c't 12/2021
S. 32
Aktuell
Apple vs. Epic
Bild: Herwin Bahar / dpa

Auslaufmodell 30 Prozent

Entwickler und Behörden setzen ­App-Store-Betreiber unter Druck

App-Store-Betreiber wie Apple streichen satte Provisionen ein und gängeln Entwickler mit ­Auflagen. Dass sie damit noch lange durchkommen, ist unwahrscheinlich – denn neben den Entwicklern erhöht auch die EU-Kommission den Druck.

Von Daniel Herbig und Christian Wölbert

Apple-Manager als Zeugen vor Gericht, öffentliche Kreuzverhöre und Einblicke in interne Mails: Die Klage des Spieleherstellers Epic gegen Apple ist wahrlich ein Spektakel. Der Anfang Mai in San Francisco eröffnete Prozess um Epics Spiel „Fortnite“ und Apples App-Store-Regeln wird voraussichtlich Ende des Monats entschieden. Epic wirft Apple den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor und will seine Inhalte künftig an iPhone-­Nutzer verkaufen, ohne dabei 30 Prozent der Umsätze an Apple abzugeben. Bis ­Redaktionsschluss dieser c’t war noch nicht absehbar, wie das Verfahren ausgeht.

Doch selbst, wenn Apple sich durchsetzen sollte: Allzu lange dürfte der iPhone-­Hersteller mit seinen rigiden App-Store-­Regeln und seiner 30-Prozent-Provision nicht mehr durchkommen. Denn auch Wettbewerbsbehörden sowie die Politik ­erhöhen den Druck auf den iPhone-­Konzern und andere Plattformbetreiber.

Auch Vestager macht Druck

Jüngstes Beispiel ist eine Entscheidung der EU-Kommission: Ende April stellte die Behörde „vorläufig“ fest, dass Apple seine marktbeherrschende Stellung beim App-­Vertrieb missbrauche. In dem Verfahren geht es zwar bislang nur um Musikstreaming-Apps wie Spotify, aber EU-Kommissarin Margrethe Vestager machte deutlich, dass sie das System App Store insgesamt angreift: Der Konzern verlange „hohe Provisionen“ und verbiete Konkurrenten, in ihren Apps auf alternative Kaufmöglichkeiten hinzuweisen, twitterte sie. „Das schadet den Verbrauchern.“ Apple darf nun zu den Vorwürfen Stellung nehmen.

Weil solche Kartellverfahren sich über Jahre hinziehen, plant die EU-Kommission auch eine Verschärfung der Rechtsgrundlagen. Der im Dezember vorgeschlagene „Digital Markets Act“ sieht vor, dass Wettbewerbsbehörden künftig nicht mehr in jedem Einzelfall nachweisen müssen, dass ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung hat und diese missbraucht. Stattdessen sollen sich Plattformen, die in Europa mehr als 6,5 Milliarden Euro Umsatz machen und dort mehr als 45 Millionen Nutzer haben, an besonders strenge Regeln halten. Sie dürften dann zum Beispiel App-Anbietern nicht mehr untersagen, auf günstigere Kaufmöglichkeiten hinzuweisen.

Der Druck von Entwicklern und Wettbewerbshütern lässt die 30-Prozent-Regel – jahrelang der Branchenstandard bei Apps und Spielen – bereits jetzt bröckeln: Seit Januar verlangt Apple von Entwicklern, die nicht mehr als eine Million US-Dollar pro Jahr im App Store verdienen, nur noch 15 Prozent. Und von Juli an halbiert auch Google seine Provision auf 15 Prozent, solange der Jahresumsatz eines Anbieters unterhalb einer Million US-Dollar bleibt.

