand also an den jeweiligen Transporteur wenden, der als Vertragspartner sowieso der direkte Ansprechpartner ist. Die Logistikunternehmen kennen zudem die im jeweiligen Fall zum Einsatz kommenden Verkehrsmittel und bieten ihren Kunden Hilfestellungen an. Wir fanden auf den Webseiten von großen Logistikunternehmen wie DHL, FedEx, UPS und Co. Info-Blätter zu den aktuell gültigen Beschränkungen zum Transport von Lithium-Ionen-Akkus – und bei Änderungen an den Transportbestimmungen werden diese umgehend aktualisiert. (mue@ct.de)