c't 17/2021
S. 124
Wissen
Quantencomputer
Bild: Graham Carlow / IBM

Rechnen mit Qubits im Jahr 2021

Sechs technische Konzepte für Quantencomputer

Die ersten Quantencomputer müssen sich heute auf ein paar Dutzend fehlerhafte Qubits beschränken, während Anwender Tausende oder Millionen stabile Qubits benötigen. Welche Grundlagentechnik diese Steigerung leisten kann und damit das Rennen um den ersten praktischen Quantencomputer macht, ist noch offen.

Von Sabine Hossenfelder

Quantencomputer sind derzeit eines der verheißungsvollsten Entwicklungsfelder; voraussichtlich stehen wir ganz am Anfang einer Phase technischer Durchbrüche und überraschender Anwendungen. So viele verschiedene Unternehmen und Institute arbeiten an der Realisierung des Quantencomputers, dass es schwierig ist, den Überblick zu behalten. Zumal die Marktteilnehmer ganz unterschiedliche technische Ansätze verfolgen.

Die entscheidende Grundlage für das Quantencomputing bilden die Quantenbits oder kurz: Qubits. Dabei handelt es sich um Zweizustandssysteme der Quantenmechanik. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bits der klassischen Computertechnik, die lediglich entweder den Wert 0 oder 1 annehmen, kann ein Qubit beliebige Kombinationen seiner beiden Zustände verkörpern. Doch die wahre Magie des Quantencomputing liegt in der Möglichkeit, Qubits miteinander zu verschränken. Die Verschränkung ist eine quantenmechanische Korrelation, für die es nichts Vergleichbares in der Welt der makroskopischen Dinge gibt. Sie führt dazu, dass sich die verschränkten Qubits einen gemeinsamen Zustand teilen beziehungsweise ein mehrteiliges Quantenobjekt bilden. Wird eines dieser Qubits manipuliert, ändern sich zugleich alle mit ihm verschränkten Qubits, die Beziehungen zwischen ihnen bleiben erhalten.

Es gibt viele Möglichkeiten, wie Qubits miteinander verschränkt sein können. Zum Beispiel lässt sich eine Reihe von Qubits so verschränken, dass sie gemeinsam nur Vielfache von Sechs ausgeben oder ausschließlich Primzahlen. In Verschränkungen liegt der Schlüssel, um spezielle mathematische Probleme zu lösen. So könnten Quantencomputer helfen, die Schrödinger-Gleichung für komplexe Molekülstrukturen zu lösen. Damit wäre es möglich, die Eigenschaften von Materialien und Werkstoffen zu bestimmen, ohne diese erst chemisch synthetisieren zu müssen. Weitere Anwendungsfelder sind Optimierungsprobleme wie etwa das Handlungsreisenden-Problem in der Logistik oder die Optimierung von Finanzportfolios unter Beachtung diverser Unsicherheiten. Bekannte Algorithmen von Lov Grover und Peter Shor zeigen, wie Quantencomputer verbreitete Verschlüsselungsverfahren brechen könnten [1]. Es mangelt also nicht an ganz realen Einsatzfällen.

53 der 54 supraleitenden Qubits auf dem Sycamore-Chip führten in 200 Sekunden Berechnungen aus, für die der stärkste klassische Superrechner Jahre, wenn nicht Jahrtausende benötigt hätte.
Bild: Google

Aber Quantencomputer eignen sich nicht für alle möglichen Berechnungen, sondern nur für spezielle Aufgaben. Für die Lösung mathematischer Probleme sind sie wie Wurmlöcher für Weltraumreisen: Sie können Reisende nicht überall hinführen. Aber wenn sie eine Verbindung schaffen, dann ist die wirklich schnell.

Aus den besonderen Eigenheiten des Quantencomputers resultieren auch seine größten technischen Herausforderungen. Entscheidend für das Quantencomputing ist es, die Zustände der Qubits und die Verschränkungen zwischen ihnen lang genug aufrechtzuerhalten, um die für einen Algorithmus erforderlichen Rechenschritte ausführen zu können. Schon kleinste Störungen können ein Qubit kollabieren lassen. Zurück bleibt dann ein einfaches Bit, das entweder 0 oder 1 ist, und die quantenmechanische Berechnung schlägt fehl. Ein fehlertoleranter Quantencomputer muss daher nicht nur aufwendigst abgeschirmt werden, er braucht zusätzlich auch mehrere Kopien seiner Eingangsdaten und Zwischenstände sowie eine funktionierende Fehlerkorrektur. Und das bedeutet, dass er mehr Qubits braucht. Aus diesem Grund schätzen Experten, dass Quantencomputer für sinnvolle und zudem zuverlässige Rechenanwendungen nicht 20 Qubits brauchen oder 200, sondern eher eine Million. Zugegeben, ein Daumenwert, der auch stark vom Anwendungsfall, dem verwendeten Algorithmus und der Stabilität der eingesetzten Qubits abhängt. Solange aber die Zahl verfügbarer Qubits weit darunter liegt, bleiben Quantencomputer lediglich von akademischem Interesse.

Zur Berechnung realer Probleme genügt es nicht, Qubits zu erzeugen, diese müssen auch stabil rechnen und in der Anzahl erheblich skalieren. Ebenso müssen sich die Verschränkungen auf möglichst viele Qubits ausweiten lassen. Das Rennen um die beste Technik für Qubits ist noch längst nicht entschieden.

​Supraleitende Qubits​

Die heute mit Abstand am häufigsten verwendeten Qubits basieren auf supraleitenden Schleifen. Das heißt, die Qubits sind feine Ströme in mikrometergroßen Schleifen aus supraleitendem Metall auf einem Siliziumchip. Um die beiden Zustände des Qubits darzustellen, können entweder die Verteilung der Ladung oder die Richtung des Stromflusses in einer Schleife dienen.

Der Q-System-One-Quantencomputer: Ohne den ultratiefkühlenden Kryobehälter ist unten der Chip zu erkennen, der 27 supraleitende Qubits beherbergt.
Bild: Andrew Lindemann/IBM

Der große Vorteil dieser Technik liegt darin, die supraleitenden Qubits massenhaft mit bestehenden Großanlagen der Chipfertigung herstellen zu können, also mittels Verfahren, die die elektronische Industrie in den vergangenen Jahrzehnten perfektioniert hat. Die Sache hat allerdings einen großen Haken: Qubits entstehen in den Schleifen nur unter extrem niedrigen Temperaturen zwischen etwa 10 bis 20 Millikelvin, denn erst in diesen Temperaturbereichen verwandeln sich die Schaltkreise in widerstandsfreie Supraleiter. Ohne Supraleitung können die Schleifen keine Zweizustands-Quantensysteme bilden und aufrechterhalten.

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