Der Videospiel-Transformer
Spielkonsole Nintendo Switch getestet
Die Switch will mobile und stationäre Spielkonsole zugleich sein. Wir haben ausprobiert, ob diese Kreuzung gut geht und wie sich die Hybrid-Konsole draußen im Park und auf dem Sofa schlägt.
Wie schon Nintendos Wii-U-Konsole kommt die Switch als Tablet daher. Anders als der Vorgänger beinhaltet die Switch jedoch die komplette Technik zum Berechnen von Videospielen. So kann man kann nicht nur zuhause zocken, sondern auch mobil. Bei der Wii U ist die stationäre Basisstation als Recheneinheit zwingend nötig und das Tablet funktioniert nur in einem begrenzten Radius rund um die Station.
Dieses Konzept war durchaus spannend, ist mit weltweit 14 Millionen verkauften Einheiten im Vergleich zur Wii aber gefloppt: Davon hat Nintendo über 100 Millionen Einheiten abgesetzt. Der Erfolg der Ur-Wii geht zu einem großen Teil auf die Bewegungsteuerung zurück, die Nintendo mit kreativen Spielen salonfähig gemacht hat. Damit hatte der Hersteller gänzlich neue Zielgruppen erschlossen. Ob die Switch abermals mit einem spannenden Konzept an diese Erfolge anknüpfen kann, ist ungewiss. Eins ist aber schon jetzt klar: Erfolgreich wird die Hybrid-Konsole nur, wenn der mobile und stationäre Einsatz keine Kompromisse verlangt und reibungslos klappt. Dabei muss natürlich auch das Spieleangebot stimmen. Titel und Zubehör der Wii und Wii U funktionieren nicht. Derzeit sind zwar bereits mehr als 60 Titel für die Switch angekündigt – die potenziellen Hochkaräter kann man jedoch an zwei Händen abzählen. Dabei handelt es sich meist um von Nintendo entwickelte Titel, wie etwa das zum Launch erhältliche „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“ und das für Ende dieses Jahres angekündigte „Super Mario Odyssey“.
Herzstück
Das Tablet ist mit den jeweils an der linken und rechten Seite angesteckten Controllern namens Joy-Con dicker, rund 100 Gramm schwerer und etwas breiter als ein quer gehaltenes iPad mini, ist aber weniger hoch als dieses. Auch wenn die Switch in einem Plastikkleid steckt, fühlt sich die Konsole wertig an und die Controller rasten solide in Metallschienen ein. Die Joy-Cons sind jedoch sehr klein, für Spieler mit großen Händen womöglich ein Problem. Mit den Sticks und Knöpfen lassen sich Spiele präzise steuern, wenngleich etwa das Zielen mit dem Bogen im aktuellen Zelda-Titel über das bewegungsempfindliche Tablet leichter fällt.
Beim Bildschirm handelt es sich um ein 6,2 Zoll kleines LC-Display mit einer Auflösung von 1280 x 720 Pixeln im 16:9-Bildseitenverhältnis. Dank der Pixeldichte von 237 ppi erscheint das Bild aus einem üblichen Betrachtungsabstand von 30 Zentimetern klar und scharf. Es geht aber noch schärfer: Aktuelle 7,9-Zoll-Tablets stellen Bilder mit mehr als 300 ppi dar. In der Switch ist ein IPS-Panel verbaut. Entsprechend fällt die Darstellung äußerst blickwinkelstabil aus: Man kann das Tablet also ohne Verschlechterung der Bildqualität in den Händen horizontal und vertikal kippen. Das Display ist berührungsempfindlich und erkennt dank kapazitiver Bauweise Berührungen mit mehreren Fingern gleichzeitig. Das Menü lässt sich so präzise bedienen und Systemeinstellungen sind flink aufgerufen. Bei der Wii U hat das mitunter eine halbe Minute gedauert, nachdem man erst das laufende Spiel beenden musste – bei der Switch läuft es im Hintergrund weiter.
Den Messergebnissen zufolge ist die Leuchtkraft des LC-Displays solide – aktuelle Tablets erstrahlen jedoch rund 20 Prozent heller. Für das mobile Zocken im Park reicht die Helligkeit der Switch nicht aus. Noch problematischer ist der stark reflektierende Bildschirm: Bei Sonnenschein hat man mitunter das Gefühl, in einen Spiegel zu blicken. Auch die im Schnellmenü versprochene automatische Anpassung der Leuchtraft konnte im Test nicht überzeugen: Trotz auf der Front verbautem Helligkeitssensor passte die Switch die Leuchtkraft bei wechselnden Lichtverhältnissen nicht automatisch an. Punkten kann der Bildschirm wiederum beim Kontrastverhältnis; hier liegt die Switch auf Augenhöhe mit aktuellen Android- und Apple-Tablets. Die Farbdarstellung wirkt satt, aber nicht übertrieben und somit angenehm natürlich. Messungen konnten wir nicht anstellen, da wir keine eigenen Bilder für unsere Messkamera auf die Switch übertragen konnten. Sound gibt das Tablet über Stereo-Lautsprecher aus. Der Klang ist insgesamt etwas hohl, weshalb der Kopfhörerausgang vorzuziehen ist.
