c't 16/2022
S. 12
Aktuell
Diskussion um smarte Thermostate

Smart heizen gegen Putin

Schlaue Heizkörperthermostate sollen Gasverbrauch senken

Unüberlegtes Heizen kostet viel Energie. EU-Kommission und US-Regierung wollen deshalb digitale Thermostate fördern – und die Deutsche Energie-Agentur Dena verlangt sogar eine Einbaupflicht. Doch viele Fragen bleiben offen.

Von Sven Hansen und Andrijan Möcker

Es ist kein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in Sicht und Putin kurbelt weiter nach Belieben an den Ventilen der Pipelines Richtung Europa. Angesichts des nahenden Herbstes wollen die Deutsche Energie-Agentur (Dena) sowie die US-Regierung und die EU-Kommission die Verbreitung smarter (internetgebundener) oder digitaler Heizkörperthermostate fördern. Mit den Geräten sollen Haushalte automatisch bedarfsgerechter heizen und so den Gasverbrauch reduzieren – und damit die Abhängigkeit von Russland.

Aktuell sind in vielen Haushalten rein mechanische Thermostate im Einsatz. Das Prinzip: Eine Masse im Inneren dehnt sich bei Erreichen der Zieltemperatur langsam aus und drückt den Ventilstift hinein – die Warmwasserzufuhr wird gestoppt. Ob Bedarf besteht, spielt dabei jedoch keine Rolle; in der Konsequenz wird weiter geheizt, wenn man vergisst, das Thermostat herunterzuregeln.

Digitale Thermostate, also solche mit elektrischem Stellmotor und einem Mikrocontroller, können immerhin zeitgeführt steuern, sodass etwa zur Arbeitszeit automatisch abgesenkt wird. Sie laufen in der Regel mit zwei Rundbatterien (AA) und sind ab etwa 20 Euro erhältlich.

Umgangssprachlich als „smart“ bezeichnete Geräte funktionieren ähnlich, besitzen aber zusätzlich eine Funkschnittstelle, über die sie entweder direkt oder mittels Umsetzer (Bridge) mit dem Internet verbunden sind. Das erlaubt schicke Apps, mit denen das Einstellen von Zeitplänen wesentlich mehr Spaß macht als am Bedienfeld der Heizungstherme oder des digitalen Thermostats. Außerdem kann man die Heizung abhängig von der Position des Smartphones steuern. So sinkt die Temperatur automatisch, wenn man die Wohnung verlässt und steigt bei der Rückkehr wieder.

Andreas Kuhlmann, Chef der staatlichen Energie-Agentur Dena, schlägt vor, Hauseigentümer zum Einbau digitaler Heizkörperthermostate zu verpflichten. Ein Förderprogramm soll das Vorhaben begleiten., Bild: Dena
Andreas Kuhlmann, Chef der staatlichen Energie-Agentur Dena, schlägt vor, Hauseigentümer zum Einbau digitaler Heizkörperthermostate zu verpflichten. Ein Förderprogramm soll das Vorhaben begleiten.
Bild: Dena

Schwammiger Vorstoß

Einen Vorstoß machten am 27. Juni EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden in einer gemeinsamen Stellungnahme am Rande des G7-Gipfels. Im Rahmen der Ende März gegründeten Arbeitsgruppe für europäische Energiesicherheit möchten die beiden die EU-Länder sowie europäische und US-amerikanische Firmen „dazu ermutigen“, bis zum Winter 1,5 Millionen smarte Thermostate in europäischen Haushalten zu installieren.

Wie das konkret ablaufen soll, lässt die Stellungnahme, die die Europäische Kommission und das Weiße Haus auf ihren Websites veröffentlichten, offen. Auf Basis der Empfehlungen der Arbeitsgruppe wollen sich Biden und von der Leyen in den nächsten Tagen mit nationalen Regierungs- und Interessenvertretern treffen. Mit ihnen wollen sie „umsetzbare politische Empfehlungen” zur Beschleunigung der Thermostat-Installation sowie der Einführung und Produktion von Wärmepumpen erörtern. Es gelte zu gewährleisten, dass das Angebot an wichtigen Energieeffizienzlösungen die wachsende Nachfrage decken könne. Trotz Beteiligung des US-Präsidenten geht es dabei wohlgemerkt nur um europäische Haushalte.

Pflichtversmartung

Die Deutsche Energie-Agentur (Dena), ein bundeseigenes Dienstleistungsunternehmen für die Energiewende, möchte noch einen Schritt weiter gehen: Sie schlug – noch vor dem Vorstoß von EU-Kommission und US-Regierung – vor, Hauseigentümer gesetzlich zum Einbau digitaler Heizkörperthermostate zu verpflichten.

Dena-Chef Andreas Kuhlmann sagte laut Pressemitteilung vom 17. Juni: „Der Schlüssel für erhebliche Einsparungen bei der Heizenergie heißt Transparenz. Die Technologien sind vorhanden: Digitale Thermostate und Messsysteme müssen in einer konzertierten Aktion massiv in den Einsatz gebracht werden. Und zwar jetzt, damit in der nächsten Heizperiode ausreichend viele Haushalte versorgt sind.“ Das Einsparpotenzial liege bei über zehn Prozent.

Um Anreize zu schaffen, schlägt die Dena ein Förderprogramm vor, das bis Ende 2022 die Hälfte der Anschaffungskosten deckt, 2023 dann nur noch ein Viertel. Ab dem dritten Jahr soll es dann eine über drei Jahre ansteigende Strafzahlung geben für alle, die der neuen Verpflichtung nicht nachkommen. Die Kosten sollen die Eigentümer tragen und nicht auf Mieter und Nutzer abwälzen.

Eine gesetzlich verankerte Absenkung der Temperatur in Mietwohnungen sieht die Dena kritisch, denn es gebe jetzt schon Auseinandersetzungen zwischen Mietern und Vermietern um die Einhaltung der Heizungstemperatur. Der Vorschlag sei „verbraucherfeindlich“ und würde zudem die Akzeptanz für die Energiewende mindern.

Geofences erlauben, die Heizung positionsgeführt hochzufahren und abzusenken. Das kann viel Energie sparen, setzt aber Thermostate mit Internetanbindung voraus. Wie das in Kombination mit GPS-Trackern klappt, haben wir in c’t 11/2022 für Smart-Home-Bastler beschrieben [1].
Geofences erlauben, die Heizung positionsgeführt hochzufahren und abzusenken. Das kann viel Energie sparen, setzt aber Thermostate mit Internetanbindung voraus. Wie das in Kombination mit GPS-Trackern klappt, haben wir in c’t 11/2022 für Smart-Home-Bastler beschrieben [1].

Viele Unbekannte

Sowohl der Vorschlag von EU-Kommission und US-Regierung als auch die Forderung der Dena lassen viele Fragen offen: Welcher Funktionsumfang vorgesehen ist, also ob nur digital oder auch mit Internetanbindung; woher die innerhalb weniger Monate benötigte große Anzahl an Geräten kommen soll; wie wenig elektronikaffinen Menschen geholfen werden soll, die Einbaupflicht umzusetzen und wie man verhindert, dass die Hersteller sich an den Fördergeldern bereichern. (amo@ct.de)

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