c't 21/2020
S. 38
Aktuell
Apple

Obstallee

Apple-Neuvorstellungen: mehr Sensoren, weltweit schnellste Tablet-CPU

Anders als üblich startete Apple seine Herbstoffensive der Produktneuvorstellungen Corona-­geschuldet per Videostream und ohne neue iPhone-Ankündigung. Doch mit einer substanziell aufgerüsteten Watch und einem iPad Air, das mit der schnellsten Tablet-CPU unter der Sonne lockt, heizte die Firma die Er­wartungen noch weiter an.

Eigentlich war Apples erste Produktneuvorstellung im Herbst 2020 mit rund einer Stunde etwas kurz geraten, zumal der Konzern dabei hauptsächlich seine Apple-Watch- und Tablet-Serien per Videostream ins Rampenlicht gerückt hatte.

Doch Spezialisten haben zwischen den Zeilen auch bemerkenswerte Botschaften für iPhone- und Mac-Interessenten gelesen, die der Konkurrenz die Aussichten trüben dürften (siehe dazu auch S. 46): Für das neue Tablet iPad Air 4 greift Apple tatsächlich auf eine im 5-Nano­meter-Prozess gefertigte A14-CPU zurück, die nach Tablet-Maßstäben einer Rakete gleicht – andere Hersteller stecken mit ihren Prozessen noch bei 7 oder 10 Nanometer fest.

Im neuen A14-Chip stecken 11,8 Milliarden Transistoren, also 40 Prozent mehr gegenüber Apples vorheriger 7-Nanometer-Generation. Sie sind verteilt auf sechs CPU-, vier GPU- und 16 Neural-Engine-Kerne. Letztere verarbeiten einige KI-Algorithmen mit bis zu 11 TFlops. Damit eignet sich das vergleichsweise preisgünstige iPad Air 4 besonders für Spieler und Power-User, die auf dem Tablet etwa Fotos editieren und andere Anwendungen mit rechenzeitfressenden KI-Funktionen nutzen.

Gewohnt unbescheiden, verspricht Apple „bis zu doppelt so hohe Geschwindigkeit gegenüber dem aktuell populärsten Windows-Laptop“, „dreifache Geschwindigkeit gegenüber dem schnellsten Android-Tablet“ sowie gar „sechsfache Geschwindigkeit im Vergleich zum schnellsten Chromebook“. Allerdings verschweigt die Firma Modellnamen und auch die Vergleichsdisziplinen. Es dürfte sich aber hauptsächlich um Anwendungen mit KI-Bezug handeln, nicht um klassische SPECfp-Leistungen oder ähnliches.

Dennoch lässt die iPad-Air-Leistung aufhorchen, zumal man davon ausgehen muss, dass auch die kommenden iPhones und Macs mit Apple-CPUs auf der A14-­Serie und damit auf dem 5-Nanometer-­Prozess gründen werden. Fachleute erwarten beim Mac allerdings stärkere Kerne, die die Apple-Laptops gegenüber Intel-Modellen noch besser stellen sollen.

Apples neues iPad Air 4 gilt nach ­Tablet-Maßstäben als raketenschnell und besonders für aufwendige ­Anwendungen mit KI-Bezug geeignet.
Bild: Apple

Apple hat das iPad Air 4 einer radikalen Neugestaltung nach Vorbild des iPad Pro mit kantigem Rahmen unterzogen. Das Retina-Display ist nun 10,9 statt 10,5 Zoll groß, reicht fast bis an den Gehäuserand und stellt 2360 mal 1640 Pixel dar.

Ein USB-C- ersetzt den Lightning-­Port. Anders als beim iPad Pro nutzt Apple zur Authentifizierung keine Gesichts­erkennung (Face ID), sondern wie bei älteren Air-Modellen einen Fingerabdruckscanner (Touch ID). Der sitzt nicht mehr im Home Button, sondern unter der Einschalttaste am oberen Gehäuserand.

Die rückseitige Kamera löst Bilder mit 12 Megapixeln auf, die vordere immerhin mit 7 MP. Unter den iPad-Air-Modellen lässt sich nur die neue Variante mit dem Eingabestift Apple Pencil 2 bedienen, älteren bleibt nur Pencil 1 übrig. Das Mobilfunkmodem erreicht nun im LTE-Modus Gigabit-Geschwindigkeiten. Weiter sind eingebaut Wi-Fi 6 und ein eSIM-Modul.

