c't 22/2020
S. 120
Test & Beratung
Newsletter-Renaissance
Bild: Rudolf A. Blaha

Kuratiert ins Postfach

Die Renaissance der Newsletter

Newsletter prägen journalistische Dickschiffe wie die New York Times mit, bilden die Kristallisationskerne neuer Medienunternehmen und ermöglichen es jedermann, Kleinstpublikationen mit spitzer Zielgruppe heraus­zu­bringen. Wer für frische, inte­ressante, sorgfältig zusammengestellte Inhalte aufgeschlossen ist, kann so manche spannende Entdeckung in ­seinem Postfach machen.

Von Jo Bager

E-Mail-Newsletter? Das ist doch Spam“, so werden wohl viele Menschen denken, wenn man sie auf das Thema anspricht. Und tatsächlich steht der Begriff meistens für etwas, das man nicht haben will: etwa für Supersonderangebote, die man nur erhält, weil man irgendwo etwas bestellt und den Newsletter mit untergeschoben bekommen hat. Oder unambitioniert zusammenkopierte Überschriften und Vorlauftexte von Zeitungen. Mit so etwas holt man niemanden hinter dem Ofen hervor.

Aus dem Wust solch liebloser und nerviger digitaler Postwurfsendungen stechen schon seit ein paar Jahren wesentlich bessere Angebote heraus. Einige Journalisten zäumen das Medium E-Mail-Newsletter neu auf, stellen täglich oder wöchentlich ein fein auf das Zielpublikum abgestimmtes Nachrichtenpaket zusammen und bereiten es passend für das Medium auf – mit viel Erfolg.

Beispiele gefällig? Bei Fever Pit'ch von Sportjournalist und Chefredakteur bei Sport1 Pit Gottschalk dreht sich alles um Fußball. Jeden Freitag informiert Finanztip.de die fast 800.000 Abonnenten seines kostenlosen Newsletters über aktuelle ökonomische Entwicklungen, erklärt Grundlagen und gibt konkrete Tipps zum Thema „persönliche Finanzen“. Am anderen Ende des Preisspektrums liegt der Tagesspiegel, der unter der Marke Tagesspiegel Background mehrere hochspezialisierte Newsletter zu Themen wie Klima & Energie oder Digitalisierung & KI herausbringt – und zwar für jeweils 179 Euro pro Monat. Während Newsletter hierzulande meist (noch?) andere Medien begleiten und ergänzen, gibt es in den USA bereits journalistische Angebote und Plattformen, die ausschließlich auf E-Mail-­Newsletter setzen, etwa The Hustle und Substack.

Gut strukturierte, auf den Punkt ­formulierte Texte, klar abgegrenzte ­Blöcke: Die wichtigsten Inhalte von The Morning Brew lassen sich gut beim Überfliegen erfassen.

Auf den Punkt

Laut dem Digital News Report, für den das Reuters Institute Menschen in 40 Ländern interviewt hat, empfangen rund 16 Prozent der Befragten mindestens einen Newsletter pro Woche (Deutschland: 18 %). Das klingt noch nicht so spektakulär, aber: Knapp die Hälfte dieser Nutzer gab an, dass E-Mail ihre Hauptquelle für Nachrichten ist. Newsletter-Empfänger sind tendenziell älter und besser situiert als der Durchschnitt. Häufig ist von Millenials als der Zielgruppe für Newsletter die Rede, aber nicht immer – es gibt auch welche, die sich an jüngere Menschen richten.

Auf den ersten Blick bietet das Medium wesentlich weniger als Websites und Apps. So lassen sich viele dynamische und interaktive Elemente nicht in E-Mails darstellen: Ein reduziertes Layout, ein wenig Typografie, mal ein Bild, ein paar Icons – das wars. Zudem kann man Newsletter nicht schnell updaten.

Die Eingeschränktheit von Mails lässt sich allerdings auch als Vorteil sehen. E-Mails sind endlich, im Unterschied zum schier grenzenlosen und unübersichtlichen Internet. Der Empfänger hat das Gefühl, einen guten Überblick zu bekommen. Er wird nicht mit Informationen erschlagen, sondern auf den Punkt informiert (wenn es gut gemacht ist).

In diesem Zusammenhang ist häufig von Skimmable Content die Rede, auf Deutsch also etwa „gut durch querlesen oder überfliegen erfassbare Inhalte“: Kurze Absätze und kurze Sätze sind Trumpf. Der Newsletter enthält oft eine für sich stehende Zusammenfassung eines Sachverhalts; wer das Thema vertiefen will, findet den Link dazu.

Überschriften und Hervorhebungen stellen wichtige Punkte heraus; Spiegelstriche oder Listen strukturieren kom­plexe Informationen; Infografiken und Videos werden nur eingebettet, wenn sie Informationen besser aufbereiten können. Das Layout unterstützt die Übersichtlichkeit mit viel Weißfläche und indem Abschnitte mit Karten oder Kästchen voneinander abgetrennt sind.

Aus Betreibersicht sind Newsletter attraktiv, weil sich über die Mail-Adresse ein direkter Kanal zum Leser eröffnet. Die Nutzung lässt sich etwa über das Nachladen von Bildern sowie über Mailbugs oder geklickte Links gut tracken. Newsletter-Tools regis­trieren jede Nutzeraktion genau, liefern gute Statistiken etwa zur Konversion von Werbung. Aus Sicht des Datenschutzes ist das allerdings bedenklich.

Eine langsame Welle

Die Renaissance der E-Mail-Newsletter läuft im Grunde schon seit Beginn der 2010er-Jahre. Genauso wenig wie es den einen Grund für den neuen Erfolg des alten Mediums gibt, gab es auch nicht das eine Ereignis oder Medium, das die neue Popularität anfachte.

Zulauf bekamen digitale Rundbriefe zum Beispiel durch die Betreiber und Leser von Blogs. Im Jahr 2013 hat Google seinen RSS Reader eingestellt, das bis dahin am weitesten verbreitete Hilfsmittel, um Inhalte von Blogs und Nachrichtensites zu sammeln und zu lesen. Newsletter empfahlen sich als Alternative, die zudem einen persönlicheren Kanal zwischen Autor und Lesern aufbauten.

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