c't 24/2023
S. 3
Standpunkt

Privacy-Projekt: Absage an Überwachung

Der Schutz der Privatsphäre ist ein Grundrecht und das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Trotzdem tracken Anbieter von Internetdiensten ihre Nutzer und machen diese Daten zu Geld. Was nach einem Gegensatz klingt, ist - in einem gewissen Rahmen - erlaubt, denn zwischen dem Recht auf Privatsphäre und dem Recht auf den Schutz der persönlichen Daten besteht tatsächlich ein Unterschied. Dem Tracking entziehen kann man sich kaum.

Im Vergleich zu den Plänen der EU-Kommission zur Chatkontrolle könnte man (pseudo)anonymisiertes Tracking zu Monetarisierungszwecken allerdings beinahe harmlos finden. Sollte der umstrittene, grundrechtswidrige Gesetzesvorschlag tatsächlich verabschiedet werden, bedeutete das für die Bürger der EU nicht weniger als das Ende der privaten Kommunikation im Netz. Denn das Gesetz soll explizit die anlasslose Überwachung Ende-zu-Ende-verschlüsselter privater Kommunikation ermöglichen. Übertragen auf die Offlinewelt wäre das so, als würde die ganze Zeit jemand an der Tür lauschen oder durchs Fenster beobachten. Ein fundamentaler Eingriff in die Privatsphäre.

Warum die EU-Kommission trotzdem so hartnäckig daran festhält? Ein Netzwerk aus Stiftungen, Techfirmen und Sicherheitsbehörden lobbyiert offenbar auf höchster EU-Ebene für die Chatkontrolle. Das zeigen Recherchen von Zeit Online und weiteren europäischen Medien. Ab Seite 14 greifen wir das Thema auf.

Die Hacktivisten des Cult of the Dead Cow (cDc) sind mit Tracking und Überwachung nicht einverstanden. Sie wollen echte Privatsphäre im Netz, am besten für alle. Deshalb haben sie ein Framework veröffentlicht, mit dem Entwickler Apps und Websites entwickeln können, welche die Privatsphäre ihrer Nutzer umfassend schützen. Im Interview ab Seite 126 haben wir die Macher gesprochen.

Es stimmt, dass man manche Probleme nicht lösen kann, indem man "nur genug Algorithmen draufwirft", wie es mein Kollege Holger Bleich schon vor einem Jahr im Standpunkt der c’t 14/2022 formuliert hat. Gesellschaftlichen Problemen der Offlinewelt, etwa den Bedarf nach besserem Kinderschutz, kann man allein mit Technik kaum beikommen. Dem Bedarf nach mehr Privatsphäre im Netz oder so unsinnigen Ideen wie dem Gesetzentwurf zur anlasslosen Massenüberwachung möglicherweise schon.

Kathrin Stoll
Kathrin Stoll

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