c't 18/2021
S. 38
Aktuell
Prozessoren

Bit-Rauschen

Intel erfindet sich neu, PlasticARMe sind der neueste Schrei und 3dfx kehrt zurück

Intel hat die „Nanometer-Lüge“ satt und verzichtet künftig auf deren Nennung. Davon abgesehen gibts aber auch echte Neuerungen. Und während PragmatIC einen PlasticARM zeigt, sorgt ein 3dfx-Twitterkonto für einen Retro-Hype.

Von Carsten Spille

Nanometer-Angaben zur Charakterisierung von Fertigungsprozessen sind seit vielen Jahren nur noch eine grobe Näherung und daher wenig aussagekräftig. Was aus der Führungsposition der Halbleiterfertigung heraus jahrelang recht und billig war, findet Intel nun gar nicht mehr so gut. Viel wichtiger sei schließlich die Energieeffizienz, auf die man sich jetzt konzentriere und als Maßstab verwende. Und die Transistordichte, die bei Intel-Prozessen schon seit Langem über der von Chipschmieden wie TSMC oder Samsung gelegen habe. Letzteres sehen übrigens auch unabhängige Experten so, die Chips aufgesägt und unter dem Rasterelektronenmikroskop analysiert haben.

Beginnend mit der letzten geplanten Ausbaustufe der arg gebeutelten 10-Nanometer-Fertigung schwenkt man deshalb noch einmal auf eine neue Bezeichnung um. Denn bereits nach der schon unfreiwillig komisch wirkenden „+“-Orgie bei der 14-Nanometer-Technik, die am Ende bei „14nm+++“ angekommen war, gab es für die Prozessklasse „10 Nanometer“ bereits eine neue Taktik: Der erste, mit den Cannon-Lake-Prozessoren katastrophal gescheiterte Versuch wird totgeschwiegen, die wirklich massentaugliche Variante heißt schlicht „10 nm“. Deren Nachfolger, der auch die ursprünglichen Taktziele für 10 Nanometer schaffte, bekommt den Zusatz „SuperFin“ und die letzte Ausbaustufe heißt nun nicht mehr „10 nm Enhanced SuperFin“ (aka. +++), sondern schlicht Intel 7. Ganz ohne Einheit.

Intel 4: 7 nm mit EUV

Danach folgt Intel 4, der ehemalige 7-Nanometer-Prozess. Der soll zu großen Teilen bereits extrem kurzwellige UV-Strahlen zur Belichtung der dotierten Wafer-Oberfläche nutzen. Nach Milliardeninvestitionen in die nötigen Maschinen und in Fabrikumbauten soll die Fertigung dadurch mit weniger Einzelschritten auskommen und so zuverlässiger werden. Die Desktop-Chips mit dem Codenamen „Meteor Lake“ und die Granite-Rapids-Server-CPUs nutzen Intel 4. Ihr Produktionsbeginn soll Herbst/Winter 2022 sein. Doch im Desktop sind erst einmal Alder Lake diesen Herbst und Raptor Lake 2022 dran, bei den Servern Sapphire Rapids.

Nach 4 kommt Intel 3 in der zweiten Jahreshälfte 2023 mit nochmals verbesserter Energieeffizienz, höherer Transistordichte durch neue Bibliotheken und mehr Lagen mit EUV. So weit, so umbenannt. 2024 wechselt der Name schließlich auf Intel 20A und kehrt damit – das A steht für die Längeneinheit Ångström – wieder zu einem dann hoffentlich korrekten Längenmaß zurück.

Doch es gibt ab 2024 auch echte Neuerungen, nicht nur beim Namen. So soll es nach jahrelanger FinFET-Nutzung auch neue Transistortypen geben. Bei Intel heißen die Schaltungen, bei denen der leitende Kanal des Feldeffekttransistors (FET) zu allen Seiten von der Gate-Elektrode umgeben ist, RibbonFET. IBM nennt sie Nanosheets, TSMC schlicht Gate-All-Around (GAA) und Hersteller Samsung Semiconductor, der schon 2023 mit der Massenproduktion starten will, Multi-Brigde-Channel-FET (MBCFET).

Die Gate-Elektrode umschließt die leitenden Kanäle (goldfarben) auch beim RibbonFET von allen Seiten, daher der generische Name Gate-All-Around.
Bild: Intel

Zusätzlich plant Intel für 20A PowerVias, bei denen die mikroskopischen Leitungen für die Stromzufuhr von der Rückseite des Siliziums herangeführt werden, was für bessere elektrische Eigenschaften sorgen soll.

Plastikarme

Anstelle eines Halbleiters auf Siliziumbasis demonstrierte die Firma PragmatIC gerade ein funktionierendes System-on-a-Chip mit 56.340 Dünnfilmtransistoren (IGZO-TFTs), die auf einem flexiblen Substrat aus Polyimidfolie mit einem Biegeradius von 3 Millimetern sitzen – passenderweise PlasticARM genannt. Das SoC beinhaltet einen 32-bittigen Cortex-M0+-Kern von ARM mit 128 Byte (sic!) RAM und 456 Byte ROM. Die CPU-Register sind allerdings in das RAM ausgelagert. Der Vorläufer des PlasticARM wurde schon vor ein paar Jahren demonstriert und auch der jetzt gezeigte Chip kann nicht mit Silizium-Pendants konkurrieren: Er belegt in 0,8 Mikrometer-Technik (800 nm) 59,2 Quadratmillimeter, taktet mit 29 kHz und braucht rund 21 Milliwatt – da ist noch sehr, sehr viel Abstand zu modernen Silizium-Chips derselben Klasse.

Zum Abschluss noch eine kleine Anekdote: 3dfx, seit 20 Jahren bankrotter Pionier bei 3D-Spielegrafikkarten, wird derzeit vom Twitter-Account @3dfxofficial neu gehypt. Angeblich sollen mit Unterstützung eines Finanziers im kommenden Winter schon neue Grafikkarten, Smartphones & Co. vermarktet werden. Doch noch hält Nvidia – das immer noch um die ARM-Übernahme kämpft – die Rechte an IP und eigentlich auch am Markennamen … (csp@ct.de)

Audio-Podcast Bit-Rauschen: ct.de/ykgv

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