In manchen Punkten ist das iPad Pro weiterhin deutlich besser bestückt: Dem iPad Air 4 fehlt der LiDAR-Scanner zur räumlichen Abtastung der Umgebung, es sind nicht vier, sondern nur zwei Lautsprecher integriert. Die Abmessungen des Pro 11 und des Air 4 sind fast identisch, das Air ist lediglich 0,2 Millimeter dicker.

Zur RAM- und Flash-Bestückung drangen noch keine Einzelheiten nach außen. Spätestens nach dem offiziellen Produktstart im Oktober dürften das ­externe Labore wie das von c’t ans Tageslicht bringen.

Das iPad Air 4 bekommt man ab 632,60 Euro. Mit Mobilfunkmodem kostet es 769,10 Euro. 256 statt 64 GByte Flash-­Speicher kosten rund 166 Euro mehr. Unterm Strich dürfte Apple seine Position im Tablet-Markt stärken. Im zweiten Quartal 2020 dominierte Apple diesen Bereich den Marktforschern von IDC zufolge mit 32,2 Prozent, Samsung folgt abgeschlagen mit 18,1 Prozent.

Neben dem iPad Air 4 verblasst das neue iPad 8, das künftig das günstige iPad 7 ersetzt. Es enthält einen A12-Chip mit 6-CPU- und 4- GPU-Kernen und soll laut Apple 40 Prozent schneller arbeiten als der Vorgänger. Erstmals steckt eine Neural Engine in einem einfachen iPad. Das iPad 8 bekommt man mit 32 oder 128 GByte ab 369,40 Euro. Mit Mobilfunkmodem sind mindestens 505,90 Euro fällig.

Mit der neuen Apple Watch Series 6 und dem Einstiegsmodell Apple Watch SE baut der Konzern die Gesundheitsfunktionen seiner smarten Uhren weiter aus. Das grundlegende Design, also die rechteckige Form mit abgerundeten Ecken und Kanten bleibt unverändert. Ebenso gibt es beide Neuvorstellungen in Varianten von 40 und 44 Millimetern Größe.

Spektralphotometer und Autoschlüssel

Die wichtigsten Neuerungen sind ein doppelt so heller, passiver Display-Modus, ein Höhenmesser, der Ultrabreitband-­Chip U1 sowie ein Sensor zur Erfassung der Sauerstoffsättigung im Blut. Das Always-­on-Display soll wegen höherer Helligkeit besonders im Sonnenlicht besser ablesbar sein.

Wie die Hersteller anderer Spektralphotometer, so macht sich auch Apple bei der Blutanalyse zu Nutze, dass Hämoglobin-Moleküle, die mit Sauerstoff beladen sind, Licht in weiten Teilen des Spektrums anders absorbieren als unbeladene Hämoglobine. Das lässt sich mit Rot- und Infrarot-Laserdioden (Sender) sowie Foto­dioden (Empfänger) messen, um dann bei Unterschreiten von gängigen Schwellenwerten zu alarmieren oder um anhand der Messwerte die Verfassung des Trägers genauer einzuordnen als mit Vorgängermodellen. Üblich sind zwei Messpunkte, etwa bei 750 und 850 Nanometer.

Zum Ultrabreitband-Chip U1 äußerte sich Apple nicht weiter. Man kann aber davon ausgehen, dass die Uhr damit und über Apples CarKey-API virtuelle Schlüssel aufnehmen kann, um Autos zu öffnen und zu starten.

Apple macht sich mit einem Spektral­photometer in der neuen Apple Watch Series 6 für Blut­analysen zu Nutze, dass mit Sauerstoff beladene Hämo­globinmoleküle Licht anders absorbieren als unbeladene.
Bild: Apple

In der Apple Watch 6 stecken ein WLAN-Modul, das sich nun auch für das 5-GHz-Band eignet, und ein S6-Chip mit Dual-Core-Prozessor. Er gründet auf dem A13-Chip der aktuellen iPhones und sei bis zu 20 Prozent schneller als der S5 im Vorjahresmodell. Die Akkulaufzeit gibt der Konzern unverändert mit rund 18 Stunden an. Das Aufladen soll aber schneller vonstatten gehen und bei einigen Workouts soll die Uhr weniger Strom benötigen. Die Series 6 ist ab 418 Euro erhältlich, die Mobilfunkversion ab 515 Euro.

