c't 9/2023
S. 78
Test & Beratung
E-Bike

Sänfte mit Powerknopf

E-Bike mit App: VanMoof S5

VanMoof gehört zu den Smartbike-Herstellern der ersten Stunde. Das S5 wehrt sich gegen Diebe und sammelt Statistiken über zurückgelegte Fahrten, lässt sich aber auch gänzlich unsmart fahren – als urgemütliches, elektrisches Hollandrad. Aber wehe, man drückt aufs Powerknöpfchen.

Von Robin Brand

Wenn die Preisentwicklung so weitergeht, taugt das smarte E-Bike VanMoof S5 auch als Investitionsobjekt: Für 2500 Euro angekündigt, wechselt es jetzt für 3000 Euro den Besitzer – und kostet damit 1000 Euro mehr als das im Jahr 2020 eingeführte Vorgängermodell. Wir haben es ausgiebig Probe gefahren, um herauszufinden, ob es sein Geld wert ist.

Wer schon mal ein VanMoof gesehen hat, wird auch das S5 als solches erkennen, denn das Design hat der Hersteller kaum verändert. Das gerade Oberrohr zieht sich vorn über die Gabel, hinten über das Sattelrohr hinaus und endet mit ins Rohr integrierten Scheinwerfern – der Überstand fällt auf beiden Seiten allerdings deutlich kleiner aus als beim Vorgänger.

Weil der Akku des Bikes im fetten Rahmen steckt und man den verhältnismäßig kleinen Frontmotor übersehen kann, entlarvt man das S5 nur auf den zweiten Blick als E-Bike. Der Vorderradnabenmotor ist fast ein Alleinstellungsmerkmal, denn der Großteil aller Konkurrenten verwendet Mittel- oder Heckmotoren. Ein Display sucht man vergeblich. Zwei kleine LED-Ringe im Lenker informieren während der Fahrt über Akkustand, Geschwindigkeit und Motorunterstützung. Dazu gesellen sich vier Knöpfe, um zu klingeln, die Unterstützungsstufe zu wechseln, das Licht aufzublenden oder kurzzeitig die ganze Kraft des Motors freizugeben. Eine Handschaltung gibt es nicht, das S5 wechselt die drei Gänge in der Hinterradnabe automatisch.

Minimalistisch und aufgeräumt wirkt die Lenkereinheit des VanMoof.
Minimalistisch und aufgeräumt wirkt die Lenkereinheit des VanMoof.

Beim ersten Aufsitzen fällt das Hollandrad-Erbe auf: Der gekröpfte Lenker reicht weit zurück, so sitzen Menschen mit Körpergrößen bis etwa 1,85 Metern mit geradem Rücken hoch im Sattel. Größer gewachsene Menschen müssen sich leicht zum Lenker hinunterbeugen. Die entspannte Position entlastet die Handgelenke, lädt zum gemütlichen Cruisen ein und ist perfekt fürs Pendeln oder den Einkauf um die Ecke geeignet. Bei längeren Touren schmerzt der Hintern, weil er fast das gesamte Gewicht tragen muss.

Der kräftige Motor des S5 leistet die maximal erlaubte Nenndauerleistung von 250 Watt und zieht in vier verschiedenen Unterstützungsstufen nach vorne. Dank Drehmomentsensor – der Vorgänger hatte keinen – entfaltet das Rad seine Kraft sehr harmonisch. Da das Rad ein schwerer Brummer ist (rund 23 kg), hatten wir im Alltag stets mindestens Unterstützungsstufe zwei aktiviert. Seinen gemütlichen Charakter legt das VanMoof aber auch mit höchster Unterstützung nicht ab.

Achtung, Kraftmeier

Aber wehe, man gibt per Knöpfchen kurz die Maximalkraft frei. Mit 68 Newtonmetern katapultiert der Motor Ross und Reiter dann regelrecht auf 25 km/h. Zum Vergleich: Das Cowboy S3 ist nur 30 Newtonmeter stark. Allerdings zündet das VanMoof nur kurz den Turbo und schaltet dann wieder in den Normalbetrieb. Mit diesem Daumengas lässt man an der Ampel oder im Zwischensprint alle anderen E-Bikes stehen. Kurze Steigungen erklimmt man mithilfe des Powerknopfs auch mit Alibitreten. Die brachiale Kraft des Motors hat VanMoof gut im Griff. Nur in glatten oder nassen Kurven sollte man tunlichst das Däumchen vom Power-Button lassen, damit das Vorderrad nicht ausbricht. Beschleunigten wir aus dem Stand mit der gesamten Kraft, schlupfte das Vorderrad manchmal ein bisschen.

Die markanten Lichter im Oberrohr sind ein Erkennungszeichen der VanMoof-E-Bikes. Zwischen den Sitzstreben sitzt der Ladeanschluss.
Die markanten Lichter im Oberrohr sind ein Erkennungszeichen der VanMoof-E-Bikes. Zwischen den Sitzstreben sitzt der Ladeanschluss.

Das größte Manko des Vorgängermodells war die Vier-Gang-Nabe von Sturmey Archer: Sie nervte mit Klackern und Gangsprüngen. Die eigens für VanMoof entwickelte Drei-Gang-Nabenschaltung des S5, ebenfalls von Sturmey Archer, hat diese Probleme nicht. Hin und wieder meldet sie sich zwar mit einem hörbaren „Klack“, doch ungewollte Gangsprünge oder Luftlöcher sind passé. Den Wechsel zwischen den Gängen steuert eine Automatik; in der App kann man lediglich definieren, bei welcher Geschwindigkeit sie schalten soll. Im Flachland funktioniert das völlig problemlos – nicht aber bei Steigungen. Nahmen wir kurze Anstiege wie etwa Fahrradwege über eine Autobahn in hohem Tempo in Angriff, schaltete das VanMoof häufig erst dann runter, wenn wir den „Gipfel“ schon erreicht hatten.

