Nachnutzbar
Gebraucht gekaufter Thin Client Fujitsu Futro S740 für Bastelprojekte
Ein geräuschloser und sparsamer Mini-PC für 70 Euro? Solche Schnäppchen finden sich als Gebrauchtgerät, wenn man einen sogenannten Thin Client mit der richtigen Ausstattung erwischt. Wir testeten einen Glückstreffer und zeigen, was Sie beim Umfrickeln für Ihre Bedürfnisse beachten müssen.
Gebrauchte Thin Clients mit x86-Prozessoren können eine prima Hardwarebasis für Bastelprojekte sein. Man muss jedoch sofort das richtige Gerät ergattern, dessen CPU, RAM und Massenspeicher zum geplanten Zweck passen, denn Auf- und Umrüsten ist bei vielen Thin Clients nur sehr eingeschränkt möglich. Sie sind absichtlich abgespeckte Rechner nach dem Motto: Was nicht vorhanden ist, kostet auch nichts, verheizt keinen Strom, geht nicht kaputt und schleppt keine Sicherheitslücken ein.
Letztlich sind nur wenige gebrauchte Thin Clients für Schrauber attraktiv. Zu den Sahneschnittchen gehört der seit 2018 produzierte Fujitsu Futro S740. Zufällig war er Mitte Januar für 69 Euro bei eBay erhältlich. Wir haben mehrere gekauft und getestet, um an seinem Beispiel die typischen Stolperfallen bei der Nachnutzung alter Thin Clients aufzuzeigen.
Gute Wahl
Herzstück des Futro S740 ist der 2017 von Intel vorgestellte Celeron J4105, eine Quad-Core-CPU der 10-Watt-Klasse. Weil er so sparsam ist, lässt er sich ohne Lüfter kühlen und kommt mit einem billigen 65-Watt-Netzteil aus – im Grunde würden schon 35 Watt reichen. Anders als ältere Celerons der Familien N und J sowie alte AMD-GX-Chips liefert der Celeron J4105 Rechenleistung, die noch für einen einfachen Mini-PC reicht – zumindest für geduldige Nutzer. Typische Heimserver-Aufgaben stemmt er locker und ähnliche „Gemini Lake“-CPUs stecken auch in vielen NAS, die heute noch verkauft werden.
Zweiter Vorteil des Futro S740: Der Arbeitsspeicher ist nicht fest aufgelötet, sondern man kann ein DDR4-SODIMM mit bis zu 16 GByte einstecken. Unser Testgerät war mit 8 GByte bestückt – das reicht schon für vieles. Bei einem anderen Futro waren es magere 4 GByte. Ein 8-GByte-Modul der Klasse DDR4-2666 (oder -3200) kostet ab 22 Euro.
Dritter Vorteil: Während einige Thin Clients aufgelötete Flash-Chips (etwa eMMC-Flash) als Massenspeicher nutzen, hat der Futro S740 eine M.2-Wechselfassung für eine SATA- oder NVMe-SSD. Darin saß bei unserem Gerät eine 16-GByte-SSD mit SATA-Controller in der 4,2 Zentimeter langen Bauform 2242. Die ließ sich problemlos gegen die NVMe-SSD WD SN520 mit 256 GByte tauschen oder auch gegen eine Transcend 430S (SATA). Aber Achtung: Es passen nur M.2-SSDs mit der Kodierkerbe „B-Key“ im Anschlusskamm. Die meisten aktuellen NVMe-SSDs haben jedoch den M-Key. Über Onlinepreisvergleicher finden sich M.2-2242-SATA-SSDs mit B-Kerbe mit immerhin bis zu 1 TByte.
Eine längere SSD lässt sich nur mit Gemurkse befestigen, weil sich der Gewindebolzen für die Position 2260 kaum entfernen lässt und der für die Position 2280 derselbe ist wie der für den WLAN-Adapter. Eine NVMe-SSD bringt keine nennenswerten Vorteile, weil der M.2-Slot nur mit einer einzigen PCIe-2.0-Lane beschaltet ist, die mit knapp 500 MByte/s sogar weniger Daten pro Sekunde schaufelt als SATA 6G mit bis zu 580 MByte/s. Die USB-Buchsen lieferten ebenso den erwarteten Durchsatz wie der Gigabit-Ethernet-Netzwerkchip.
Vierter Futro-Vorteil: Die abgehangene Hardware im S740 braucht keine exotischen Treiber. Proxmox und Ubuntu 22.10 liefen problemlos, auch Windows 11 ließ sich installieren – inklusive Secure Boot und TPM 2.0. Fujitsu produziert den Futro S740 zwar nicht mehr, stellt aber noch Windows-Treiber, BIOS-Updates und Datenblätter bereit. Windows-11- funktionierte mit Windows-10-Treiber klaglos. Unser Exemplar kam mit der BIOS-Version R1.10.0, wir haben R1.13.0 eingespielt. Der Futro S740 bootet nur im UEFI-Startmodus; Secure Boot lässt sich abschalten.
