Kuriose Kisten
Oliver Lau berichtete 2005 über die deutschen Case-Modding-Meisterschaften
Wer einen individuellen PC bevorzugt, gestaltet das Gehäuse nach eigenen Vorstellungen um oder baut gleich selber eines. Seit 2002 wird sogar der deutsche Meister im Case-Modding gekürt. Oliver Lau war dabei.
Heimcomputer und PCs verlockten Individualisten schon immer, dem Rechner mit Lötkolben, Schraubendreher und Feile den eigenen Stempel aufzudrücken. Gehäuse mit fummeligen Gummitasten wurden gegen schickere und robustere Tastaturgehäuse getauscht. Beim modularen PC ging es dann weniger um Erweiterungen als darum, die Tristesse der grauen Kiste zu überwinden – so entstand die Szene der Case-Modder, die Standardgehäuse umbauen (Casemods) oder eigene gleich komplett selbst anfertigen (Casecons).
Seit 2002 findet jährlich die Deutsche Casemod Meisterschaft (DCMM) statt, die in verschiedenen Kategorien die besten Casemods und die spektakulärsten Gehäusekreationen prämiert. In c’t 10/2005 berichtet Oliver Lau von den 4. Meisterschaften in Dortmund und beschrieb auch die Bewertungskriterien der Jury:
„Auf den tausendstel Millimeter genau lasergeschnittene Seiten- oder Rückwände kamen der Jury demnach weniger zupass als handgedremelte und in mühsamer Pfriemelarbeit liebevoll mit 1000er-Schleifpapier glattpolierte Löcher für LEDs oder Kabeldurchführungen.“
Professionelle Hilfe beim Bau eines individuellen PC-Gehäuses ist also nicht gerne gesehen, vielmehr zählen Kreativität und handwerkliches Geschick. Eine Grundvoraussetzung liegt jedoch auf der Hand:
„[…] egal wie ausgefallen die Konstruktion, der Rechner musste funktionieren.“
Die Teilnehmer an der DCMM müssen nicht nur ihre Ideen mechanisch umsetzen können, sie brauchen auch eine gute Hardwarekenntnis, um die Erfordernisse eines PC-Systems zu berücksichtigen. Das klappt wegen Kompromissen zugunsten der Optik nicht immer. Bis zum Wettbewerbstag wurde fleißig weitergebastelt und optimiert:
„Während der eine Ärger mit der Elektrik hatte, überhitzte dem anderen das Board, beim dritten hakte die Mechanik.“
Um die meist leistungsfähigen und spieletauglichen Komponenten wie CPU und Grafikchip zu kühlen, setzen viele auf Wasserkühlungen, die 2005 noch weitgehend Eigenkonstruktionen mit technischen Macken waren. Optisch hatte diese Kühltechnik aber ihre Reize:
„In der Mehrzahl der Rechner fanden sich die bunt gefüllten Schläuche, die in mitunter riesige innen wie außen angeflanschte Radiatoren mündeten – etwa im Casecon-Klassiker „Beck’s-PC“, dessen neueste Ausgabe auf der DCMM in der Bierkiste mit den weichen Tragegriffen zu sehen war.“
Der Erbauer Benjamin Hentze hätte gerne eine Flasche Beck’s als Ausgleichsbehälter für das Kühlmittel verwendet, aber Glas lässt sich schlecht anbohren. Teilweise stecken in den Casecons, den selbstgefertigten Gehäusen, mehr als tausend Arbeitsstunden. Für den beeindruckenden Alien-Kopf von Maico Bensien brachte dies den verdienten ersten Platz der Casecon-Kategorie ein.
Torsten Siegels Casemod „Artefakt“, ein auf zehn Jahre Müllkippe getrimmtes Gehäuse, schaffte es nur auf Platz drei, gewann aber den zweiten Platz bei der Publikumswahl:
„Anstelle der staub- und fusselfreien Plexiglasscheibe klemmen nur noch deren schmutzig wirkende Bruchstücke („persönlich mit dem Vorschlaghammer zerdeppert“) in der Aussparung der Gehäusewand.“
Eines wurde zum Glück für die Casemodder nicht bewertet: die Hochfrequenzabschirmung.
„Den EMV-Wachhunden vom TÜV hätten sich die Nackenhaare aufgestellt.“
Heute sind optisch eindrucksvolle Designs von Gaming-PCs von der Stange und beleuchtete Wasserkühlungen zwar gang und gäbe. Doch die DCMM geht weiter und feierte dieses Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Die vergangenen Jahre dominierte der Berliner Ali Abbas alias „THE CRE8OR“, dessen fantasievolle Kreationen wirklich Kunstwerke sind. (rop@ct.de)
Artikel zur Case-Modding-Meisterschaft 2005 zum Nachlesen: ct.de/ynmk