c't 4/2021
S. 28
Aktuell
Schul-IT

Pleiten, Pech und Pädagogik

Erneut massive Serverprobleme beim Distanzunterricht

An den Schulen verlief der Start ins neue Jahr vielerorts holperig – kaum anders als beim ersten Lockdown im Frühjahr. Während­dessen scheint in den Kultus­ministerien langsam die Einsic­ht zu reifen, dass viel zu lange viel zu viel versäumt wurde.

Von Dorothee Wiegand

Wie kann es sein, dass es auch nach fast elf Monaten in der Coronapandemie beim digitalen Unterricht einfach nicht vorangeht? Diese Frage wird immer lauter gestellt – von Eltern- und Schülerbeiräten, Lehrerverbänden sowie Pädagogik- und Informatikfachgesellschaften.

Als am 11. Januar der Unterricht wieder losgehen sollte und Schüler morgens zur üblichen Zeit des Unterrichtsbeginns versuchten, sich in ihrer Schulcloud einzuloggen, sendeten viele Schulserver nur noch Störungsmeldungen. Bundesweit waren viele Moodle-Lernplattformen wie mebis in Bayern oder Logineo in Nordrhein-Westfalen betroffen, auch in Baden-­Württemberg und Hessen liefen die Moodle-Schulclouds nicht rund. Anderswo fielen etwa Server der Anbieter IServ und itslearning aus. Wer versuchte, sich bei der HPI Schul-Cloud anzumelden, sah unter Umständen nur die Meldung „Wegen Wartungsarbeiten oder Serverengpässen sind wir gerade nicht erreichbar.“ Weil die Schulcloud des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts die Grundlage der Landesangebote in Brandenburg, Niedersachsen und Thüringen ist, waren auch hiervon viele Schulen betroffen.

Netzwelt.de sammelt Störungs­meldungen zu Schulclouds. Die Daten der Lernplattform Moodle vom 19. Januar ­zeigen, dass auch eine Woche nach Schulstart längst nicht alles rund läuft.
Bild: www.netzwelt.de

DDoS pünktlich 8.15 Uhr?

Einige der mit dem Betrieb von Schulclouds betrauten Landesbehörden meldeten im Verlauf der Woche Distributed-Denial-of-Service-Angriffe (DDoS-­Angriffe) als Grund für die massiven Ausfälle. In Rheinland-Pfalz ermittelt jetzt etwa die Landeszentralstelle Cybercrime der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz. Staatsanwalt Jürgen Brauer teilte der dpa mit, dass ein Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet wurde.

Der Verdacht ist nicht neu. Als die ­Server der bayerischen Schulcloud mebis während des ersten Lockdowns Mitte März 2020 zusammenbrachen, ging das mebis-­Serviceteam ebenfalls zunächst von einer DDoS-Attacke aus. Inzwischen hat das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus jedoch wohl erkannt, dass eine Überlastung der Infrastruktur für die Schulclouds als Grund für die Ausfälle viel näher liegt. In einem Schreiben des Ministeriums vom 5. Januar 2021 an alle öffentlichen weiterführenden Schulen heißt es: „Im Hinblick auf noch ausstehende Ergebnisse der Lasttests, denen mebis während der Ferien […] unterzogen wurde, darf ich die Schulen bitten, […] gerade während der ersten Schultage im Januar Spitzenlasten zu vermeiden: Experten empfehlen, am 11.01.2021 die Lernplattform nur sehr ­zurückhaltend zu nutzen.“

Dass die Kultusministerien die Digitalisierung der Schulen in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt haben, ist spätestens seit den ersten Schulschließungen im Frühjahr 2020 offensichtlich. Offenbar ist aber auch danach viel zu wenig passiert, um einen reibungslosen Distanzunterricht zu gewährleisten. Während die Bundesländer weiterhin auf ihre Hoheit über die Bildungspolitik pochen, wird die Kritik an dieser Politik immer lauter.

Ende September luden Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek die Kultusminister aller Länder zu einem Bildungsgespräch ins Kanzleramt. „Die Länder werden ihre eigenen Anstrengungen erhöhen und Länder werden ihre Zusammenarbeit untereinander verbessern“, heißt es auf der Website des BMBF in einer Zusammenfassung der Ergebnisse. Auch der Branchenverband Bitkom fordert nun in einem Positionspapier „einen gemeinsamen Kraftakt von Kommunen, Ländern und dem Bund“ und den zügigen Aufbau einer nationalen Bildungsplattform.

Positive Beispiele

Zum vollständigen Bild gehört aber auch viel Positives. Während die Schulpolitik der Länder nicht recht von der Stelle kommt, haben sich einzelne Schulen und zum Teil einzelne Lehrkräfte sowie interessierte Bürger vom Studenten bis zum pensionierten IT-Fachmann längst auf den Weg gemacht. Lehrer unterstützen sich gegenseitig unter dem Hashtag #twitterlehrerzimmer und auf der deutschlandweiten Plattform „Corona School“ vermitteln Lehramtsstudenten kostenlos 1:1-Nachhilfe auf Distanz. Schulen, die schon vor der Pandemie ein eigenes Konzept für ­modernen, digital unterstützten Unterricht erarbeitet hatten, profitieren jetzt von ­diesem Einsatz. (dwi@ct.de)

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