c't 4/2021
S. 48
Aktuell
Sensoren

Vorahnung am Handgelenk

Wie Wearables bei der Infektionsbekämpfung helfen

Nach einer Infektion kann es lange dauern, bis man eine fortschreitende Erkrankung spürt. Forscher zeigen nun, dass zum Beispiel Smartwatch-Daten schon Tage vorher Indikatoren für Infektionen enthalten. Das lässt sich allgemein zur ­Be­kämpfung von übertragbaren Krankheiten nutzen, besonders aber gegen die Corona-Pandemie richten.

Von Dušan Živadinović

Abseits der bloßen Erfassung von Fitnessdaten könnten Wearables auch bei der Eindämmung von übertragbaren Krankheiten eine wichtige Rolle spielen. Das belegen mehrere Studien. Beispielsweise fanden Forschungsgruppen am Mount Sinai Health System in New York und an der Stanford Universität in Kalifornien in Herzfrequenzdaten von Smart­watches frühzeitig Belege für Infektionen.

Laut Forschern der Universitäten in San Diego und San Francisco liefert der smarte Fingerring der Firma Oura Health Messwerte, die genau genug sind, um einsetzendes Fieber festzustellen, das auf eine Infektion hinweist. Ähnliches gilt für die Schlafüberwachung der Firma Whoop. Einer Studie der australischen Central Queensland University zufolge lassen sich Infektionen anhand von Abweichungen der Schlafatemfrequenz identifizieren.

Die Messdaten der Wearables ent­halten nur unspezifische Indikatoren für Infektionen, sodass erst Laboranalysen Rückschlüsse auf Erreger liefern. Dennoch bewerten sie Experten als wertvoll, weil sie in der aktuellen Pandemie früh Anlass für rücksichtsvolles Verhalten und Covid-19-Tests geben können. Mehreren Studien zufolge verbreiten mehr als die Hälfte der Coronavirus-Fälle Träger, die keine Symptome aufweisen (siehe ct.de/ym6j).

Als guter Indikator für Infektionen gilt eine ungewöhnlich niedrige zeitliche Variation zwischen Herzschlägen (Herzfrequenzvariabilität, HRV). Das belegen nun auch Forscher am Mount-Sinai-Institut in einer Vorveröffentlichung (noch ohne fachliche Gegenlese). Demnach erfassen die HRV auch einige Apple-Watch-Modelle ausreichend genau. Die Wissenschaftler haben unabhängig von Apple rund 300 Teilnehmer zwischen dem 29. April und dem 29. September untersucht. Die Infektionsanzeichen waren bis zu sieben Tage vor den ersten Symptomen oder vor dem medizinischen Nachweis ersichtlich.

Ruhepulsanalyse

In der Studie der Universität Stanford wurden 5262 Teilnehmer untersucht, von denen 32 Personen laut Test an Covid-19 erkrankt waren. Bei 26 der Covid-Erkrankten fand man Anzeichen für Infektionen bis zu neuneinhalb Tage vor dem Auftreten der Symptome. Für die Analyse werteten die Wissenschaftler den Ruhepuls aus. Extrem erhöhte Werte gelten als starker Indikator für eine Infektion. Die Teilnehmer trugen Aktivitäts-­Tracker von Garmin, Fitbit, Apple und anderen Herstellern. Sie teilten Messdaten mittels der App MyPHD mit den Forschern. Diese haben die Herzfrequenzen mittels zweier Algorithmen analysiert. Die beiden großen Diagramme der untenstehenden Abbildung sind Beispiele dafür.

Das Stanford-Team hat auch ein Alarmsystem entwickelt, das den Träger warnt, wenn sein Ruhepuls für längere Zeit erhöht ist. „Regelmäßige Schwankungen lösen den Alarm nicht aus, sondern nur signifikante, anhaltende Veränderungen“, sagte Stanford University Professor Michael Snyder, der die Studie leitete. „Es ist eine gute Sache, weil es die Nutzer warnt, nicht rauszugehen und Leute zu treffen“, fügte er hinzu.

Fazit

Wearables könnten letztlich helfen, Unzulänglichkeiten der Coronavirus-Tests abzumildern, glaubt Snyder. „Das Problem ist, dass man medizinische Tests nicht laufend machen kann. Wearables messen aber rund um die Uhr. Die Smartwatch meldet Ihnen die Daten sofort, während Sie das Ergebnis Ihres medizinischen Tests, wenn Sie Glück haben, erst in ein paar Tagen bekommen.“ (dz@ct.de)

Mittels zweier ­Algorithmen lässt sich anhand der Herz­frequenz auf Infektionen rückschließen (untere zwei Diagramme). Links oben: kranke und Covid-19-­positiv getestete Teil­nehmer (dunkelrot), andere Erkrankung (gelb), krank ohne Diagnose (grau), nicht krank, aber mit hohem ­An­steckungsrisiko (hellgrau).
Bild: Universität Stanford

Studien zu Wearables und SARS-CoV-2-Verbreitung: ct.de/ym6j

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