c't 22/2022
S. 120
Wissen
Industrial Metaverse
Bild: Teamviewer

Die virtuelle Industrie

Fertigung und Wartung im Industrial Metaverse

Was früher Augmented oder Virtual Reality hieß, soll in der Industrie als Metaverse neue Interessenten anlocken. Unternehmen wie BMW, die Deutsche Bahn und TeamViewer suchen und finden Anwendungen, um die Fertigung oder Wartung mit 3D-Umgebungen und Datenbrillen virtuell zu unterstützen.

Von André Kramer

Der Mensch ist nicht dafür gemacht, eine Computermaus zu schubsen oder auf Touchscreens zu tippen. Er sieht dreidimensional, und langfristig soll sich auch der Umgang mit virtuellen Maschinen ganz natürlich anfühlen, als bewege man sich in der wirklichen Welt. So haben Facharbeiter außerdem die Hände frei – die brauchen sie schließlich, um die Maschinen zu bedienen.

Die Idee des Metaverse beflügelt nicht nur die Fantasie von Literaten und Filmemachern, auch die Industrie sucht nach Anwendungen in der virtuellen Welt. Das Metaverse, so die Theorie, ist die logische Konsequenz aus der Art, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen und mit ihr interagieren. Jetzt muss es nur noch Wirklichkeit werden. Besonders Branchen, die ohnehin mit 3D-Modellen wie CAD-Daten agieren, zeigen Interesse, beispielsweise Architekten und Hersteller von Autos und Maschinen.

Das „Industrial Metaverse“ fasst Anwendungen zusammen, die Produktionsmaschinen und Anlagendaten aus der Ferne warten: Mitarbeiter greifen aus dem Büro oder von zu Hause über eine Datenbrille mithilfe von sogenannten digitalen Zwillingen in den Produktionsprozess ein. Der digitale Zwilling ist ein Stück Software, das sich genauso verhält wie sein reales Original. Der Begriff bezieht sich dabei nicht nur auf Personen und ihre Avatare, sondern auch auf Maschinenteile oder nichtphysische Dinge wie Dienste oder Prozesse. Sensornetzwerke und Simulationsmodelle geben im Bau- oder Fabrikbetrieb die Realität möglichst genau wieder, um beispielsweise Materialeigenschaften in der Fertigung zu simulieren.

CAD-Daten holografisch

Designer entwerfen ihre Produkte in CAD-Anwendungen und schaffen damit die Grundlage für die digitalen Zwillinge. Schon in der Entwurfsphase sollen Mitarbeiter an 3D-Modellen virtuell zusammenarbeiten. Ein VR-Headset macht ein Gebäude oder ein Auto kostengünstig erlebbar, ohne dass es physisch in der Nähe oder überhaupt schon gebaut sein muss. Es soll eine bessere Informationsgrundlage für Produktentscheidungen und Innovationen bieten als E-Mails und Videomeetings. Mit VR-Headsets wie der Oculus Quest 2 oder Datenbrillen wie der Microsoft HoloLens können Entwickler Prototypen begutachten oder Servicemitarbeiter ausgebildet werden, ohne dabei wichtige Ressourcen zu binden. Auch im weiteren Lebenszyklus des Produkts sollen virtuelle und reale Welt ineinandergreifen.

Ein Beispiel, dass dies schon passiert, liefert das schwäbische Unternehmen TeamViewer. Es entwickelt seit 2005 Fernwartungssoftware und dehnt sein Angebot mittlerweile auf das Industrial Metaverse aus. Die Augmented-Reality-Plattform „TeamViewer Frontline“ enthält vier Komponenten, aus denen sich verschiedene AR-Szenarien bauen lassen: „xAssist“ für Remote-Support, „xInspect“ für angeleitete Fehlersuche und -diagnose, „xPick“ für Kommissionierung und Logistik und „xMake“ für Montageanleitung und Qualitätssicherung.

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