Wer misst, misst Mist
Nie war es so einfach, Dingen auf den Grund zu gehen. Nein, es geht nicht um "Fake-News", sondern bloß um Technik. Schon Hobby-Bastler rüsten sich für wenige Talerchen bestens aus: mit Speicheroszilloskop, mehrkanaligen Datenloggern, Generatoren sowie Kleincomputern wie dem Raspi oder Arduino. Mit Sensoren lassen sich die seltsamsten Dinge tun, etwa die Bodenfeuchte für die Rosen messen oder den UV-Wert auf der Haut. All das war vor Jahren noch nur Uni-Instituten und langhaarigen soziophoben Spinnern vorbehalten, die selten das Tageslicht sahen.
Das ist jetzt ganz anders. Nun kann sich jeder Normalo beim Internetversender um die Ecke beispielsweise besagtes Speicheroszilloskop kaufen und alles vermessen. Denn heute muss man Herstellerangaben und fundierten Tests nicht mehr glauben, heute verlässt man sich auf sich selbst - und auf Rezensionen völlig Unbekannter, die ihre "Erkenntnisse" fröhlich in der Welt herumposaunen.
In ihren Verrissen geht's gleich in die Vollen: Warum nicht auf das Speicheroszilloskop einprügeln, weil es falsch misst? "Die Rechteckkurve ist verbeult! Ein Punkt, geht zurück!" Dass man den Messkopf zunächst kompensieren muss, hat der Rezensent wohl nicht gewusst. Ein anderer rezensiert Thermometer und wettert: "Viel zu hohe Werte, 71 Grad, das kann nicht sein!" Doch, wenn es Fahrenheit sind. Ein ganz Exakter weiß: "Der USB-Hub liefert gar keine 5 Volt, sondern nur 4,85, wie mein USB-Messgerät sagt!" Was in der Norm liegt und okay ist.
Die armen Händler nehmen völlig intakte Ware zurück, wegen des Fernabsatzgesetzes und noch mehr aus Angst vor schlechten Rezensionen, denn auch unqualifizierte Rezensionen zahlen gleichermaßen auf den Sternchen-Ruf ein. Dennoch erscheinen sie und schrecken zu Unrecht Interessierte ab.
"Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum", lässt Goethe den Mephisto im Studierzimmer sagen. Wer aber ohne Theoriewissen mit Geräten hantiert, wird aus dem Treiben seltsamer Blüten nicht schlau werden. Zum Glück ist's auch einfach wie nie, hinzuzulernen.