VanMoof bewirbt das S5 mit einer Reichweite von 60 bis 150 Kilometern. Die erste Füllung hatten wir im Stadtverkehr mit vielen Ampelanfahrten und bei niedrigen Temperaturen um 5 °C schon nach 40 Kilometern leergesaugt. Mit einem Firmwareupdate von Version 1.1.07 auf 1.1.10 will VanMoof dieses Problem behoben haben, der Akku soll nun auch bei Kälte länger durchhalten. Tatsächlich schafften wir nach dem per App eingespielten Update bei mittlerer Unterstützung – allerdings auch bei höheren Temperaturen – rund 80 Kilometer. Die von VanMoof angegebenen 150 Kilometer erscheinen uns dennoch sehr optimistisch und allenfalls bei niedrigster Unterstützung und höchster Selbstdisziplin möglich, wenn man sich jedes Daumengas versagt. Ein schier unmenschliches Unterfangen, denn dazu bereitet der Powerknopf einfach zu viel Freude.

Den 463 Wh fassenden Akku komplett zu laden, dauert satte sechseinhalb Stunden. Das Rad muss man dafür stets in die Nähe einer Steckdose transportieren, denn der Akku lässt sich nicht entnehmen. Apropos laden: Sein Smartphone kann man unterwegs per USB-C direkt am Bike laden. Eine USB-C-Buchse hat VanMoof unterm Lenker versteckt.

Für mehr Reichweite und flexibleres Laden hat der Hersteller ein Akkupack angekündigt, das man ins Rahmendreieck einklicken kann. Dieses verdoppelt die Kapazität und macht das Rad 3,66 kg schwerer. Wann der Akku verfügbar sein und wie viel er kosten wird, ließ VanMoof auf Anfrage offen.

Schick, aber nicht wartungsfreundlich

VanMoof stattet das S5 mit allerlei schicken, aber leider überwiegend nicht austauschbaren Komponenten aus. Der gekapselte Antriebsstrang – trotz Nabenschaltung verwendet VanMoof eine Kette anstatt eines Riemens – und die intern verlegten Kabel sind praktisch im Alltag, nicht aber für Wartungsarbeiten. Der Lenker mit integriertem Vorbau und LED-Lichtern lässt sich nicht durch einen anderen ersetzen, genauso wenig wie der Sattel. Es sei denn, man tauscht die Sattelstütze gleich mit aus.

Die langgezogenen, metallenen Schutzbleche wehren Schmutz auch auf matschigem Untergrund zuverlässig ab, die integrierten Lampen leuchten selbst finstere Waldwege hell genug aus. Maßgeschneiderte Front- (139 Euro, 10 kg Tragkraft) und Heckgepäckträger (79 Euro, 15 kg) lässt sich VanMoof extra bezahlen. Auf unserem Testbike haben Menschen verschiedenster Körpergrößen (1,73 bis 1,95 Meter) eine passende Position gefunden. Unter dem Namen A5 hat VanMoof eine alternative, kleinere Bauform mit 24-Zoll-Reifen im Angebot.

Wie so viele Smartbikes bildet auch das S5 ein Tandem mit einer zugehörigen App, mit der es sich beim ersten Einrichten koppeln will. Ist das Rad eingerichtet, kann man es per App entsperren – oder einen dreistelligen Code fürs Entsperren über die Lenkerknöpfe vergeben, um es auch unabhängig von App und Smartphone zu benutzen. Die App sammelt Statistiken über vorherige Fahrten, spielt Firmwareupdates ein und behält den Standort des Bikes im Blick. Außerdem kann man darüber die Schaltpunkte der Automatiknabe neu definieren. Die nervigen Töne, die jede Betätigung der Knöpfe begleiten, kann man bislang nicht deaktivieren.

Ein Kick mit der Fußspitze an einen Druckknopf an der Hinterachse verriegelt das Rad. Ein Sperrbolzen blockiert dann die Hinterradnabe. Macht sich dennoch jemand am Rad zu schaffen oder will es gar wegtragen, schlägt das Rad akustisch und visuell Alarm. Gegen eine Gebühr von 348 Euro bietet VanMoof für drei Jahre den Service, ein gestohlenes Bike mithilfe des eingebauten GPS-Moduls wiederzufinden.

Fazit

Fangen wir mit den Schwächen an: Das VanMoof S5 ist elendig schwer, und für jedes Laden muss man es an die Steckdose schleppen. Lange Tagesausflüge bewältigt man nur in niedrigeren Unterstützungsstufen. Wer sich daran nicht stört, erhält mit dem S5 ein einerseits gemütliches Stadtrad, das andererseits so viel Kraft entfaltet wie kaum ein anderes E-Bike. Stattet man es mit Gepäckträgern aus, ist es das perfekte Rad fürs entspannte Pendeln und für den großen Wocheneinkauf. (rbr@ct.de)

VanMoof Electrified S5
E-Bike
Hersteller, URL VanMoof, vanmoof.com
Ausstattung / max. Zuladung 250-Watt-Motor, 3-Gang-Automatik, hydraulische Scheibenbremsen, elektronische Klingel, mechanisches Schloss mit Alarmanlage, integrierte Beleuchtung / 120 kg
Systemanf. Smartphone mit Android oder iOS
Preis 3000 €

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