c't 10/2019
S. 34
News
Windows 10

Redmonder Aussichten

Microsoft krempelt „Windows as a Service“ um

Bevor die Produktqualität bei Windows 10 komplett gegen die Wand fährt, hat Microsoft die Notbremse gezogen und Maßnahmen zur Verbesserung eingeleitet – und die lassen hoffen.

Mit Version 1903 will Microsoft Windows Update in den Griff bekommen, das neben der Telemetriedatensammlung seit jeher die größte Problemzone von Windows 10 ist. Manche der Änderungen hat Microsoft bereits länger angekündigt, so etwa, dass der separate Update-Kanal „Semi-Annual Channel“ aus den Editionen für Geschäftskunden abgeschafft wird – kein Beinbruch, denn trotzdem lassen sich neue Ausgaben des Systems um bis zu 365 Tage verzögern. Weitere aktuelle Entwicklungen geben dabei durchaus Anlass zu vorsichtigem Optimismus.

„Auf dem neuesten Stand“ heißt nicht zwingend „läuft stabil“.

Hehre Absichten

In Sachen Updates bekommen Nutzer der Home-Edition nun etwas von der Freiheit der besseren Ausgaben ab. Sie können die automatische Installation von Updates nun ebenfalls für bis zu 35 Tage pausieren. In Windows 10 Pro und höher geht das schon länger; die Funktion war allerdings in den erweiterten Optionen versteckt. In Version 1903 prangt eine Schaltfläche „Updatepause für 7 Tage“ auf der Windows-Update-Hauptseite; mehrfaches Klicken dehnt die Pause auf bis zu fünf Wochen aus. Alternativ kann man die Dauer in den erweiterten Optionen auf den Tag genau einstellen. Was der Home-Edition weiterhin verwehrt bleibt, ist „Windows Update für Business“ zum flexibleren Verzögern von Updates und Upgrades.

Zudem sollen neue Ausgaben von Windows 10 („Funktions-Upgrades“) nicht mehr automatisch geladen und installiert werden, wenn der Anwender wie gewohnt die „Updates suchen“-Schaltfläche klickt. Hier lockert Microsoft das „Windows as a Service“-Konzept, das bislang als Garantie für ein möglichst zeitnahes Einspielen der neuesten Ausgabe zu verstehen war – auf Teufel komm raus. Stattdessen erscheint ein Hinweis, dass eine neue Systemversion verfügbar ist. Download und Installation sollen erst dann erfolgen, wenn der Anwender es ausdrücklich bestätigt. Ausgenommen davon sind Fälle, in denen die laufende Version schon so alt ist, dass sie in absehbarer Zeit aus dem Support fällt.

Microsoft sagt nicht explizit dazu, ob diese Änderung auch für Windows 10 Home gilt. Sie auf Pro und höher zu beschränken, wäre jedoch vergeudeter Entwicklungsaufwand – dort lassen sich neue Versionen ohnehin recht simpel um bis zu ein Jahr zurückstellen. Mit dieser Frage steht und fällt allerdings, ob Microsoft bloße Augenwischerei betreibt, oder ob man sich dazu durchgerungen hat, Home-Kunden künftig nicht mehr als Betatester zu missbrauchen. Auf eine Nachfrage von c’t hat Microsoft bislang nicht reagiert.

Späte Einsichten

Der zweite Grund für vorsichtigen Optimismus: Offenbar hat Microsoft nach der ziemlich fehlerhaften Version 1803 und der katastrophal fehlerhaften Version 1809 endlich verstanden, dass man sich mit zwei Funktions-Upgrades pro Jahr hoffnungslos übernommen hat.

Den entscheidenden Hinweis darauf liefert das Betatestprogramm „Windows Insider“. In den langsameren Release-Kanälen „Release Preview“ und „Slow“ bekommen Tester derzeit die in der letzten Feinschliff-Phase stehende Version 1903. Microsoft bezeichnet diese intern auch als 19H1, also die Ausgabe, die in der ersten Hälfte 2019 erscheint. Tester hingegen, die auf einen der schnelleren Release-Kanäle „Fast“ oder „Skip Ahead“ umschalten, bekommen aber nicht nicht etwa Vorabversionen von 19H2, sondern direkt von 20H1, also von dem, was in rund einem Jahr fertig werden soll. Und das, obwohl Microsoft durchaus hier und dort von einer Version 19H2 spricht, die als Herbst-Ausgabe gemäß Support-Fahrplan auch 30 statt 18 Monate lang unterstützt wird.

Die naheliegendste Antwort auf die Frage, wo denn 19H2 bleibt, lautet: Sie wird kommen, wird aus technischer Sicht aber keine neue Windows-10-Version sein, sondern bloß ein dickes Wartungs-Update für Version 1903 – das gute alte „Service Pack“ winkt mit dem Zaunpfahl. Dass eine neue Ausgabe nun nicht mehr wie bislang ein bis zwei Wochen im „Release Preview“-Kanal verbringen soll (wenn überhaupt), sondern sechs, passt da durchaus ins Bild. Es könnte auch helfen, einen Wegfall der Home-Anwender als große Betatestgruppe auszugleichen.

Blass-rosige Aussichten

Die Mäßigung bei Zwangs-Updates und Release-Zyklen kann über eines nicht hinwegtäuschen: Microsoft bekommt die Qualitätsprobleme mit den Sicherheits-Updates einfach nicht in den Griff. So wurden Anwender am April-Patchday wieder einmal auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Patches führten zu Abstürzen oder nicht mehr startenden Rechnern, wenn Software von Avira, Avast oder Sophos im Spiel war. Das traf nicht nur Windows 10, sondern alles ab Windows 7 – und die jeweiligen Server.

Stellt Microsoft künftig wirklich auf einen einjährigen Release-Zyklus für neue Windows-Hauptversionen um, ist durchaus mit einer Qualitätssteigerung zu rechnen. Doch alle Hände voll zu tun haben wird Microsoft auch weiterhin: Die Kunden werden nicht glücklicher, wenn ihre Systeme nicht mehr durch Funktions-Upgrades zerschossen werden, sondern durch die viel wichtigeren und häufigeren Sicherheits-Updates. Und wirklich interessant wird, ob Microsoft Home-Kunden künftig tatsächlich ansatzweise als mündige Anwender begreift. (jss@ct.de)