c't 17/2023
S. 158
Wissen
Schmerzensgeld

Kein Mensch, kein Schmerz

Schmerzensgeld setzt auch bei Datenschutzverstößen individuelles Erleben voraus

Wer Rechte eines anderen verletzt, wird möglicherweise mit Schmerzensgeldforderungen konfrontiert – das kann selbst bei Datenschutzverstößen passieren. Abmahner versuchen bisweilen, mithilfe automatisierter Seitenabrufe regelrechte Schmerzensgeldmaschinen zu erschaffen, etwa im Rahmen der sattsam bekannten Google-Fonts-Serienabmahnungen.

Von Harald Büring

Die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verbietet es Website-Betreibern, personenbezogene Daten von Nutzern ohne deren Erlaubnis an Stellen ohne hinreichend hohen Datenschutzstandard weiterzuleiten. Das betrifft nicht zuletzt wichtige Serverdienste außerhalb des EU-Raums. Wer etwa die beliebten kostenlos nutzbaren Google Fonts auf seiner Webseite dynamisch einbindet, veranlasst damit, dass die IP-Adressen von Besuchern dieser Seite zu Google-Servern in den USA gelangen. IP-Adressen aber gelten rechtlich als personenbezogene Daten.

Datenschutzverstöße können Gegenstand von Unterlassungs- und auch Schadenersatzansprüchen sein. Tatsächlich sprach das Landgericht München I einem Besucher einer Webseite, die Google Fonts dynamisch eingebunden hatte, als Ersatz eines immateriellen Schadens 100 Euro Schmerzensgeld zu [1]. Einen Schadenersatzanspruch sieht Art. 82 Abs. 1 DSGVO für Geschädigte bei Datenschutzverstößen vor; Schmerzensgeld ist eine Form der Kompensation für persönlich erlittene Schäden, die nicht materieller Natur sind. Es bezieht sich meist, aber nicht ausschließlich, auf körperlich Erlittenes. Das Münchner Gericht sah das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Webseitennutzers erheblich verletzt. Aufgrund der unerwünschten Übersendung seiner IP-Adresse an Google habe er einen „Kontrollverlust“ erlitten und empfinde daher ein „individuelles Unwohlsein“.

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