Bit-Rauschen
Wirrwarr um Prozessoren für Windows 11, CPU-Bugs und Superrechner
Windows 11 verlangt einerseits relativ junge Prozessoren, läuft andererseits aber auf einem Raspberry Pi. Intel schaltet per Microcode-Update CPU-Funktionen ab. Ein europäisches Supercomputer-Projekt scheitert an Zwist.
Windows 11 sorgt für Gesprächsstoff und wie bei früheren Windows-Generationswechseln sind die Hardware-Mindestanforderungen unverständlich. Beim mindestens nötigen Prozessor stiftet Microsoft mit langen Typenlisten Verwirrung, vor allem bei den AMD-Typen: Ein Ryzen 5 2500U der Generation Zen reicht demnach nicht, aber der schwächere Athlon 3000G – wieso? Vermutlich lässt sich Windows 11 am Ende doch wieder auch auf älteren Systemen installieren und auch auf welchen ohne Trusted Platform Module (TPM 2.0), siehe die Seiten 3 und 180. Dafür spricht jedenfalls, dass es sogar mit einem Raspberry Pi 4 klappt (siehe S. 32).
Intel überraschte mit dem Abschalten von Funktionen per Microcode-Update wie den Transactional Synchronization Extensions (TSX), um bei einigen Prozessoren eine ältere Sicherheitslücke zu schließen. Weil TSX nur bei speziell dafür angepasster Datenbanksoftware Vorteile verspricht, ist das kein wesentlicher Nachteil. Doch TSX war nicht die einzige Funktion, die Intel per Microcode-Update deaktivierte, sondern bei einigen wenigen CPU-Typen auch die undokumentierte Funktion „Hardware Zero Store“, die das Überschreiben von Datenfeldern im RAM besonders schnell erledigt, sofern es sich dabei nur um Nullen handelt. Weil folglich das Überschreiben mit Nullen schneller geht als mit anderen Werten, reagiert der Prozessor je nach Inhalt der verarbeiteten Daten unterschiedlich schnell. Das wiederum lässt sich theoretisch als Seitenkanal (Timing Side Channel) missbrauchen, um Informationen über Daten zu erheischen, die die CPU gerade schreibt.
Der Software-Performance-Experte Travis Downs hatte dieses Verhalten entdeckt und an Intel gemeldet. Er zeigte sich in seinem Blog (siehe ct.de/yzux) jedoch überrascht, dass Intel die nur als „niedriges“ Sicherheitsrisiko eingestufte Sicherheitslücke CVE-2020-24512 durch Abschalten der Funktion stopfte. Downs wirft die Frage auf, ob man wirklich jede noch so winzige Lücke schließen muss.
Auch Intel mit Super-Cache?
Anfang Juni hatte AMD kommende Ryzen-Varianten mit riesigem „3D V-Cache“ angekündigt, die vor allem Gaming-Rechner auf Trab bringen. Sie könnten Ende des Jahres als Ryzen 5000 XT oder auch 6000 kommen, siehe das Bit-Rauschen in c’t 14/2021. Angeblich plant Intel Ähnliches, und zwar für die Core-i-Generation „Raptor Lake“, die Mitte 2022 auf „Alder Lake“ folgen dürfte; letztere ist im Herbst als Core i-12000 zu erwarten. Vielleicht kommt Alder Lake zusammen mit Windows 11, weil das neue Windows angeblich besser mit hybriden Prozessoren umgehen kann: Alder Lake wird ja besonders starke mit besonders effizienten Rechenkernen kombinieren.
Jetzt zauberte AMD überraschend das „AMD 4700S Desktop Kit“ aus dem Hut, ein Mini-ITX-Mainboard mit einem Octo-Core-Prozessor und 16 GByte GDDR6-RAM (siehe S. 34). Es handelt sich um die Wiederverwertung von Chips, die eigentlich für die Spielkonsole PS5 gefertigt wurden, aber deren Grafikeinheit nicht wie vorgesehen funktioniert. Vermutlich will AMD damit einen kleinen Beitrag zur Abmilderung der Halbleiter-Knappheit leisten.
Supercomputer-Wirren
Auf der aktuellen Top500-Liste der 500 schnellsten Supercomputer (siehe S. 53) kratzt AMD mit 48 Epyc-Systemen an der 10-Prozent-Marke; bis zur 58. Top500-Liste im November könnte sie überschritten sein. Doch nicht alle Supercomputer-Projekte laufen glatt: Schon Ende 2020 sollte eigentlich beim Barcelona Supercomputing Center (BSC) der 200-Petaflops-Bolide Mare Nostrum 5 an den Start gehen. Doch die 2019 erfolgte Ausschreibung wurde im April 2021 ohne Ergebnis beendet. Laut der US-Website Politico konnte sich das von der EU und mehreren Einzelstaaten gemeinsam finanzierte Konsortium nicht auf ein Angebot einigen: Spanien favorisierte demnach den Vorschlag von IBM und Lenovo, der am meisten Performance versprach. Unter anderem Frankreich pochte hingegen auf einen höheren Anteil von EU-Zulieferern, was angeblich das Angebot der französischen Firma Atos versprach. Das zeigt, wie konfliktträchtig die grundsätzlich gute Idee ist, die digitale Souveränität in der EU zu fördern. (ciw@ct.de)
Bit-Rauschen als Audio-Podcast: ct.de/yzux