c't Jahresrückblick 2022
S. 18
Vorsicht, Kunde
Verbraucherrechte
Vorsicht Kunde

Gute Ausreden

Womit Kunden immer wieder Ärger haben

Die Geschichten der c’t-Rubrik „Vorsicht, Kunde“ schreibt das Leben. Manche Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch unser Magazin, werden aber jedes Mal um eine neue Facette bereichert. Andere wiederum sind komplett neu, beispielsweise weil neue Regularien die Position der Verbraucher stärken sollen. In der Praxis kommt das oft nicht oder nur mit Verspätung an. Trotzdem konnten wir im Lauf der Jahre vielen Lesern zu ihrem Recht verhelfen.

Von Tim Gerber

Für viele Nutzer ist es ein Supergau, wenn ihr Internetanschluss nicht mehr funktioniert. So geschehen beim Provider-Wechsel im Fall von Jürgen W. Ein Anbieterwechsel zur Deutschen Glasfaser führte dazu, dass sein Internetanschluss kurz vor Weihnachten plötzlich tot war. In der Nacht hatte der bisherige Provider die Verbindung abgeschaltet. Sein neuer, die Deutsche Glasfaser (DG), hatte ihn offenbar nicht wieder aktiviert. Am späten Nachmittag des 20. Dezember erhielt Jürgen W. zwar eine Willkommensmail der Deutschen Glasfaser, aber der Anschluss funktionierte immer noch nicht.

Am folgenden Morgen rief Jürgen W. bereits ein zweites Mal bei der DG an, aber auch da konnte man ihm nichts Neues sagen. Wenige Minuten nach seinem Anruf erhielt er aber immerhin eine Bestätigung, dass seine Störungsmeldung aufgenommen wurde, auch wenn der Text nichts Konkretes enthielt: „Unser Techniker-Team arbeitet bereits intensiv und mit höchster Priorität an der Störungsbehebung“, hieß es in der Mail. „Wir können Ihnen aktuell leider noch kein Enddatum nennen. Sobald wir über ausreichende Informationen verfügen, nennen wir Ihnen gern umgehend ein Enddatum. Wir halten Sie auf dem Laufenden“, versprach die DG.

Trotz täglicher Anrufe und E-Mails des Kunden tat sich bis zu den Feiertagen nichts. Bei seinen täglichen Anrufen hörte Jürgen W. sogar immer wieder, dass sein Anschluss in Ordnung sei, nur die Verbindung zwischen Netzabschlussgerät (NT) und seinem Router funktioniere wohl nicht.

Anfang des folgenden Jahres stand Jürgen W. noch immer ohne Internet da. Wir kontaktierten Anfang Januar die Pressestelle der DG und baten um Auskunft zu dem Vorgang. Nun erschien bald ein Techniker vor Ort, der innerhalb weniger Minuten feststellte, dass er den Verteilerkasten einige hundert Meter vom Haus der W.s entfernt aufsuchen müsse. Es stellte sich heraus, dass in der Verteilung der Steckplatz für den Anschluss von Jürgen W. ausgefallen war. Der Techniker musste nur das Modul tauschen. Der Provider hätte die Störung also ohne Weiteres auch gleich am 20. Dezember beheben können, statt den Kunden über Weihnachten und Neujahr ohne Internet und Festnetztelefon zu lassen.

Wirksames Gesetz

Da die Politik inzwischen erkannt hatte, wie sehr ein solcher Ausfall den Alltag auch in privaten Haushalten beeinträchtigt, hatte sie zu Anfang Dezember 2021 das Telekommunikationsgesetz angepasst (§ 58 TKG, siehe ct.de/y4pk). Neu ist unter anderem, dass Kunden bei Störungen pauschal einen Schadensersatz von mindestens 5 Euro pro Tag geltend machen können. Das gilt allerdings erst ab dem dritten Tag der Störung. Ab dem fünften Tag gibt es dann aber auch schon mindestens 10 Euro. Bei Anschlüssen, die im Monat mehr als 100 Euro kosten, kann es auch mehr sein, nämlich 5 Prozent davon ab dem dritten und 10 Prozent ab dem fünften Tag. Die für die Zeit der Störung wegfallenden Entgelte können die Provider allerdings gegenrechnen.

