c't 17/2022
S. 36
Aktuell
Medizin-IT

Teure Katastrophe

Krankenkassen zahlen 400 Millionen Euro für Konnektortausch und Updates

Das Bundesschiedsamt hat gesprochen: Nun sollen die Versicherten der Krankenkassen die Kosten für den geplanten Tausch der Konnektoren übernehmen, die Arztpraxen mit der Telematikinfrastruktur verbinden. c’t hatte zuvor die technische Notwendigkeit des Hardwaretauschs infrage gestellt.

Von Hartmut Gieselmann

Ärzte bleiben nun doch nicht auf den immensen Kosten des anstehenden Tauschs von bundesweit rund 130.000 Konnektoren sitzen. Das Bundesschiedsamt hat ihnen eine Kostenerstattung von insgesamt fast 400 Millionen Euro zugesprochen. Die Summe setzt sich zusammen aus den Kosten für den Hardwaretausch der Konnektoren, neuen Sicherheitskarten für Terminals und zusätzlichen Software-Updates für die elektronische Patientenakte (ePA 2.0). Das Geld sollen die gesetzlichen und privaten Krankenkassen bezahlen – belastet werden also die Versicherten und Patienten.

Bei den Konnektoren handelt es sich um speziell abgesicherte Router, mit denen Praxen Gesundheitsdaten über die Telematikinfrastruktur (TI) austauschen. In den Konnektoren sind Sicherheitszertifikate gespeichert, die nach fünf Jahren ablaufen.

Nach Ansicht der für die TI zuständigen Gematik und des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) ist ein Tausch der kompletten Hardware nötig. c’t hatte jedoch einen Konnektor aufgeschraubt und festgestellt, dass die Zertifikate entgegen erster Darstellungen nicht fest eingebaut sind, sondern auf sogenannten gSMC-K-Karten sitzen [1].

Laut Handelsblatt stammen 63.000 der Konnektoren vom Hersteller CGM, der Austauschgeräte zum Preis von 2330 Euro netto anbietet. Die andere Hälfte teilt sich auf Modelle der Hersteller RISE und Secunet auf, die noch keine Preise genannt haben. In diesem Jahr sollen insgesamt 15.000 Geräte getauscht werden, 2023 folgen 58.000 Konnektoren, 2024 dann weitere 55.000 Geräte.

Fehlende Begründungen

Die Hersteller machen unterschiedliche Angaben zu der Frage, ob ein Austausch ihrer Konnektoren nötig ist oder ein deutlich günstigerer Tausch der gSMC-K-Karten beziehungsweise ein Software-Update genügt. CGM gab gegenüber dem Handelsblatt an, ein Pairing mit neuen gSMC-K-Karten sei „nicht zulässig“ – was impliziert, dass es technisch durchaus möglich wäre. Der Hersteller Secunet teilte dem Handelsblatt mit, dass sein Konnektor nach einem Kartentausch direkt nach der Kartenprüfung wieder herunterfahre.

Hingegen hatte RISE gegenüber c’t erklärt, dass man eine Verlängerung der Zertifikate per Software durchaus unterstützen würde. Eine solche Software-Verlängerung wäre auch laut Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) möglich. Die Gematik lehnt diese Methode allerdings ab und besteht auf den Austausch der Konnektoren aller drei Hersteller. Sie spricht allgemein von „technischen Gründen“. Konkrete Nachfragen von c’t, welche Gründe und Sicherheitsvorgaben dies seien, wurden jedoch nicht beantwortet.

Kosten ohne Nutzen

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) reagierte enttäuscht auf die Entscheidung des Schiedsamts. Die Erstattungen für die Ärzte seien bei Weitem nicht kostendeckend, wie KBV-Vorstandsmitglied Thomas Kriedel sagte. „Nun sollen die Praxen und die gesetzlich Krankenversicherten mit ihren Mitgliedsbeiträgen für Fehler der Gematik und der Industrie haften.“ Im Schnitt habe jede Praxis schon bis heute über die Erstattungen hinaus 9000 Euro zum Anschluss an die TI gezahlt.

Die KBV hatte dem Konnektortausch im Februar ebenfalls zugestimmt. „Basis des Beschlusses war die Aussage der Gematik, dass es nach Rücksprache mit den Herstellern und dem BSI keine Möglichkeit gäbe, ein Zertifikat neu in den Konnektor einzubauen“, erklärte die KBV. Nach den Untersuchungergebnissen von c’t will die KBV dies nun erneut prüfen lassen: In einem Schreiben an Gematik-Chef Markus Leyck Dieken forderte Kriedel „eine schnellstmögliche klarstellende Bewertung“.

Ärzte und Patienten hätten laut Kriedel bislang kaum einen Nutzen von der TI: Nur 0,6 Prozent der Versicherten hätten eine elektronische Patientenakte. Lediglich 13 Prozent der Praxen könnten eine AU-Bescheinigung komplett digital übermitteln. Die Hälfte der bislang erfolgreich getesteten E-Rezepte stamme aus lediglich zwei Praxen. Deshalb warnte Kriedel vor dem geplanten bundesweiten Start des E-Rezepts im Spätsommer. Die Erfahrungen mit der TI fasste er zusammen: „Es ist eine Katastrophe.“

Ein Ende der Misere ist bislang nicht in Sicht. Eigentlich sollte der Nachfolger „TI 2.0“ bereits 2025 starten. Laut Handelsblatt rechnen Insider nun erst 2027 mit einem Start der TI 2.0, die eine TI-Verbindung mittels Software ohne Hardware-Konnektoren ermöglichen soll. Wenn sich der Termin weiter verschiebt, droht ein weiterer teurer Konnektortausch. (hag@ct.de)

KBV-Vorstand Thomas Kriedel drängt auf eine „schnellstmögliche klarstellende Bewertung“ der Gematik zum teuren Konnektortausch., Bild: Lopata/axentis.de
KBV-Vorstand Thomas Kriedel drängt auf eine „schnellstmögliche klarstellende Bewertung“ der Gematik zum teuren Konnektortausch.
Bild: Lopata/axentis.de

Kommentieren