c't 27/2024
S. 14
Aktuell
DSL-Abschaltung

Das Ende von DSL

Die Zeit des Internet per Telefonleitung läuft ab

In den kommenden sechs bis acht Jahren wird die bestehende DSL-Infrastruktur Stück für Stück abgeschaltet. Nicht nur die Kunden sind verunsichert, auch die Anbieter und die Politik ringen um den richtigen Weg zu neuer Infrastruktur.

Von Urs Mansmann

Bad Salzungen probiert gerade aus, wie die digitale Zukunft in Deutschland aussehen wird: In der Thüringer Gemeinde liegt ein Testgebiet mit 251 Haushalten und Unternehmen, das die Deutsche Telekom komplett von DSL auf Glasfaser umstellt. Seit Anfang Februar sind dort schon keine Kupferanschlüsse mehr buchbar, bestehende DSL-Kunden erhalten eine Änderungskündigung und müssen auf Glasfaser umstellen.

In den kommenden Jahren wird das nach und nach überall geschehen. Ein Vorschlag der EU-Kommission (siehe ct.de/ybf4) setzt hierfür einen Zeitrahmen bis 2030. Schon 2028 sollen 80 Prozent der Kupferanschlüsse abgeschaltet sein. Ob dieser Termin in Deutschland zu halten ist, das im europäischen Vergleich beim Glasfaserausbau weit hinterherhinkt, ist mehr als fraglich. Einen bundesweiten Abschalttag wird es ohnehin nicht geben, vielmehr wird diese Änderung schleichend geschehen.

Derzeit sind Glasfaseranschlüsse noch keine Verkaufsschlager. Wo Glasfaser und DSL parallel verfügbar sind, greifen viele Kunden trotzdem zum gewohnten DSL-Anschluss. Ein Grund dafür ist der Preis, langsamere Anschlüsse sind günstiger. Zwar bieten die meisten Glasfaserprovider auch solche an, um die Sparfüchse abzuholen, aber viele Nutzer scheuen den Umstieg oder sind vertraglich langfristig gebunden.

Umstiegsszenarien

Telefongesellschaften, die derzeit Glasfaser verlegen, sind mit unterschiedlichen Szenarien konfrontiert. Wenn sie parallel ein eigenes DSL-Netz betreiben, müssen sie ihre Kunden zum Umstieg bewegen. Denn sobald DSL nicht mehr gebraucht wird, kann man die Kupfer-Infrastruktur abschalten. Aber erst, wenn der letzte Kunde umgestiegen ist, sinken die Kosten erheblich.

Weniger komfortabel ist die Lage für den Glasfaserpionier, wenn er vorhandene DSL-Anschlüsse gar nicht selbst betreibt, sondern ein Mitbewerber. In diesem Fall muss er Bestandskunden abwerben. Der DSL-Anbieter wird dabei nicht mitarbeiten, denn mit jedem verlorenen Kunden sinkt sein Umsatz, die Betriebskosten aber bleiben. Da die Telekom mit großem Abstand die meisten DSL-Anschlüsse bereitstellt, aber längst nicht überall schon Glasfaser ausgebaut hat, tritt dieser Fall häufig auf.

Selbst wenn ein DSL-Anbieter bei der Abschaltung die Kunden behalten und den Glasfaserzugang eines Mitbewerbers anmieten kann (Wholesale-Modell), liegt kein Vorteil darin, der Kundschaft den Wechsel nahezulegen. Denn schließlich verdient man mit der eigenen Infrastruktur in der Regel mehr als mit Wholesale.

Dadurch entsteht ein Konflikt zwischen den Glasfaserunternehmen und den Kupferanbietern. Ginge es nach der Glasfaserbranche, würde man recht bald das verpflichtende Aus für die Kupfertechnik verkünden, was zur Folge hätte, dass ihnen die Kunden zuströmen und sich ihre hohen Investitionen in neue Infrastruktur schneller rechnen. Aus Sicht der Kupferanbieter besteht jedoch keine Eile. Solange ihre Anschlüsse noch Geld abwerfen, möchten die Unternehmen diese natürlich weiterbetreiben.