Gerade in den ersten Monaten nach Vertragsbeginn gelten für Neukunden oft aber erst mal Sonderrabatte oder Nulltarife. Geht es dann mit dem Wechsel schief wie bei Jürgen W., hatte der Kunde bisher das Nachsehen und der Provider im Grunde keine Kosten, also auch keine Motivation, die Störung rasch zu beseitigen. Dem trägt das neue Gesetz durch Mindestbeträge Rechnung, die dem Kunden selbst dann zustehen, wenn er aktuell gar keine monatlichen Kosten für den Anschluss hat. Einen konkreten Schaden durch den Ausfall müssen die Kunden nicht mehr nachweisen.

Voraussetzung ist lediglich, dass man die Störung dem Provider nachweislich gemeldet hat. Damit die Provider den drohenden Schadensersatz nicht vereiteln, hat ihnen der Gesetzgeber die Pflicht auferlegt, solche Meldungen unverzüglich für den Kunden nachweisbar zu dokumentieren. Wird die Störung nicht binnen zweier Tage behoben, muss eine Mitteilung über die geplanten Maßnahmen und das voraussichtliche Ende an den Kunden folgen.

Betroffene sollten vor allem auf eine sofortige saubere Dokumentation ihrer Störungsmeldung achten und im Zweifel sofort die Bundesnetzagentur als zuständige Aufsichtsbehörde informieren, wenn ihr Provider dieser Pflicht nicht wie im Gesetz gefordert unverzüglich nachkommt. Nicht zuletzt dank unserer Berichte scheint das Gesetz rasch Wirkung entfaltet zu haben. Jedenfalls sind uns in der Folge keine weiteren solchen Fälle geschildert worden.

Auf den Fotos von Kunden und Händler sind zwar eindeutige Bildausfälle zu erkennen. Die behaupteten Spuren äußerer Einwirkung zeigen sie aber nicht. Trotzdem machte der Händler solche geltend und verweigerte die Garantie., Bilder: Tilo M. und Galaxus
Auf den Fotos von Kunden und Händler sind zwar eindeutige Bildausfälle zu erkennen. Die behaupteten Spuren äußerer Einwirkung zeigen sie aber nicht. Trotzdem machte der Händler solche geltend und verweigerte die Garantie.
Bilder: Tilo M. und Galaxus

Garantie

Ein Dauerbrenner sind hingegen scheiternde oder schlecht ausgeführte Garantiereparaturen. Für Verkäufer und Hersteller sind sie immer ein Ärgernis. Ganz gleich, auf welcher Rechtsgrundlage sie beruhen – dem gesetzlichen Gewährleistungsrecht gegenüber dem Verkäufer oder einer eingeräumten Garantie, meist durch den Hersteller –, für alles muss der Handel Vertragswerkstätten vorhalten, die eingesandte Geräte untersuchen und meist gegen Fallpauschalen reparieren.

Die Pauschalen sind oft höher als die Gewinnmargen. Folglich versuchen häufig auch namhafte Produzenten und Handelsketten, die Kunden möglichst davon abzuhalten, ihre Rechte geltend zu machen. Deshalb spiegelt die Häufigkeit, mit der ein bestimmter Händler oder Hersteller Anlass zu Beschwerden an die c’t-Redaktion gibt, eher seine Marktanteile als seine Servicequalität wider.

