c't Extra 2020
S. 3
Standpunkt

c’t Retro: Besuch aus der Vergangenheit

Neulich klingelte es an meiner Wohnungstür. Ich staunte nicht schlecht, als ich öffnete: Vor mir stand mein gut 30 Jahre jüngeres Ich, leicht verwirrt. Er habe in einer Telefonzelle gestanden, als es blitzte und ihn offenbar aus dem Jahr 1986 hierher beförderte.

Er wollte gar nicht wissen, was ich die letzten 34 Jahre so getrieben habe. Ihn interessierte nur, was für Computer man nun benutze. Ja, klar: So war ich damals.

Ich beschloss, mich nicht zu wundern, und führte ihn einfach in mein Arbeitszimmer. "Ach, nee!", rief er, als er meinen PC sah. "Blechkasten, Kabel, die Tastatur sieht genauso aus wie meine – sogar eine Maus hast Du noch. Aber was steht da für ein schwarzes Brett auf dem Tisch? Wo ist der Monitor? Was für einen Norton SI-Faktor hat die Kiste denn?"

"Keine Ahnung, ’n paar Tausend vielleicht?", murmelte ich, während er den Hauptschalter drückte. Als das Windows-Logo erschien, lachte er laut los. "Echt jetzt? Windows habe ich neulich erst ausprobiert und die Diskette dann in den Müll geschmissen. Das gibts immer noch? Es hat sich ja wirklich nichts geändert."

"Glaubst Du?", fragte ich ihn, während er mit offenem Mund auf den Desktop in 4K-Auflösung starrte. "Hier!" Ich drückte ihm diese c’t-Ausgabe in die Hand. "Du hast nur ein paar ­Dutzend CPU-Generationen (S. 28) und noch mehr Grafikkarten-Evolutionsstufen (S. 124), Aufstieg und Fall von CD-Laufwerken und Soundkarten (S. 132) und über 20 Windows-Versionen (S. 70) verpasst. Außerdem jede Menge Sachen, die Du nicht einmal verstehen würdest, wie MP3 (S. 10) oder Smartphones (S. 138)."

"Smart-was?", fragte er, während ich ihn durch die Tür in den Hausflur schob. Als er sich protestierend umdrehte, zog ich mein Smartphone aus der Tasche, schaltete die Kamera ein und blitzdingste ihn. Dann schlug ich die Tür hinter ihm zu und murmelte: "Ok, Boomer! Viel Glück bei der Suche nach einer Telefonzelle!"

Stefan Wischner

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