Bit-Rauschen
Ukraine-Schock, deutsche Intel-Fab und Centaur-Ende
Der Krieg in der Ukraine macht auch der Digitalbranche zu schaffen. Intel plant angeblich eine Riesen-Chipfabrik in Magdeburg. Der CPU-Entwickler Centaur wurde abgewickelt.
Der russische Überfall auf die Ukraine sendet auch Schockwellen in die Digitalbranche. Börsenkurse rutschten in den Keller, viele erholten sich aber rasch wieder. So zynisch es klingt: Weder die Ukraine noch Russland oder Belarus sind große Märkte für Halbleiter und IT-Dienstleistungen. Deshalb dürfte auch das US-Embargo, welches viele Chipexporte nach Russland verbietet (siehe Seite 30) – so wie schon lange nach Belarus und auch an zahlreiche chinesische Firmen – keine größeren Auswirkungen auf die betroffenen Firmen haben. Die Semiconductor Industry Association (SIA), der Branchenverband der US-Halbleiterindustrie, begrüßte die Sanktionen und erklärte, dass alle Mitgliedsfirmen sie einhalten wollen. Nvidia meldete unterdessen Probleme durch eine Cyberattacke – die aber wohl nicht von russischen Angreifern im Dienste der Putin-Autokratie ausging, sondern von „gewöhnlichen“ IT-Erpressern.
Während die russische Aggression nur geringe direkte Wirkungen auf die IT-Branche hat, sind die mittelbaren Folgen gewaltig. Unsicherheit ist Gift fürs Geschäft, ganz besonders eine schwer kalkulierbare Energieversorgung. Hohe Gas- und Strompreise schaden den Plänen der EU zur Ansiedelung energieintensiver Chipfertigung. Viele Risiken müssen neu bewertet werden, wenn zuvor undenkbare Kriegshandlungen in Europa drohen.
Der Krieg gegen die Ukraine hat wohl auch die Ankündigung eines der größten Investitionsvorhaben in der Geschichte der Bundesrepublik verzögert: Intel will eine Chipfabrik (Fab) in Magdeburg bauen. Dazu sickerten einige Details vorab durch. Demnach plant Intel unter anderem dank EU-Fördermitteln den Bau von mindestens einer Fab am südwestlichen Rand des Stadtgebiets Magdeburg, im Industriegebiet Eulenberg des Stadtteils Ottersleben, direkt an der Autobahn A14. Auf mehr als 2,5 Quadratkilometern Fläche ist genug Platz für mehrere Fabs, von denen jede rund 10 Milliarden Euro kostet. Bisher sind dort nur Äcker, in der Nähe liegen Logistikzentren unter anderem von Amazon, DHL, Edeka und der Post. Bis zu 20.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze könnten im Lauf der Jahre entstehen; angeblich hofft Intel auf gut ausgebildete Fachkräfte von Hochschulen aus Magdeburg, Halle-Wittenberg, Leipzig oder auch Braunschweig.
Falls Intel tatsächlich in Magdeburg baut, dürfte dort die größte und modernste Fab in der EU entstehen. Allerdings erweitert Intel derzeit auch den schon seit 1989 bestehenden Standort in Irland (Leixlip bei Dublin). Und die Dresdner Fab von GF (ehemals Globalfoundries) erreicht mit rund 80.000 Wafern monatlich ebenfalls einen hohen Ausstoß.
Infineon hatte unterdessen mitgeteilt, trotz aller EU-Fördermittel – und der kürzlichen Erweiterung der Fab in Villach/Kärnten – den Standort Kulim in Malaysia für satte 2 Milliarden Euro deutlich zu erweitern. Dort sollen noch mehr Leistungshalbleiter gefertigt werden, auch welche aus Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN). Verlustarme Halbleiterschalter aus diesen Verbundmaterialien sind für E-Autos, E-Bikes, (USB-C-)Netzgeräte, Solarwechselrichter und für die allgegenwärtigen Akkuladeschaltungen wichtig. Daher investiert auch der schärfste europäische Infineon-Konkurrent STMicroelectronics kräftig in die SiC-Fertigung.
Zentaurentod
Die 1995 von Integrated Device Technology (IDT) in Texas gegründete Firma Centaur Technology ist Geschichte: Intel übernahm Centaur im vergangenen November für angeblich rund 125 Millionen US-Dollar. Centaur-Mastermind Glenn Henry vergoldet nun mit rund 80 Jahren noch seinen Ruhestand als Intel Senior Fellow. Aus dem Abverkauf von Centaur-Restbeständen hat ein Bastler noch einen Prototyp gerettet: den 2019 angekündigten „CHA“ mit KI- und AVX-512-Rechenwerken. Der nie auf den Markt gebrachte Chip ähnelt äußerlich älteren LGA2011-Prozessoren von Intel. Twitter-Nutzer Brutus (@brutuscat2) konnte seinem CHA-Achtkerner mit kümmerlichen 2,2 GHz noch ein paar Benchmarkergebnisse entlocken, die allerdings ernüchternd ausfielen.
Damit enden mehr als 25 Jahre x86-Firmengeschichte: Das Centaur-Team hatte einst die günstigen „IDT WinChip“-Prozessoren entwickelt und nach der Übernahme durch die taiwanische Firma VIA Technologies dann deren vergleichsweise sparsame Prozessoren wie Eden, C3 und C7. Das Centaur-Erbe lebt in den chinesischen „KaiXian“-Prozessoren der Firma Zhaoxin weiter (siehe c’t 20/2021, S. 74), die dank eines Joint-Ventures mit VIA eine x86-Lizenz nutzen kann. Außerdem ist immer noch die taiwanische Firma DM&P Electronics mit ihren Vortex86-Prozessoren im x86-Rennen. Die Vortex86-Kerne gehen auf die 1993 im Silicon Valley gegründete Firma Rise Technology zurück, die seinerzeit mit Kapital taiwanischer Firmen wie Acer, UMC und VIA gegründet und 1999 von SiS gekauft wurde. (ciw@ct.de)
Audio-Podcast Bit-Rauschen: ct.de/yx45