c't 20/2023
S. 124
Wissen
Smart City Tokio

Tokio Dekadenz

Was Deutschland und Japan bei der Modernisierung ihrer Städte voneinander lernen können

Energieversorgung, öffentlicher Verkehr, Umweltschutz – die drängenden Probleme aller Großstädte treffen Tokio aufgrund seiner schieren Größe besonders drastisch. Wir haben uns vor Ort umgesehen und wollten wissen, wo Technik hilft – und wo sie über das Ziel hinausschießt.

Von Hartmut Gieselmann

Tokio ist mit fast 40 Millionen Einwohnern die größte Metropolregion der Welt. Auf einer Fläche knapp so groß wie Schleswig-Holstein leben hier halb so viele Menschen wie in ganz Deutschland. Drängen sich in Berlin bereits 4200 Einwohner auf einem Quadratkilometer, sind es in Tokio Stadt über 15.000. Der Platz ist knapp, die Wohnungen sind klein.

So viel Nähe würde hierzulande sicherlich zu sozialen Unruhen führen. Doch die Japaner gehen erstaunlich gut damit um und nehmen im öffentlichen Raum sehr viel Rücksicht aufeinander. In der U-Bahn gibt es kein Gedränge, jeder stellt sich brav an. Automaten kontrollieren die aufladbaren RFID-Karten der Fahrgäste beim Betreten und Verlassen der Stationen. Schilder weisen darauf hin, andere nicht durch laute Gespräche zu stören. Auch ständiges Starren aufs Smartphonedisplay gilt als unhöflich. Viele lesen lieber kleine Bücher – Papier ist in Japan nach wie vor ein hohes Kulturgut. Selbst auf überfüllten Plätzen und Bahnsteigen herrscht eine erstaunliche Ruhe. E-Roller gehören hier (noch) nicht zum Straßenbild. Gerade erst seit Juli erlaubt die Regierung, sie auch ohne Führerschein zu fahren.

Kommentieren