c't 5/2022
S. 40
Aktuell
Prozessoren

Bit-Rauschen

Fette Chip-Umsätze, neue Halbleiter-Fabs und Befürchtungen

Intel prügelt den Core i-12000H am Apple M1 vorbei. AMD verdient viel Geld und freut sich auf noch mehr. Der Ausbau der Chipfertigung stößt auf Hindernisse und könnte in die falsche Richtung gehen.

Von Christof Windeck

Wenn Gewalt nicht hilft, hilft mehr Gewalt: Frei nach diesem Motto überholt Intels Mobilprozessor Core i9-12900HK den Apple M1 Max, siehe Seite 96. Allerdings steckte die Intel-CPU in einem 3 Kilogramm fetten Gaming-Notebook, dessen Lüfter in der Spitze 280 Watt durch die Kühlgitter hinausbrüllen. Zwar hat daran der 180-Watt-Grafikchip großen Anteil. Doch obwohl der Core i9-12900HK schneller ist als Apples M1 Max, ist er kein Konkurrent. Denn der Witz am M1 Max ist gerade, dass er eine einzigartige Kombination aus hoher Performance mit leiser Kühlung und langer Akkulaufzeit ermöglicht. Aber immerhin hat Intel mit dem Core i-12000 alias Alder Lake enorm aufgeholt und will 2023 nachlegen.

STMicroelectronics investiert 180 Millionen Euro in das italienische 300-Millimeter-Chipwerk Agrate Brianza R3, von denen die EU 23 Millionen Euro beisteuert.
Bild: STMicroelectronics

Intel versorgte Journalisten rasend schnell mit Testgeräten, auf dass die Benchmark-Ergebnisse rechtzeitig Ende Januar zur Verkündung der Jahresergebnisse für 2021 erscheinen. Denn Intel fuhr zwar einen Rekordumsatz von 79 Milliarden US-Dollar ein, aber die Bruttomarge schrumpfte weiter auf 55,4 Prozent. Das ist dem Preisdruck geschuldet, den AMD mit seinen starken Prozessoren ausübt, sowie den bislang höheren Kosten der 10-Nanometer-Fertigung. Deshalb fiel auch der Nettogewinn im Jahresvergleich um 4,8 Prozent auf 19,9 Milliarden US-Dollar. Und der Ausblick ist schwach, im ersten Quartal sollen Umsatz und Rentabilität weiter absacken. Gleichzeitig steckt Intel Abermilliarden in neue Fertigungsanlagen, beispielsweise 20 Milliarden US-Dollar in Columbus/Ohio.

Solche Nachrichten mögen Aktionäre eher nicht. Als Gegenmittel brauchte Intel-Chef Pat Gelsinger gute Neuigkeiten wie eben die zum Core i9-12900HK. Denn er sieht AMD längst schon „im Rückspiegel“ und will bald „unangefochtene Führung“ erreichen, auch bei Serverprozessoren. In Zukunft will er sogar Apple wieder mit besseren Prozessoren anlocken. Auch wenn Alder Lake kräftig aufspielt, wirken Gelsingers Aussagen prahlerisch; bei der CPU-Effizienz ist jedenfalls noch viel zu tun.

Geldsegen bei AMD

AMD-Chefin Lisa Su hingegen begeistert die Börsianer, ein bisschen auch auf Kosten von PC-Gamern, die völlig überzogene Preise für Grafikkarten berappen müssen. In Business-Gewäsch übersetzt liest sich das folgendermaßen: „GPU ASP increased [...] primarily driven by Radeon product sales“. Also im Klartext: Auch AMD profitiert von der Preistreiberei bei Grafikkarten, die im Wesentlichen wiederum auf die irre Nachfrage wegen der hohen Kurse für Kryptowährungen wie Ethereum zurückgeht. Ach ja, nur so am Rande: Intel will demnächst Chips für Bitcoin-Miner verkaufen.

Aber zurück zu AMD: Der Umsatz stieg 2021 im Vergleich zum Vorjahr um gigantische 68 Prozent auf 16,4 Milliarden US-Dollar. Dass der Nettogewinn „nur“ um 27 Prozent auf 3,2 Milliarden US-Dollar wuchs, lag an einem dicken Steuervorteil, den AMD aber nur 2020 einheimste. Die Bruttomarge von AMD lag 2021 bei 50 Prozent. Wichtiger noch für den Börsenkurs: Lisa Su sieht höchst optimistisch auf das Jahr 2022 und verspricht 31 Prozent Umsatzwachstum sowie 51 Prozent Bruttomarge. So gut diese Nachrichten auch klingen mögen: Der Börsenwert von AMD wirkt enorm hoch. Er liegt bei 70 Prozent des Intel-Werts – obwohl AMD sogar weniger umsetzt, als Intel netto verdient.

Bald können die Kassen bei AMD und Nvidia etwas leiser klingeln. Die Zeit extremer Grafikkartenpreise könnte allmählich vorbeigehen, der Bitcoin fällt und zieht andere Kryptowährungen mit. Bei Ethereum steht der Umstieg auf ein anderes Mining-Verfahren an, bei dem Grafikkarten keine so große Rolle mehr spielen. Auch der PC-Markt wächst gemächlicher, siehe Seite 41.

Chipkrise umgekehrt?

Die ersten Halbleiter-Auguren sehen dunkle Wolken am Horizont aufziehen, nämlich Überkapazitäten in der Chipfertigung. Zwar soll die Knappheit noch 2022 anhalten, aber zum Jahresende könnte sich das Blatt wenden. Der Mangel trifft nämlich nicht alle Chiptypen gleichermaßen und es ist eine Schieflage zu erkennen: Während vor allem Chips mit gröberen Strukturen als 40 Nanometer knapp sind, die bisher vor allem auf 200-Millimeter-Wafern entstehen, fließen die größten Investitionen in Fertigungswerke für 300-mm-Scheiben und Strukturen unter 5 Nanometer.

Immer mehr Chiphersteller fertigen mittlerweile aber auch gröbere Strukturen auf großen Wafern, etwa TI in Texas, Bosch in Dresden und demnächst auch STMicroelectronics in Agrate Brianza bei Monza. Dort holt man sich als Partner den israelischen Auftragsfertiger Tower Semi ins Boot beziehungsweise ins Gebäude, um die Anlagen besser auszulasten. Unabhängig davon baut STMicro Fertigungsanlagen für Siliziumkarbid-(SiC-)Leistungstransistoren, etwa für E-Autos, E-Bikes, effiziente Netzteile und Solarwechselrichter. (ciw@ct.de)

Audio-Podcast Bit-Rauschen: ct.de/ybja

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