Ausdauer
Nintendo gibt eine Akkulaufzeit zwischen drei und sechs Stunden an – das hängt vom Performance-Hunger des jeweiligen Spiels ab. Im Test erreichten wir mit dem anspruchsvollen 3D-Titel „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“ drei Stunden nur mit der geringsten Bildschirmhelligkeit. Bei mittlerer Helligkeitseinstellung waren es 2:50 Stunden – bei maximaler Leuchtkraft waren nur zweieinhalb Stunden drin. Geht dem Akku die Puste aus, schaltet die Switch automatisch in den Standby-Modus und pausiert ein laufendes Spiel. Neben dem Original-Netzteil von Nintendo kann man das Tablet auch mit handelsüblichen Ladegeräten über ein USB-C-Kabel laden. Befindet sich die Konsole im Standby-Modus, ist der Akku nach rund drei Stunden vollständig geladen. Unterwegs kann man auf eine Powerbank zurückgreifen. Sind die Joy-Cons angesteckt, lädt die Switch deren Akkus automatisch. Das passiert auch, wenn die Konsole gerade nicht selbst lädt. Mittels einer Powerbank mit 20.000 mAh kann man die Switch mit Controllern viermal vollständig aufladen. Ein Wermutstropfen bleibt: Der Akku lässt sich nicht ohne Weiteres wechseln.
Angedockt
Zocken auf dem TV klappt wirklich so einfach wie in Nintendos Werbevideos: Wenige Sekunden nach dem Einstecken der Switch in die per HDMI am TV angeschlossene Docking-Station deaktiviert sich der Bildschirm der Konsole und Spiele erscheinen automatisch in Full HD auf dem Fernseher. Zieht man die Konsole wieder raus, erscheint das Bild nahezu verzögerungsfrei wieder auf dem Tablet-Bildschirm. Damit die Switch Grafik in Full HD berechnen kann, taktet der von Nintendo angepasste Nvidia-Tegra-Prozessor im Dock höher. Das bestätigen die Messergebnisse in Form der Abwärme: Die Konsole wird im Dock-Betrieb auf der Rückseite in einem kleinen Bereich maximal 45 Grad Celsius warm. Im mobilen Einsatz haben wir 39 Grad Celsius gemessen. Den automatisch gesteuerten Lüfter hört man im mobilen Einsatz nur, wenn man ein Ohr direkt an den Lüftungsschlitz hält. Selbst wenn die Konsole in der Dockingstation steckt und höher getaktet ist, fällt in einem stillen Raum aus drei Metern Entfernung nur ein dezentes Säuseln auf.
Eines sollte man nicht vergessen: Auch bei der Switch legt Nintendo das Hauptaugenmerk nicht auf Grafikleistung, sondern Effizienz. So fordert die Switch im Dock halb so viel Strom ein wie die Wii U – 15 Watt. Zum Vergleich: Die Playstation 4 Pro benötigt beim Spielen 155 Watt. Dementsprechend darf man auf der Hybrid-Konsole keine Grafikwunder erwarten. Nintendo baut mit der Switch also eine vergleichsweise schwache Heimkonsole, aber einen durchaus leistungsstarken Handheld.
Fazit
Für Besitzer der Wii U ist die Switch in allen Belangen das nächste Level: Der Vorgänger versprüht mit seinem klobigen, schwarz-glänzenden Plastikkleid den Charme eines fast schon billig anmutenden, aber robusten Kinderspielzeugs. Die Switch gibt sich da wesentlich hochwertiger. Auch im technischen Bereich übertrumpft die Switch die Wii U und ist sogar noch effizienter.
Aufgrund der Kreuzung einer stationären mit einer mobilen Konsole konkurriert die Switch jedoch mit gleich zwei Geräteklassen: Wem Grafik wichtig ist, dem bleibt nur der Griff zu einer PS4 oder Xbox One. Wer sich mit einfachen App-Spielen zufrieden gibt, fährt wahrscheinlich mit einem vielseitiger einsetzbaren Android- oder Apple-Tablet besser. Andererseits kann man mit der Switch unterwegs mit echten Knöpfen und Sticks „richtige“ Spiele zocken. (des@ct.de)