c't 4/2022
S. 158
Praxis
Linux & Optimaler PC 2022

Pinguin am Steuer

Linux auf dem optimalen PC 2022

Wir haben getestet, wie sich der optimale PC mit Linux verträgt. Im Betrieb zeigten sich ein paar Stolpersteine. Die meisten lassen sich aber mit ein paar Handgriffen beheben.

Von Niklas Dierking

Wir hatten den jüngst von c’t vorgestellten Bauvorschlag [1] für einen leisen Allround-PC eine Weile mit den Linux-Distributionen Ubuntu Desktop 21.10 und Fedora Workstation 35 im Betrieb. In der Praxis zeigte sich, dass Linux-Nutzer Freude mit dem Rechner haben können, auch wenn nicht alles perfekt läuft. Die Basisvariante mit Ryzen 5 5600G-Prozessor beschert Linuxern keinen nennenswerten Mehraufwand bei der Installation und Konfiguration des Systems. Wer die Gaming-Variante mit dem Sechskerner Ryzen 5 5600X und dedizierter Nvidia-Grafikkarte vorzieht, muss etwas Hand anlegen, um deren Potenzial voll auszuschöpfen.

Sowohl mit Ubuntu 21.10 als auch Fedora Workstation 35 erreichten wir das gleiche Niveau bei Datendurchsatzmessungen mit flotten USB-SSDs wie unter Windows. Beide Distributionen wechseln problemlos in den Bereitschaftsmodus (Suspend-to-RAM/ACPI S3) und lassen sich durch das Senden eines „Magic Packets“ via Wake-on-LAN (WoL) aufwecken, sofern die Option im UEFI-BIOS aktiviert ist. Anders als beim letztjährigen Bauvorschlag lässt sich der Realtek-Netzwerkadapter ohne manuelle Anpassungen nutzen [2] und schöpft die maximale Bandbreite des 2,5-Gbit-Ports aus. Auch beim WLAN-Test standen die Übertragungsraten dem Windows-Betrieb in nichts nach.

Bei näherem Hinsehen fallen bei beiden Varianten kleinere Ärgernisse auf. Beispielsweise erreicht die verbaute Samsung-NVMe-SSD mit Btrfs während des Lesevorgangs nicht den versprochenen Datendurchsatz. Schließt man am Kopfhörerausgang an der Gehäusefront ein Headset an, so kann man den Ton nicht auf die rückseitigen Anschlüsse umleiten.

Beim Kompilieren des Linux-Kernels ist der Ryzen 5 5600X mit doppeltem L3-Cache und höheren Taktfrequenzen dem Ryzen 5 5600G aus der Basisvariante überlegen. Eine Konfiguration des aktuellen Linux-Kernels 5.15 mit make defconfig übersetzte er in cirka 100 Sekunden, während der 5600G dafür 120 Sekunden brauchte.

Der Ryzen 5 5600G ist im Leerlauf unter Linux stromhungriger als mit Windows. Im Leerlauf genehmigt sich das gesamte System 17 Watt, verglichen mit 14 Watt unter Windows. Bei CPU-Last nehmen Windows und Linux einander mit cirka 90 Watt nichts.

Fühler ausgestreckt

Ubuntu und Fedora zeigen standardmäßig mit dem Befehl sensors die Temperaturen des Ryzen-5-5600X-Prozessors und der NVMe-SSD an, wenn man das Paket lm-sensors (lm_sensors in den Fedora-Paketquellen) installiert und mit dem Skript sensors-detect verfügbare Sensoren ermittelt. In Ubuntu 21.10 haben wir jedoch die CPU-Temperaturanzeige vermisst, wenn der Ryzen 5 5600G der Basisvariante verbaut ist. Die Version des zuständigen Kernel-Treibers k10temp, die im Linux-Kernel 5.13 steckt, unterstützt die Temperaturfühler der Zen-3-Prozessoren mit integrierter Grafikeinheit noch nicht. Die Funktion wurde mit dem bei Redaktionsschluss aktuellen Kernel 5.15 nachgeliefert, auf dem Fedora 35 aufbaut. Dort wird die Temperatur zuverlässig angezeigt.

Auf dem Mainboard Asus TUF Gaming B550-Plus (Wi-Fi) ist zudem ein Sensor-Chip verbaut, der Daten zur CPU-Spannung und Lüfterdrehzahl erfasst. Wenn Sie folgenden Kernel-Boot-Parameter setzen und nach dem Systemstart das Kernel-Modul nct6775 laden, zeigt Ihnen sensors auch diese Informationen an:

acpi_enforce_resources_lax

Der Kernel-Parameter kann sich potenziell negativ auf die Systemstabilität auswirken, deswegen raten wir eher davon ab. Der Rechner lässt sich auch problemlos ohne die zusätzlichen Sensorausgaben betreiben. Ein Patch, der im kommenden Linux-Kernel 5.16 enthalten ist (siehe ct.de/yrde), dürfte diesen Workaround ohnehin überflüssig machen. Der neue Kernel und damit auch der Patch wird seinen Weg zuerst in Rolling-Release-Distributionen wie Arch und openSUSE-Tumbleweed finden, etwas später dann auch in Fedora.

Über die Grafikkarte Nvidia RTX 3060 Ti, die in der Gaming-Variante steckt, zeigt sensors keine Informationen an, obwohl Daten zu Lüfterdrehzahl, Leistungsaufnahme und Temperatur von der Karte prinzipiell bereitgestellt werden. Wenn Sie auf die Daten angewiesen sind, hilft das Kommandozeilentool nvidia-smi (Nvidia System Management Interface) oder das Nvidia-Control-Center, das aber nur in einer X11-Session funktioniert. Dazu später mehr.

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