Achtung: Ein Beispiel eines weniger tollen Thin Clients ist der Futro S720, den man manchmal zu Spottpreisen findet. Darin rechnet der vor zehn Jahren vorgestellte AMD GX-210HA, der nur zwei steinalte CPU-Kerne mit 1 GHz hat.
Einschränkungen
In der M.2-2230-Fassung funktionieren nur WLAN-Adapter mit CNVi-Chip von Intel wie der Wireless-AC 9462. In einem der anderen gekauften Futros war der WLAN-Adapter bestückt und die nötige Antenne angebaut, ohne dass es der Produktbeschreibung zu entnehmen war.
Extern erweitern kann man den Futro S740 via USB 2.0 (hinten) oder USB 3.0 (vorne). Der 19-polige USB-Pfostenstecker auf dem Board macht es möglich, zwei weitere USB-3.0-Buchsen nachzurüsten; Standardkabel für PC-Slotbleche passen.
Theoretisch kann man den M.2-Slot für eine SATA- oder Ethernet-Adapterkarte nutzen und von einem USB-Stick booten; bei GitHub hat jemand viele solcher Ideen zusammengetragen (siehe ct.de/ya5s). Doch von aufwendigen Nachrüstungen raten wir ab: Nicht selten funktionieren solche Adapter eher wackelig und die Kosten addieren sich rasch.
Leisetreter
Mangels Lüfter arbeitet der Futro S740 flüsterleise; wir nahmen auch kein Spulenfiepen wahr. Ein leichtes Brummen im Fujitsu-Netzteil hört man erst, wenn man es sich ans Ohr presst. Andere Futros wurden allerdings mit zehn Jahre alten Netzteilen der Firma Asian Power Devices (APD) geliefert. Sie brummten etwas lauter und verheizten 0,2 Watt mehr.
Im Leerlauf ohne Monitor und Netzwerkanschluss unter Ubuntu 22.10 zog der Rechner 3,4 Watt aus der Steckdose, also lediglich 0,8 Watt mehr als ein Raspberry Pi 4. Unter Windows 11 mit 4K-Display und aktivem Netzwerkchip waren es 5,4 Watt.
Im Vergleich zum ARM-Chip eines Raspberry Pi 4 ist der Celeron J4105 beim Ver- und Entschlüsseln mit OpenSSL um ein Mehrfaches schneller. Beim Komprimieren mit 7-Zip und im JavaScript-Benchmark Optane leistet er jeweils etwa das Doppelte. Der Celeron N5105 des Odroid-H3 oder im Intel NUC 11 [1] ist hingegen rund 40 Prozent schneller als der J4105.
Fujitsu Futro S740 als Gebrauchtgerät | |
Thin Client mit Intel Celeron J4105 | |
Hardware-Ausstattung | |
CPU / Kerne / Takt (Turbo) | Intel Celeron J4105 (Gemini Lake) / 4 Kerne 1,5 (2,4) GHz |
RAM, Grafik | 1 × SODIMM 8 GByte DDR4-2666 (maximal 16 GByte), Intel UHD |
Mainboard (Format) / Chipsatz, Sound-Chip (Chip) / TPM | Fujitsu D3544-A1x (proprietär) / im CPU-SoC integriert, HDA (Realtek ALC671) / Intel fTPM 2.0 |
M2-Fassung / Schnittstelle / SSD eingebaut | M.2 B-Key, 2242 (2260/22801) / SATA 6G oder PCIe 2.0 x1 / Innodisk M2 (S42) 3ME4, 16 GByte |
Netzwerk-Interface (Chip) / WLAN | 1 Gbit/s (Realtek 8111G) / nicht bestückt: 1 × M.2 2230 (CNVi) |
Abmessungen | 14,8 cm × 3,6 cm × 16,6 cm (Tiefe 19 cm mit Stromstecker) |
Netzteil2 | Fujitsu S26113-E623-V55 19 V / 65 Watt, 1,8 m Kabel, Hohlstecker 5 mm |
Anschlüsse hinten | 2 × DisplayPort, 4 × USB-A 2.0, 1 × LAN, 1 × Audio-Klinke, Stromanschluss |
Anschlüsse vorne | 2 × USB-A 5 Gbit/s, 2 × Audio-Klinke (Kopfhörer / Mikrofon) |
elektrische Leistungsaufnahme, Datentransfer-Messungen | |
Soft-Off / Energie Sparen | 0,8 / 0,8 W |
Leerlauf mit 4K-Monitor an DP | 4,5 W (ohne Monitor: 4,0 W / mit Mon. + LAN: 5,4 W) |
Volllast: CPU / CPU + Grafik | 16,5 / 17 W (kurzzeitig 20 W) |
Leerlauf Ubuntu 22.10 | 4,2 W (ohne Monitor: 3,4 W, mit Mon. + LAN: 4,6 W) |
M.2-SSD / USB 5 Gbit/s lesen (schreiben) | 456 (363) MByte/s (WD SN520, 256 GByte) / 458 (451) MByte/s |
Funktionstests | |
BIOS-Version / Secure Boot ab- / CSM einschaltbar | V5.0.0.13 R1.13.0 / ✓ / – (nur UEFI-Bootmodus) |
Wake on LAN: Standby / Soft-Off | ✓ / ✓ |