Der Apple Watch SE hat der Hersteller nur den S5-Chip des Vorjahresmodells Series 5 spendiert. Ein Always-on-Display und die EKG-Funktion fehlen. Es seien aber „derselbe Beschleunigungssensor, Gyrosensor und Höhenmesser“ wie in der Series 6 eingebaut.

Mit GPS-Funktion bekommt man die Watch SE für 291 Euro. Die Mobilfunkausführung ist ab 340 Euro erhältlich. Alle neuen Watches liefert Apple zwar mit erforderlichem Ladekabel, aber ohne Netzteil aus. Das solle helfen, die Umwelt zu schonen, begründete Apple, da man etwa ein iPhone-Netzteil verwenden kann.

Das kann man dem an der Börse ­teuersten Konzern allerdings auch als Knauserigkeit auslegen. Apple wirds sicher verschmerzen. Im weltweiten Smart­watch-­Markt kommt das Unternehmen im ersten Quartal 2020 laut Strategy Analytics auf einen Anteil von 55 Prozent.

Abonnement-Strauß

Wer mehrere Apple-Dienste nutzen möchte, kann nun unter der Bezeichnung „Apple One“ den Streamingdienst Music, das Video-Angebot TV+, den Spieledienst Arcade sowie 50 GByte iCloud-Speicherplatz im Paket für rund 15 Euro monatlich buchen – eine Ersparnis von 6 Euro gegenüber den addierten Einzelbuchungen.

Dieselben Dienste erhält man auch im Familienpaket, das für maximal sechs Personen im Rahmen der Familienfreigabe gedacht ist. Der iCloud-Speicherplatz beträgt 200 GByte. Monatlich sind knapp 20 Euro zu zahlen, was 8 Euro günstiger kommt.

Dem „Premier“-Paket fügt Apple zusätzlich die Magazin-Flat News+, den neuen Dienst Fitness+ sowie 2 TByte iCloud-­Speicherplatz hinzu – alles zusammen für 30 US-Dollar. Diese Option wird in Deutschland aber vorerst nicht ange­boten.

Mit dem Dienst Fitness+ spricht die Firma Watch-Nutzer an, die sich anhand von Videos auf iPhone, iPad oder Apple TV beim Training unterstützen lassen wollen. Die von der Uhr erfassten Sensordaten werden während der Übungen auf den größeren Bildschirmen angezeigt. Fitness+ ist damit ein weiterer, eigentlich offener Dienst, den Apple exklusiv an die eigene Hardware bindet. Zum Angebot gehören Trainingseinheiten für Indoor-­Bikes, Laufband, Yoga und Tanz. Fitness+ kostet 10 US-Dollar pro Monat oder 80 Dollar pro Jahr. Bisher hat Apple offenbar nur englischsprachige Videos drehen lassen, sodass Fitness+ wohl erst einmal nur in Australien, Kanada, Irland, Neuseeland, Großbritannien und den USA angeboten wird.

Der Musikstreaming-Anbieter Spotify kritisierte Apples Abo-Angebot um­gehend: „Wieder einmal nutzt Apple seine marktbeherrschende Stellung und seine unfairen Praktiken, um Wettbewerber und Verbraucher zu benachteiligen, indem es seine eigenen Dienste begünstigt.“ Es leuchtet ein: Dem großen Dienstestrauß „Apple One“, den die Kalifornier ab dem Herbst anbieten wollen, kann Spotify mit seinem einzelnen Musikstreaming-Dienst nichts Gleichwertiges entgegensetzen und sieht seine Felle davonschwimmen.

Mehr Gitterstäbe am goldenen Käfig

Kurz nach den Ankündigungen hat Apple überraschend auch neue Betriebssysteme veröffentlicht, also iOS 14, iPad OS 14, watchOS 7 und tvOS 14. Manche Entwickler reagierten irritiert, weil seit den Tags zuvor erschienenen letzten OS-Beta-Versionen für Bugfixes an Apps kaum Zeit blieb. Das trübt etwas den Eindruck einer ansonsten durchdachten Vorstellung. Unterm Strich dürfte Apple dennoch erneut das Interesse zahlreicher Kunden wecken. (dz@ct.de)

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