c't 6/2022
S. 66
Titel
Digitalisierung der Verwaltung: Lösungsansätze
Bild: Thomas Kuhlenbeck

Fitnessprogramm

Wie die Politik den Digitalisierungsstau in der Verwaltung auflösen will

Verteilte Zuständigkeiten, strenge Vergaberichtlinien – die größten Hürden für die Digitalisierung hat die Politik erkannt und Lösungsansätze dafür gefunden. Wie funktionieren sie und was taugen sie in der Praxis?

Von Tim Gerber

Föderale Strukturen, wie sie das deutsche Grundgesetz quasi in Stein meißelt, sind in vielerlei Hinsicht vorteilhaft. Das Subsidiaritätsprinzip sorgt dafür, dass die Dinge möglichst vor Ort entschieden und geregelt werden, also in den Kommunen. Den Bürgern – zumal auf dem Land, wo etwa 60 Prozent der Bevölkerung lebt – erspart das lange Wege in die Haupt- und Kreisstädte. Aber alle diese Vorteile der gewachsenen föderalen Strukturen und ihrem Dreiklang aus Bund, Ländern und Kommunen haben einen entscheidenden Haken: Sie sind für die analoge Welt gemacht. Bei der Digitalisierung sind die Organisationsstrukturen der öffentlichen Verwaltung in Deutschland regelrechte Bremsklötze, sodass es kaum verwundert, dass das wirtschaftlich stärkste Land der EU im Digitalisierungsranking kontinuierlich Plätze im letzten Drittel belegt.

Während der schriftliche Teil von Gerichtsverfahren beispielsweise in einem Land wie Ungarn schon länger komplett digitalisiert ist, kämpft die Justiz in Deutschland noch immer mit Bergen von Papierakten, Handzetteln und Faxgeräten, wenn es mal schnell gehen soll. Während in Ungarn beispielsweise ein verwaltungsgerichtliches Verfahren in der ersten Instanz im Schnitt drei Monate dauert, dauert es in Deutschland deutlich über ein Jahr, bis zum ersten Mal über die Klage eines Bürgers gegen die Versagung einer Baugenehmigung oder den Entzug einer Fahrerlaubnis entschieden wird. Am größten Verwaltungsgericht, dem in Berlin, lag die durchschnittliche Verfahrensdauer im letzten Jahr bei kaum mehr vertretbaren 17 Monaten.

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