Unser Leser Tilo M. hatte beim Onlinehändler Galaxus einen 4K-Monitor mit 27 Zoll Bilddiagonale vom Typ Dell S2721QS erworben. Der knapp 280 Euro teure Monitor zeigte bereits nach ein paar Wochen einen deutlichen Bildausfall in der linken oberen Ecke. Nachdem Tilo M. das Gerät zurück an den Händler gesandt hatte, ließ der sich über einen Monat Zeit und teilte anschließend dem verblüfften Kunden mit, dass er den Monitor nicht kostenlos innerhalb der Garantie reparieren könne, da es sich um einen mechanischen Schaden handle, welcher nicht unter die Garantie falle. Die Servicestelle habe die Garantie abgelehnt. Ausschlussgründe im Rahmen einer Garantie seien unter anderem Abnutzung, Schäden durch Fehlmanipulationen, Eingriffe sowie äußere Umstände wie Elementar-, Feuchtigkeits-, Sturz- und Schlagschäden.

Auch wir hielten die dem Kunden erteilte Auskunft nicht für nachvollziehbar, insbesondere angesichts der zahlreichen Bilder, die Tilo M. uns zu der Bildstörung übermittelt hatte und auf denen keinerlei äußere Beschädigung erkennbar war.

Ansprüche gegen den Verkäufer aus der gesetzlichen Gewährleistung beziehen sich auf Mängel, die schon beim Kauf vorhanden waren. Folglich sind Beschädigungen durch unsachgemäße Behandlung durch den Kunden ausgeschlossen. Aber dafür gab es hier keine Anzeichen. Der Bildausfall konnte ebenso gut auf einem bereits vorhandenen Bruch an einer Leiterbahn beruhen, der sich eben erst nach einigen Wochen bemerkbar macht. Bis zu einem Jahr nach dem Kauf muss im Zweifel der Verkäufer beweisen, dass der Ausfall nicht auf einem solchen versteckten Sachmangel beruht, welcher bei Übergabe der Ware bereits vorhanden war. Tilo M. musste allerdings einen Anwalt bemühen, um seine Rechte durchzusetzen.

Warten auf Godot

Immer wieder sind Kunden mit dem Phänomen konfrontiert, dass bestellte und bezahlte Ware partout nicht geliefert wird – besonders beliebt nach den alljährlich wiederkehrenden Rabattaktionen wie „Cyberweek“ oder „Black Friday“. An einem solchen hatte Mathias K. 2019 im Onlineshop von Samsung spontan ein Smartphone Galaxy Note 20 Ultra 5G mit 256 GByte Speicher bestellt. Der Aktionspreis von 665 Euro versprach ein echtes Schnäppchen. Als Liefertermin war der 3. Dezember angegeben. Doch die Sache zog sich bis ins Frühjahr und erst nach Anfragen der c’t-Redaktion lieferte Samsung dann Ende April ein adäquates Nachfolgemodell.

Wie viele andere Firmen bietet auch Samsung dieses Jahr in der Vorweihnachtszeit zahlreiche Rabattaktionen an. Ob es dann auch mit der Lieferung des Schnäppchens klappt, ist nicht immer so ganz sicher.
Wie viele andere Firmen bietet auch Samsung dieses Jahr in der Vorweihnachtszeit zahlreiche Rabattaktionen an. Ob es dann auch mit der Lieferung des Schnäppchens klappt, ist nicht immer so ganz sicher.

Dabei sind zugesagte Liefertermine im Onlinehandel verbindlich. Das gilt auch bei Rabattaktionen. Kommt der Händler in Verzug, kann sich der Kunde nach erfolgloser Mahnung das Gerät woanders beschaffen und sich den Mehrpreis vom Verkäufer ersetzen lassen. Allerdings ist es für Kunden schwer, solche Ansprüche auch durchzusetzen. Bevor man tatsächlich eine Ersatzbeschaffung vornimmt, sollte man sich also unbedingt von einer Verbraucherzentrale oder einem Anwalt beraten lassen, um keine formalen Fehler zu begehen. (tig@ct.de)

§ 58 TKG: ct.de/yz63

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