c't 13/2023
S. 128
Wissen
Mathematik
Bild: D. Smith, J. S. Myers, C. S. Kaplan, C. Goodman-Strauss, An aperiodic monotile, CC-BY-4.0

Parade-Parkett

Von gelösten Kachelproblemen und der Schönheit mathematischer Beweise

Ein Hobbymathematiker hat eines der kniffligsten Rätsel der Mathematik gelöst: die Suche nach der Einsteinkachel. Unmittelbaren praktischen Nutzen hat die neue Fliesenform nicht. Bis es so weit ist oder auch nicht, darf sich die Menschheit an der Schönheit arithmetischer Parkettierungen erfreuen und ganz allgemein an der Kunst der mathematischen Beweisführung.

Von Andrea Trinkwalder

An der Einsteinkachel ist so ziemlich alles genial: der Name, die Geschichte ihrer Entdeckung und die Eleganz ihrer Beweise. Der Name ist übrigens nur eine unbeabsichtigte Hommage an den berühmten Physiker, denn im Grunde bezeichnet er bloß das Problem, „einen Stein“ zu finden. Es geht um die Antwort auf diese Frage: Gibt es eine Fliesenform, mit der in jedem Fall ein unregelmäßiges Muster entsteht, wenn man eine Fläche damit kachelt?

Dieses spezielle Parkettierungsproblem gehört zu der sehr plakativen Sorte mathematischer Rätsel, die sogar Laien verstehen und die mitunter geradezu trivial anmuten, aber gestandenen Mathematikern gehöriges Kopfzerbrechen bereiten – teils jahrzehnte- oder jahrhundertelang. Beispielsweise ließ der Nachweis der effizientesten Stapelmethode von Orangen – die von Obstverkäufern schon seit der Antike praktizierte perfekte Kugellagerung – mehrere Jahrhunderte auf sich warten und mündete in ein dramatisches Finale, weil der 1998 von Thomas Hales vorgelegte, computergestützte Beweis so komplex war, dass er sich nicht nachvollziehen ließ. Acht Jahre später lieferte Hales dann, reichlich frustriert, noch eine formale Lösung für die sogenannte Keplersche Vermutung nach, die schließlich ein Team diverser Hilfskräfte mithilfe eines Theorembeweisers verifizieren konnte, siehe Kasten auf S. 130.

Höhere Puzzle-matik

Die Jagd nach dem einen Stein eröffnete im Jahr 1966 der Mathematiker Robert Berger, als er mit einem Sortiment von 20.426 unterschiedlichen Kachelformen erstmals demonstrierte, wie sich eine Fläche aperiodisch überdecken lässt. Weil man mit dieser Vielfalt beim Fliesen schnell durcheinanderkommt, rätselten die Mathematiker, ob nicht auch weniger Formen zum aperiodischen Muster führen – und lieferten zunächst Schlag auf Schlag: von 104 Formen (Berger) über die 92 des Informatikers Donald Knuth bis hin zu 6, die der Mathematiker Rafael Robinson ausknobelte. Damit kann man im Bad schon etwas anfangen. Schließlich gesellte sich mit Roger Penrose ein Physiker zum Kreis der studierten Parkettierer und kombinierte nur zwei unterschiedliche Fliesentypen zum berühmten Penrose-Muster. Das war 1984. Dann geschah fast ein halbes Jahrhundert nichts.

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