c't 24/2023
S. 42
Aktuell
Prozessoren

Bit-Rauschen

Der „Europrozessor“ Rhea1 startet im Superrechner Jupiter

2024 legt hierzulande der erste europäische Exaflops-Computer mit europäischen Prozessoren los. Intel Irland produziert feinere Strukturen und Qualcomm schießt sich angeblich in die Socke.

Von Christof Windeck

Das hat gedauert: Bereits vor fünf Jahren hatten wir über die „European Processor Initiative“ (EPI) berichtet, die einen EU-Prozessor auch für Supercomputer entwickelt. Die daraus hervorgegangene Firma SiPearl wollte ihren Erstling Rhea1 mit vermutlich 72 ARM-Kernen eigentlich schon 2021 vorstellen. Zwischenzeitlich wurde es ziemlich ruhig um den Chip, nun kommt er mit einem Paukenschlag: Er soll 2024 den ersten europäischen Exaflops-Supercomputer Jupiter am Forschungszentrum Jülich antreiben.

Mehrlagige Leiterplatten mit High Density Interconnects (HDI) haben außer Durchkontaktierungen, die mehrere Lagen durchdringen, auch sogenannte Microvias zwischen benachbarten Lagen.
Mehrlagige Leiterplatten mit High Density Interconnects (HDI) haben außer Durchkontaktierungen, die mehrere Lagen durchdringen, auch sogenannte Microvias zwischen benachbarten Lagen.

Jupiter hat zwei Komponenten, Rhea1 rechnet im „Universal Cluster Module“. Im Booster-Modul steckt hingegen „Nvidia-Technik der nächsten Generation“, mehr wird erst auf der Supercomputer-Konferenz SC’23 im November in Denver verraten. Wir tippen auf Nvidia Hopper, vielleicht in Form des Kombichips Grace Hopper GH200, der ebenfalls ARM-Rechenkerne hat (vom Typ Neoverse V2, der Rhea1 hat Neoverse V1 mit 256-Bit-SVE). Oder der Jupiter-Systempartner Atos beziehungsweise dessen HPC-Sparte Eviden nutzt Clusterknoten mit „normalen“ x86-Prozessoren, um daran per PCIe 5.0 jeweils einen H100 HGX mit vier oder acht H100-Modulen anzubinden. Jedenfalls baut Jupiter auf der Atos-HPC-Architektur BullSequana XH3000 mit direkter Wasserkühlung auf und soll etwa eine halbe Milliarde Euro kosten.

Intel 4 aus Irland

Im neuen irischen Intel-Werk Fab 34 bei Dublin laufen mittlerweile Chiplets mit der Fertigungstechnik „Intel 4“ vom Band, die Intel auch für die CPU-Kerne der kommenden „Meteor Lake“-Mobilprozessoren nutzt. Damit ist die Fab 34 die derzeit fortschrittlichste Chip-Fabrik in Europa.

Während Intel seine Fab-Sparte ausbaut, stößt es einen weiteren Unternehmensteil ab: die Programmable Solutions Group (PSG). Sie ist im Wesentlichen aus dem 2015 übernommenen FPGA-Hersteller Altera entstanden. Seinerzeit blätterte Intel 16,7 Milliarden US-Dollar für Altera hin. Intels bisherige Server- und KI-Chefin Sandra Rivera soll die PSG leiten und im Lauf der nächstens drei Jahre fit für die Börse machen.

Snapdragon-Eigentor

In wenigen Wochen könnte Qualcomm Details zum nächsten Snapdragon-Chip für Windows-Notebooks verkünden, in dem ARM-Kerne (Oryon) der 2021 zugekauften Firma Nuvia rechnen. Laut dem Branchenkenner Charlie Demerjian, der die Website SemiAccurate.com betreibt, hat sich Qualcomm dabei jedoch selbst ein Bein gestellt. Denn genau wie bei den Smartphone-Snapdragons will Qualcomm auch den Notebookchip nur im Paket mit dazu passenden Spannungswandler-Controllern (Power Management IC, PMIC) aus eigener Entwicklung verkaufen. Weil aber der Notebook-Snapdragon in der Spitze viel mehr Strom schluckt als einer für Handys, müssten Notebookentwickler mehrere PMICs parallelschalten, also auf das Mainboard löten. Laut Demerjian benötigen diese PMICs obendrein relativ teure Platinen mit „High Density Interconnects“ (HDI), weil sie ursprünglich eigentlich für die viel kleineren Smartphone-Mainboards ausgelegt wurden. Das treibe die Kosten der Qualcomm-ARM-Notebooks in die Höhe. Dabei droht Qualcomm ab Ende 2024 Konkurrenz von Samsung und MediaTek, die angeblich eigene ARM-Chips für Mobilrechner entwickeln. Denn dann läuft der Exklusivvertrag von Qualcomm mit Microsoft über ARM-Chips für Notebooks aus.

Kein Problem mit HDI-Leiterplatten haben die Entwickler des Raspberry Pi. In einem Video erklären die Raspi-Macher Eben Upton und James Adams ausführlich, das sie für den Raspi 5 eine sechslagige HDI-Platine verwendet haben, die einige per Laser gebohrte Durchkontaktierungen zur Verbindung von Leiterbahnen auf unterschiedlichen Lagen hat. Diese „Microvias“ erleichtern es, kritische Leitungspfade für hochfrequente Signale zu verlegen, ohne dass Störungen auftreten. (ciw@ct.de)

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