Parallelbetrieb Monitore (Ports) | 2 × 4K 60 Hz (2 × DP) |
Cinebench R23: 1 / alle Threads | 412 / 1419 Punkte |
Bewertung | |
Geräuschentwicklung / Systemaufbau | (lüfterlos) / |
Preis / Garantie | 70 € / – (gebrauchtes Gerät) |
1 Gewindebolzen für 2260 kaum entfernbar, für 2280 derselbe wie für WLAN 2 es werden auch andere Netzteile mitgeliefert | |
✓ funktioniert – funktioniert nicht sehr gut gut zufriedenstellend schlecht sehr schlecht |
Praktische Prüfung
Um Serversoftware auf dem Futro einzurichten, muss man wissen, dass das Gerät per UEFI bootet und GPT-partitionierte Platten haben möchte. Wir haben mit dem Tool Rufus einen USB-Stick mit der kostenlos nutzbaren Virtualisierungssoftware Proxmox bespielt. Es führt mehrere VMs und auf Wunsch auch Linux-Container parallel aus. Mager ausgestattete Futros sollte man für Proxmox aufrüsten: 4 GByte Hauptspeicher sind sehr knapp und auf einer 8-GByte-SSD kann man das System zwar einrichten, doch legt es währenddessen keine Volumes an, auf denen dann die Platten der VMs residieren könnten.
Im BIOS-Setup müssen für Proxmox die Virtualisierungsfunktionen der CPU aktiviert sein; bei unseren Gebrauchtkäufen war das schon der Fall. Ansonsten drücken Sie beim Start die Esc-Taste und setzen unter „Advanced“ in „CPU-Konfiguration“ die Option „Intel Virtualization Technology“ und für Zugriff auf PCIe-Geräte aus einer VM die Option „VT-d“.
Wer Proxmox einsetzt, sollte nicht ZFS als Dateisystem wählen. Es frisst RAM weg, das man sinnvoll für eine weitere VM nutzen könnte. Proxmox nutzt von sich aus das Linux-eigene Logical Volume Management (LVM). Wir betrieben auf einem mit 16 GByte RAM und 1-TByte-SSD hochgerüsteten Futro in Proxmox sechs VMs: OPNSense als interne Firewall und VPN-Gateway sowie einen Docker-Host, der Container fürs Smart Home (Homebridge, InfluxDB, Node-Red, MQTT, Zigbee2MQTT) und Infrastrukturdienste (Pi-hole und Gitea) ausführte. Eine weitere VM zieht externe Backups, eine dient als WireGuard-VPN-Server und eine als x86-Raspion, der die WLAN-Karte des Futros als AP nutzt.
Da der Futro nur einen einzigen LAN-Port hat, konfigurierten wir Proxmox so, dass es den Netzwerkverkehr mit VLAN-Tags ausleitet. Ein passend konfigurierter Switch verteilte diese dann in die physischen Netzwerke: zum Router, ins separate Arbeits-VLAN für den VPN-Zugang sowie ins Smart-Home-WLAN.
Die Smart-Home-Container kommunizieren mit zwei per USB angeschlossenen und in die Docker-VMs durchgereichten Geräten: einem Sonoff-ZigBee-Stick und einem Arduino mit LaCrosse-Firmware, der die Daten von Temperatur- und Feuchtesensoren empfängt, die diese auf 868 MHz regelmäßig aussenden.
Die VMs und Container liefen auf dem Futro S740 ebenso unauffällig zuverlässig wie zuvor auf einem älteren HPE Microserver, selbst wenn Clients hinter OPNSense die 250 Mbit/s Bandbreite des DSL-Anschlusses ausschöpften. Mit einem Backup und Restore via vzdump
, scp
und qmrestore
hatten wir die seit Monaten genutzten VMs umgezogen.
Spannend für Proxmox-Fans könnten mehrere Futros sein, um einen Cluster zu bauen. Dabei gerät man allerdings schnell auf Terrain, das nur noch über die Kommandozeile begehbar ist: Die Web-GUI-geführte Konfiguration möchte immer vollständige SSDs an das als Basis genutzte Netzwerkdateisystem Ceph verfüttern.
Fazit
Ein gebrauchter, lüfterloser Thin Client mit sparsamem x86-Prozessor ist für viele Projekte eine gute Alternative zu Raspi & Co. Allerdings braucht man Glück und Vorwissen, um einen Thin Client zu finden, der sich gut für die Umsetzung der eigenen Ideen eignet. Wir wünschen Waidmannsheil bei der Thin-Client-Jagd! (ciw@ct.de)
Futro-Infos: ct.de/ya5s