c't 4/2021
S. 40
Aktuell
Prozessoren

Bit-Rauschen

Neuer Intel-Chef, Dutzende neue (Mobil-)Prozessoren

Mit Pat Gelsinger übernimmt wieder ein Techniker die ­Führung bei Intel. Qualcomm schluckt Nuvia, ein Start-up ­ehemaliger Apple-Chip­entwickler. Und auf der CES künd­igten AMD, Intel, MediaTek und ­Samsung mehr als 60 neue ­Prozessoren an.

Von Christof Windeck

Nun ist Intels Chef-Frage geklärt: Der vor zwei Jahren auf den Thron gehobene Finanzexperte Bob Swan tritt am 15. Februar zurück. Dann soll mit Pat ­(Patrick) Gelsinger wieder ein Techniker den kriselnden Chip-Umsatzprimus in Fahrt bringen. Denkbar ist beispielsweise, dass Intel eine Lizenz für die Fertigungstechnik von Konkurrent TSMC kauft und damit Chips in den eigenen Fabriken in den USA, Irland und Israel produziert. Das Auslagern der Fertigung in Chip-Fabs von TSMC hätte hingegen den Haken, dass die bereits ausgelastet sind.

Intel-Chef Pat Gelsinger
Bild: Intel
Der neue Intel-Chef heißt Pat Gelsinger. Hier ein „Jugendfoto“ aus dem Jahr 2002 mit Ex-Kollege Andreas Stiller (links im Bild) und dem Jour­nalisten Rudi Kulzer (Mitte).
Bild: Andreas Stiller

Pat Gelsinger, der in diesem Jahr 60 wird, arbeitete 30 Jahre bei Intel, bevor er 2009 zunächst zu EMC wechselte und später die Leitung von VMware übernahm. Bei Intel leitete er die Entwicklung mehrerer CPU-Generationen, darunter auch die des berüchtigten Pentium 4 mit NetBurst-Mikroarchitektur, der die extremen Taktfrequenzziele klar verfehlte. Er führte auch das Intel-Entwicklerforum IDF ein, bei dem er 2006 auf offener Bühne als Passwort für eine Produktvorführung „I hate AMD“ eintippte. Dafür hat er sich später entschuldigt. Über den frisch gebackenen Notebookprozessor-Konkurrenten Apple frotzelte Gelsinger aber gleich als „Lifestyle-Company“ und spornte sein Team an, bessere Produkte zu bringen als deren M1-CPU.

Ältere c’t-Leser erinnern sich vielleicht noch an die Wetten um jeweils eine Flasche Wein, die Ex-Kollege Andreas Stiller in den frühen 2000er-Jahren mit Gelsinger abschloss: Dabei ging es darum, ob Intel im jeweiligen Jahr mehr oder ­weniger Patente anmelden konnte als AMD. Gelsinger betätigte sich einst auch als c’t-Autor und steuerte in der Ausgabe 13/2003 seine Sicht auf 25 Jahre x86-­Architektur bei.

Der designierte neue Qualcomm-Chef Cristiano Amon – dem ich im vorigen Bit-Rauschen ein „h“ angedichtet habe – ließ schon vor Amtsantritt einen Kracher los: Qualcomm kauft für 1,4 Milliarden US-Dollar das Start-up-Unternehmen Nuvia, das besonders starke und effiziente ARM-Rechenwerke entwickelt. Das Pikante daran: Die Nuvia-Gründer John Bruno, Gerard Williams III und Manu ­Gulati waren zuvor bei Apple an der Entwicklung des starken M1 beteiligt. Apple versuchte 2019 sogar, die Nuvia-Gründung mit einer Klage zu torpedieren.

Qualcomm hat die Nuvia-Technik dringend nötig, um konkurrenzfähige Notebookprozessoren zu entwickeln. Wie im Bit-Rauschen schon eingeschätzt, dürfte der kommende Snapdragon 888 mit dem bisher stärksten verfügbaren ARM-Kern Cortex-X1 für Smartphones und Notebooks hinter Apples A14 und erst recht hinter dem M1 zurückbleiben. Darauf ­deuten jedenfalls erste Geekbench-5-­Ergebnisse des Samsung Galaxy S21 mit Exynos-2100-Prozessor (siehe Seite 43) hin, in dem genau wie im Snapdragon 888 ein Cortex-X1 und einige Cortex-A78 rechnen. Samsung hat unterdessen bestätigt, dass die nächste Exynos-Generation mit AMDs RDNA2-­Grafik kommt.

Fülle und Knappheit

Bis stärkere Notebook-ARMe auf dem Markt sind, haben AMD und Intel also noch etwas Zeit. Auf den Seiten 32, 42 und 46 finden Sie viele Details zu den sieben CPU-Baureihen, die AMD und Intel auf der CES angekündigt haben – lieferbar ist freilich nichts davon, weil akute Chip-­Knappheit herrscht. Die ärgert nicht nur die IT-Branche und Privatleute, sondern auch Automobilhersteller, die immer mehr Prozessoren für Infotainment und KI-Assitenten einbauen: Unter anderem Volkswagen, Toyota, Honda und Ford drosselten deshalb schon die Produktion oder schlossen zeitweilig sogar komplette Werke. Durch die Verwerfungen des Coronajahres 2020 ­gerieten die Planungen durcheinander und die Nachfrage zog in unerwarteten Bereichen an, sodass die Chipfertiger nicht mehr hinterherkamen. Überraschend kräftig wuchs dank Homeoffice etwa der Absatz von PCs und vor allem Notebooks: Mit mehr als 13 Prozent ging es dabei 2020 so stark aufwärts wie schon seit 2010 nicht mehr. Die Chipwerke arbeiten am Anschlag, Auftragsfertiger TSMC will satte 28 Milliarden US-Dollar investieren, unter anderem für zusätzliche Produktions­kapazität auch in den USA. (ciw@ct.de)

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