Für das Verlegen von Glasfaseranschlüssen sind in der Regel Tiefbauarbeiten notwendig., Bild: Deutsche Telekom
Für das Verlegen von Glasfaseranschlüssen sind in der Regel Tiefbauarbeiten notwendig.
Bild: Deutsche Telekom

Träge Kunden

Letztlich bremst auch die Trägheit der Kunden beim Wechsel zu Glasfaseranschlüssen deren Ausbau. Denn selbstverständlich beziehen die Glasfaserprovider solche Erfahrungswerte in ihre Wirtschaftlichkeitsberechnung mit ein. Ist in einem potenziellen Glasfaserversorgungsgebiet DSL mit hohen Bitraten und verlässlichen Anschlüssen ausgebaut, herrscht nur geringer Druck, zu wechseln. Anders sieht es aus, wenn die Kupferleitungen lang sind und nur gemächliches Surfen gestatten oder wenn marode Kabel häufige Verbindungsabbrüche provozieren.

Rund 75 Prozent der Haushalte in Deutschland verfügen über einen gigabitfähigen Anschluss. In Kupfertechnik sind das ausschließlich TV-Kabel-Anschlüsse, denn mit VDSL über die Telefonleitung ist derzeit auch mit allen technischen Tricks wie Vectoring bei 250 Mbit/s Schluss. Glasfaseranschlüsse in die Wohnung, die perspektivisch mit neuen Modems noch viel höhere Bitraten bereitstellen können, machen aktuell rund ein Drittel aller Anschlüsse aus, Tendenz stark steigend.

Beispiel Niedersachsen

Beim Breitbandgipfel Niedersachsen-Bremen Anfang Oktober, einem Treffen von Politik, Anbietern und Interessenverbänden, nahm das Thema DSL-Abschaltung viel Raum ein. Die Anbieter von Glasfaseranschlüssen, die in den Branchenverbänden BREKO und VATM organisiert sind, fordern eine Abschaltung in den Gebieten, in denen Glasfaser ausgebaut ist.

Das Bundesland Niedersachsen hat eine Struktur, die mit dem Rest der Republik gut vergleichbar ist. Dort gibt es ländliche Gebiete, Klein- Mittel- und Großstädte. Rund zehn Prozent der deutschen Bevölkerung leben in Niedersachsen. Der Glasfaserausbau lag Ende 2023 mit 54 Prozent versorgter Haushalte deutlich über dem deutschen Durchschnitt von 32 Prozent, wobei ein Haushalt nach dieser Zählung („homes passed“) schon als versorgt gilt, wenn eine Versorgungstrasse am Haus vorbeiführt.

Glasfaserhauptverteiler können für ganze Stadtviertel zentralisiert werden. Das senkt die Wartungskosten und den Energieverbrauch., Bild: Deutsche Glasfaser
Glasfaserhauptverteiler können für ganze Stadtviertel zentralisiert werden. Das senkt die Wartungskosten und den Energieverbrauch.
Bild: Deutsche Glasfaser

Neue Monopole

Intensiv diskutiert wurde auf dem Gipfel auch die Frage, wie man verhindert, dass die DSL-Abschaltung dem Wettbewerb schadet und die Preise in die Höhe treibt. Anders als im Telefonnetz, das mit der Privatisierung an die Telekom überging und strikt reguliert wurde, ist bei der Glasfaserverkabelung ein Flickenteppich aus kleinen Monopolanbietern entstanden. Solche Monopole gibt es auch bei Kabelanschlüssen, bei denen man nur bei dem Anbieter abschließen kann, der das Kabelnetz betreibt. Bislang haben davon betroffene Kunden sehr oft die Möglichkeit, alternativ zu Kabel oder Glasfaser einen DSL-Anschluss zu bekommen. Und dafür bieten viele Unternehmen Tarife an, der Wettbewerb funktioniert also sehr gut. Dreht ein Kabel- oder Glasfaserprovider zu sehr an der Preisschraube, können die Kunden derzeit noch zu DSL wechseln.

