Informatische Bildung für alle
Der lange Weg zum Pflichtfach Informatik
Weil Bildung Ländersache ist, regelt jedes der 16 deutschen Bundesländer den Informatikunterricht auf seine Weise. Wahlpflichtkurse und Angebote in der gymnasialen Oberstufe gibt es schon länger, doch das ist zu wenig und kommt zu spät, sagen Informatik-Didaktiker. Nordrhein-Westfalen hat deshalb jetzt ein Pflichtfach Informatik eingeführt und macht dabei vieles ganz anders als andere Länder.
Als am 18. August die Schule in Nordrhein-Westfalen wieder losging, stand für alle Fünftklässler des bevölkerungsreichsten Bundeslandes ein neues Fach auf dem Stundenplan: Informatik. Das Projekt startete 2017 mit einem Modellvorhaben, berichtet Klaus Killich. Er hat als Hauptdezernent bei der Bezirksregierung Düsseldorf die Fachaufsicht für die Fächer Informatik und Geschichte, ist generell für die Digitalisierung der Schulen zuständig und verantwortlich für die Einführung des neuen Fachs. „Das Pflichtfach Informatik ist seit 30 Jahren unser Anliegen“, berichtet er. Als die Regierungsparteien in NRW, CDU und FDP, 2017 in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel festschrieben, die Informatik zu stärken, eröffnete sich die Chance, dieses Anliegen umzusetzen.
Killich ist Fachlehrer für Informatik, Geschichte und Sport. Bevor er in die Bezirksregierung wechselte, arbeitete er 30 Jahre lang als Lehrer, 10 Jahre lang leitete er ein Gymnasium in Neuss. „Ich weiß ziemlich genau, was es heißt, Informatik zu unterrichten“, sagt er von sich selbst.
Das „Modellvorhaben Informatik“ lief von 2017 bis 2020 an rund 80 Gymnasien in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln. In den Klassen 5 und 6 der beteiligten Schulen fand jeweils eine Wochenstunde Informatik statt. Das Modellvorhaben verlief positiv: Im Januar 2020 seien er und sein Team beauftragt worden, einen Kernlehrplan für das Fach Informatik zu schreiben, berichtet Killich. „Das war eine große Herausforderung! Wir hatten nicht viel Zeit und keine Vorlage. In anderen Bundesländern heißt das Fach zwar Informatik, ist aber meist zu 50 Prozent Medienbildung.“
Von Grund auf
Der neue Kernlehrplan sollte Informatik im engeren Sinne zum Gegenstand haben und auch das Thema künstliche Intelligenz abdecken. Außerdem sollte der Plan für alle Schulformen gelten. „Der gesamte Lehrplan ist nur vom Gymnasium zu erfüllen“, erklärt Killich. „Es gibt darin kursiv gedruckte Elemente, die am Gymnasium berücksichtigt werden müssen. Die anderen Schulformen können diese Inhalte ebenfalls unterrichten, müssen es aber nicht.“
Wegen der Aufnahme der KI in den Lehrplan habe es viel Kritik gegeben, berichtet er. „KI gilt ja als schwierig. Aber auch KI lässt sich altersangemessen vermitteln. Der Computer spielt dabei gar keine so große Rolle. Die Schüler erfahren Strukturen zum Teil in Rollenspielen.“
Ein weiteres Argument von Kritikern: Es fehlten die Lehrer, um das Fach zu unterrichten. „Das war immer das Totschlagargument“, so Killich. Im zweiten Schulhalbjahr 2020/21 liefen in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln je fünf Zertifikatskurse für Lehrkräfte an, um sie für die geplante Einführung des Pflichtunterrichts fit zu machen. Es seien nicht so sehr die Mathe- oder Physik-Kollegen, die diese Kurse besuchten, berichtet Killich, sondern eher Lehrkräfte anderer Fachrichtungen.
Für die Teilnahme gibt es Entlastungsstunden, sodass die Lehrkräfte einen unterrichtsfreien Tag in der Woche haben, an dem sie sich für die Schulung treffen. So konnten in anderthalb Jahren insgesamt 600 Lehrkräfte geschult werden. „Die Lehrkräfte treiben da einen hohen Aufwand, um sich fortzubilden“, lobt Killich. „Es macht ihnen aber auch großen Spaß. Wir haben eine Warteliste, die wird abgearbeitet. Das Interesse bei den Lehrkräften und auch bei den Schulleitern ist groß.“