c't 7/2022
S. 44
Aktuell
Roboterhund
Bild: LZPD NRW

„Wir wollen den Roboter nicht bewaffnen“

Interview: Wie die Polizei NRW den Roboterhund Spot einsetzt

Als erste deutsche Behörde nutzt das Duisburger Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste einen Roboterhund. Polizeirat Dominic Reese erklärt im c’t-Interview, bei welchen Aufgaben „Spot“ der Polizei helfen kann – und bei welchen nicht.

Von Christian Wölbert

c’t: Herr Reese, Sie und Ihre Kollegen haben Anfang Januar als erste deutsche Polizeibehörde den Roboterhund Spot angeschafft. Nun lief der erste echte Einsatz des Roboters, und zwar in einem ausgebrannten Wohnhaus in Essen. Was genau haben Sie gemacht?

Dominic Reese: Das Haus ist einsturzgefährdet. Deshalb nutzten wir den Roboter, um den Tatort von innen zu dokumentieren. Spot hat einen Laserscanner und eine 360-Grad-Kamera. Aus den Daten erstellen wir ein 3D-Modell, in dem unsere Ermittler sich virtuell bewegen können. So lässt sich zum Beispiel nachvollziehen, ob Türen offen oder geschlossen waren, oder wo bestimmte Gegenstände lagen. Der Roboter erlaubt es dabei, Tatorte möglichst unverfälscht aufzunehmen.

c’t: Wie gut kam der Roboter an den ersten Tagen in dem Gebäude zurecht?

Polizeirat Dominic Reese untersucht im „Innovation Lab“ des Landesamts für polizeiliche Dienste, welche Technik sich für die Polizei NRW eignet.
Bild: LZPD NRW

Reese: Wir hatten ihn vorher intensiv getestet, auf Kies, Schotter, im Gebüsch. Aber einen Brandort kann man nicht simulieren. Da lässt sich der Untergrund schlecht einschätzen, es liegen geschmolzene Dinge und Schutt herum. Trotzdem lief der Einsatz sehr gut. Einer unserer Experten hat den Roboter aus der Ferne gesteuert. Spot ist zwar einmal gestürzt, weil er sich verhakt hat, aber er konnte sich alleine wieder aufrichten. Allerdings war die Funkreichweite schlechter als erwartet. Wir sind deshalb kurzfristig auf eine andere Funktechnik gewechselt.

c’t: Welche Funkstandards meinen Sie, und wie konnten Sie so schnell wechseln?

Reese: Standardmäßig kommuniziert der Roboter über Wi-Fi, das eignet sich eher fürs Labor. Wir haben deshalb ein Modul für ein Mesh-Netzwerk nach militärischen Standards nachgerüstet. Das haben andere Anwender bereits vor uns gemacht, deshalb konnten wir auf deren Erfahrungen zurückgreifen. Im Roboter steckt ein Server, der mit jeder Netzwerkanbindung arbeiten kann.

c’t: Wie viel Erfahrung braucht man, um Spot aus der Ferne zu steuern?

Reese: Wenn ich Ihnen die Fernbedienung gebe, werden Sie ihn nach fünf Minuten durch ihr Haus steuern können. Der Roboter setzt jeden Fuß mit Bedacht ab, er hat Ultraschallsensoren, die die Belastbarkeit des Bodens erfassen. Er steigt automatisch Treppen hoch und weicht Hindernissen – zum Beispiel Menschen – aus. Aber für einen Einsatz braucht man einiges an Erfahrung, dann kann man auch einzelne Füße und einzelne Motoren ansteuern. Die Eingriffstiefe ist beliebig.

c’t: Für welche weiteren Aufgaben könnte Spot eingesetzt werden?

Reese: Es gibt viele Szenarien, zum Beispiel die Suche nach Gefahrstoffen. Spot könnte dann mit seinem optionalen Greifarm Proben entnehmen und untersuchen. Er könnte auch Bombenentschärfern helfen. Die nutzen momentan Kettenfahrzeuge, die sich nicht so gut bewegen können. Auch bei Spezialeinheiten sind Einsatzmöglichkeiten denkbar, zum Beispiel, wenn man um eine bestimmte Ecke gucken muss. Er könnte einem Geiselnehmer ein Handy bringen – oder eine Pizza. Ob diese Szenarien wirklich sinnvoll sind, muss aber untersucht werden, und das tun wir in unserem Innovationslabor gemeinsam mit den polizeilichen Experten.

c’t: Wie gut kann die Polizei den Roboter für ihre Zwecke anpassen?

Reese: Die Softwareschnittstellen sind offen, da ist also vieles denkbar. Genau wie Leute solch ein Modell gemeinsam mit Mick Jagger haben tanzen lassen, gibt es auch für uns Möglichkeiten. Man braucht bloß das richtige Szenario. Was die Hardware angeht, wollen wir polizeiliche Standardtechnik integrieren, zum Beispiel Massenspektrometer oder Gassensoren. Mit Adaptern aus dem 3D-Druck können wir solche Geräte an Spot anbringen.

c’t: Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, Spot anzuschaffen?

Reese: Wir versuchen kontinuierlich, den Einsatz für die Kolleginnen und Kollegen sicherer zu machen und die Polizeiarbeit vor Ort zu stärken. Da gibt es immer wieder Einsätze, bei denen wir uns denken: Das muss doch anders gehen. Dann denkt man über Lösungen nach, spricht darüber und kommt zu der Entscheidung, etwas Neues auszuprobieren. Und hier bei Spot waren es konkret einige große Schadenslagen in der Vergangenheit.

c’t: Was gab den Ausschlag für dieses Modell?

Reese: Das waren mehrere Faktoren. Spot ist ein ausgereiftes Industrieprodukt, während viele andere Laufroboter noch nicht marktreif sind. Außerdem hat der Hersteller Boston Dynamics ein Wertekonstrukt, das zu uns passt. Das IT-Sicherheits- und Datenschutzkonzept entspricht europäischen Standards. Die Daten bleiben auf unseren Servern und sind nach Industriestandards verschlüsselt.

c’t: Die US-Polizei setzt Roboter zur Videoüberwachung in der Öffentlichkeit ein. Wäre das in Deutschland denkbar?

Reese: Wir wollen keine Roboter einsetzen, um Menschen zu überwachen oder zu kontrollieren. Das hat viel mit unserem bürgernahen Polizeiverständnis zu tun.

c’t: Und ein bewaffneter Einsatz?

Reese: Nein, wir wollen den Roboter auch nicht bewaffnen, und das wäre auch gar nicht zulässig. Die Waffen, die die Polizei einsetzen kann, sind in den Polizeigesetzen abschließend aufgezählt. Ein Einsatz als Zwangsmittel gegen Menschen wäre auch gar nicht zielführend. Der Roboter hat hinten einen gut sichtbaren Notausschalter. Übrigens will auch der Hersteller keinen bewaffneten Einsatz und hat diesen vertraglich ausgeschlossen. Das unterscheidet ihn von chinesischen Anbietern, die mit bewaffneten Laufrobotern werben.

c’t: Planen Sie, weitere Spot-Exemplare anzuschaffen?

Reese: Das muss sich noch zeigen. Aber meine private Meinung ist, dass wir den Roboter künftig häufiger antreffen werden. (cwo@ct.de)

Spot-Videos: ct.de/ygfq

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