Dieses Korrektiv fällt mit der Abschaltung von DSL aber weg. Wenn ein Breitbandanbieter ein Gebiet exklusiv versorgt und dort die Preise erhöht, müssen die Kunden für den Internetzugang zähneknirschend bezahlen. Dass ein Mitbewerber in einem solchen Fall damit beginnt, eigene Leitungen zu verlegen oder Kupfertechnik zu reaktivieren, ist nicht zu erwarten, das würde sich in aller Regel nicht lohnen, denn der bisherige Monopolanbieter könnte die Preise ja dann wieder anpassen und die Kunden halten. Außerdem wäre es volkswirtschaftlich gesehen unsinnig, eine so aufwendige Infrastruktur mehrfach vorzuhalten.

Der niedersächsische Digitalisierungsminister Olaf Lies plädierte gegenüber c’t für ein behutsames Vorgehen bei der Abschaltung. Bei der Umstellung auf Glasfaser solle man nicht „das Kind mit dem Bade ausschütten“. Der Glasfaserausbau verbessere die Versorgung in ganz Niedersachsen, insbesondere im ländlichen Raum, und leiste mit einem geringeren Energieverbrauch einen wertvollen Beitrag zu Energiewende und Klimaschutz. „Ich unterstütze daher eine schnelle Migration von Kupfer- auf Glasfasernetze, aber zu klaren Bedingungen. Dazu gehört es, das Entstehen neuer Monopole oder gar neuer Versorgungslücken zu verhindern“, erklärte Lies.

Notnagel Funk

Als Notnagel in schlecht versorgten Gebieten bleibt noch der Wechsel zu Mobilfunk- oder Satellitenanbietern. Die sind inzwischen zwar erschwinglich, jedoch hat die Technik Nachteile. Mobilfunkanschlüsse mit echten Flatrates sind vergleichsweise teuer und das Mobilfunknetz wird lokal überlastet, wenn in einer Gegend viele Nutzer dorthin wechseln und es intensiv nutzen. Auf dem flachen Land, wo es keine schnellen Anschlüsse gibt, gibt es oft auch kein schnelles Mobilfunknetz. Satellitenzugänge sind hingegen überall verfügbar. Sie sind technisch aufwendig, allerdings sinken die bislang hohen Preise mit immer leistungsfähigeren Satellitenkonstellationen und zunehmendem Wettbewerb.

Wo die Reise hingehen könnte, zeigt die Entwicklung bei den Wholesale-Angeboten. 1&1 etwa hat keine eigenen Breitbandzugänge, sondern vermarktet Anschlüsse verschiedener DSL-, Kabel- und Glasfaseranbieter. 1&1 verdient daran mit, was zulasten des Anschlussanbieters geht. Der profitiert aber von der zusätzlichen Vermarktung seiner Produkte, was den Umsatz hochtreibt und damit die Betriebskosten pro Anschluss senkt. Solche Deals nutzen also beiden Partnern. Ein verpflichtendes Wholesale-Modell mit regulierten Preisen könnte allen Seiten zugutekommen: Die Netzbetreiber bekommen eine verlässliche Kalkulationsgrundlage, die Netzeigentümer gewinnen Investitionssicherheit und die Kunden sehen erschwingliche Anschlusspreise.

Langfristig könnten die Preise für schnelle Anschlüsse günstiger werden, denn Glasfaserkabel sind extrem langlebig und wesentlich unempfindlicher gegen Störeinflüsse als Kupferkabel. Durch die größeren Leitungslängen, die mit Glasfaser möglich sind, sind auch keine Verteiler an den Straßenecken mehr nötig. Die Wartungskosten könnten dadurch sinken. Auch der Energiebedarf wird mit dem Umstieg auf die neue Technik geringer, was die Betriebskosten reduziert.

Es ist absehbar, dass Kupferkabel für Breitbandzugänge technisch und wirtschaftlich keine Zukunft mehr haben. Das Ringen darum, wie der künftige Breitbandmarkt aussehen soll und welche Regeln dort gelten, wird uns aber noch lange beschäftigen. (uma@ct.de)

EU-Aufsatz: ct.de/ybf4

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