Auch bei anderen Shop-Betreibern geraten die Dinge in Bewegung. Valve, das Unternehmen hinter der Spieleplattform Steam, verlangt seit 2018 nur noch 25 oder 20 Prozent von größeren Studios, weil namhafte Entwickler wie Bethesda und Electronic Arts einige ihrer Titel nicht mehr bei Steam anbieten wollten. Inzwischen wehren sich auch kleinere Anbieter gegen den Betreiber des größten PC-Spiele-Stores. Das Indie-Studio Wolfire Games wirft ihm in einer Klage vor, seine marktbeherrschende Stellung auszunutzen. Unmissverständlich damit verknüpft: die 30-Prozent-Provision.

Microsoft hat die Abgaben für PC-­Spiele im Microsoft Store bereits auf zwölf Prozent heruntergefahren. Bei dieser Marke liegt auch Apple-Kontrahent Epic mit seinem eigenen Games Store. Selbst mit dieser Provision könne man ein „profitables und nachhaltiges“ Geschäft aufbauen, twitterte Epic-Chef Tim Sweeney 2019 als Seitenhieb auf Apple. Unter dem Strich blieben so rund fünf Prozent des Umsatzes bei Epic als Gewinn hängen, bei weiterem Wachstum seien auch Margen von sechs oder sieben Prozent drin.

Geschickt versucht Epic, die Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen. Den Rauswurf des beliebten Online-Shooters „Fortnite“ aus dem App Store und dem Play Store hatte das Entwicklerstudio provoziert, indem es Zahlungen für im Spiel erworbene Gegenstände schlicht an Apple und Google vorbeischleuste, ganz ohne Abgabe. In der kurzen Zeit, bevor „Fort­nite“ deswegen gesperrt wurde, waren diese Items für die Spieler 20 Prozent billiger.

Epic-Chef Tim Sweeney vor seinem ­Auftritt im Prozess gegen Apple: Der „Fortnite“-Anbieter versucht ­geschickt, die Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen.
Bild: Noah Berger / dpa

Aus Sicht des früheren Apple-Managers Philipp Shoemaker sollte die Provision sogar eher in Richtung drei Prozent gehen, ähnlich wie bei Kreditkartenfirmen. Apple habe sich die 30 Prozent zum Launch des App Stores mehr oder weniger willkürlich herausgepickt, erklärte Shoemaker der New York Times. „Niemand hat das hinterfragt.“ Andere Anbieter wie Google oder Samsung folgten dann schlicht Apples Vorbild, als sie selbst App-Läden aufmachten.

Marge von über 70 Prozent?

Wie viel Apple mit seinem App Store bislang genau verdient, ist unbekannt. Die Umsätze werden in Finanzerklärungen des Unternehmens mit anderen Diensten wie Apple Music und Apple Pay zusammengerührt und damit unkenntlich gemacht. Analysten gehen aber davon aus, dass Entwicklerteams 2020 Software für insgesamt mehr als 60 Milliarden US-Dollar über den App Store verkauft haben. Demnach könnte Apple rund 20 Milliarden US-Dollar an Provisionen eingestrichen haben. Die Gewinnmarge des App Store liege oberhalb von 70 Prozent, glauben Analysten.

Auch viele App-Entwickler haben nicht den Eindruck, dass den US-Konzernen für den Betrieb ihrer Shops hohe Kosten entstehen. „Apple und Google machen Milliardenumsätze mit einer minimalen Dienstleistung“, kritisiert der Chef einer europäischen Entwicklerfirma mit zwei Dutzend Mitarbeitern im Gespräch mit c’t. Supportanfragen würden die Shopbetreiber meistens direkt an die App-­Entwickler weiterleiten – auch, wenn das Problem beim App Store liege und nicht bei der App.

Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass die Entwickler neben der Provision auch noch die Mehrwertsteuer zahlen müssten. Unter dem Strich blieben deshalb nur rund 50 Prozent der Umsätze bei ihnen hängen. Namentlich genannt werden möchte der Unternehmer nicht – aus Sorge, von Apple oder Google gegängelt zu werden. (cwo@ct.de)

Kommentieren