c't 4/2025
S. 43
Aktuell
Betrug mit Festplatten
Bild: Seagate

Aus alt mach neu

Betrug mit Seagate-Festplatten

Mehrere deutsche Onlinehändler verkauften Festplatten, deren SMART-Daten manipuliert wurden. Sie geben die Platten als neu aus, sie sind es aber nicht. Zudem sind die meisten lange aus der Garantie heraus.

Von Lutz Labs

Für sein NAS kaufte unser Leser Florian E. Anfang Januar bei einem deutschen Onlinehändler zwei Seagate-Exos-Festplatten mit der Modellbezeichnung ST14000NM005G. Beim Auspacken dieser 14-TByte-Laufwerke bemerkte er zwar ein paar kleine Beschädigungen am Gehäuse, dachte sich aber nichts weiter dabei. Die SMART-Werte waren unauffällig, die SMART-Tests liefen durch, es gab keine Fehler.

Nach einigen Tagen überprüfte er die Platten erneut mit den smartmontools, diesmal aber mit einer Option, die weitere Diagnosedaten hervorbringt. Seagate sammelt bei seinen Serverlaufwerken sogenannte FARM-Werte (Field Accessible Reliability Metrics), die auch Netzwerkspeicher von Synology auswerten. Laut diesen Daten hatten die Laufwerke bereits 10.000 beziehungsweise 15.000 Betriebsstunden auf dem Buckel.

Er reklamierte die Laufwerke und bestellte bei einem anderen Händler Ersatz, diesmal das Modell ST16000NM001G mit 16 TByte. Auch hier fand er minimale Gebrauchsspuren am Gehäuse. Schlimmer aber: Laut smartmontools waren diese Laufwerke sogar bereits 22.000 Stunden gelaufen.

Bei allen vier Laufwerken handelt es sich laut der Seagate-Garantieabfrage zudem um OEM-Laufwerke, für die nur die gesetzliche Gewährleistungspflicht des Händlers gilt, nicht aber die fünfjährige Garantie des Herstellers. Darauf hatten beide Händler nicht hingewiesen.

In beiden Fällen waren die Platten von den Händlern als neu deklariert, der Preis lag auf dem üblichen Niveau für diese Modelle. Es handelte sich nicht um von Seagate selbst generalüberholte Festplatten, wie sie der Hersteller als „Factory Recertified“ und mit einem speziellen grünen Aufkleber verkauft.

Seagate bestätigte auf Anfrage, dass SMART-Werte von Festplatten zurückgesetzt werden können und die echten Laufzeiten in den FARM-Werten wahrscheinlich korrekt sind. Weitere Informationen, wie diese Laufwerke in den Handel gekommen sind, konnte das Unternehmen auch aus Datenschutzgründen nicht beisteuern. Wahrscheinlich handelt es sich um Rückläufer aus Rechenzentren, die dann zurückgesetzt wieder als neu und günstig an die Händler gebracht wurden.

Dutzende Betroffene

Nach einer Meldung auf heise online zu diesen Manipulationen erhielten wir rund 50 E-Mails von Lesern. Betroffen sind Exos-Modelle mit 12 (Modellnummern ST12000NM0127 und ST12000NM0558), 14 (ST14000NM001G), 16 (ST16000NM000J und ST16000NM001G) und 18 TByte (ST18000NM000J), auch eine NAS-Festplatte aus der Serie Ironwolf Pro war dabei.

Die Seagate-Garantieabfrage (siehe ct.de/ysby) lieferte bei Stichproben für fast alle Laufwerke negative Ergebnisse; mit dem Hinweis, man solle sich an seinen Händler wenden. Bei einem Laufwerk endete die Garantiefrist Mitte 2026 – für ein frisch gekauftes Laufwerk jedoch viel zu kurz. Vereinzelt bekamen wir auch das Ergebnis, dass die Festplatte ursprünglich als Teil eines größeren Systems verkauft wurde – in diesem Fall ist sonnenklar, dass die Platte nicht neu ist.

Wenn die Seagate-Garantieabfrage einer neuen Festplatte eine solche Meldung auswirft, handelt es sich wahrscheinlich um Betrug.
Wenn die Seagate-Garantieabfrage einer neuen Festplatte eine solche Meldung auswirft, handelt es sich wahrscheinlich um Betrug.

Viele dieser Laufwerke dürften als sogenannte OEM-Ware ohne Herstellergarantie verkauft worden sein. Für diese gilt nur die gesetzliche Gewährleistungspflicht des Händlers. Viele Händler nehmen OEM-Ware zwar zurück, sehen sich aber außerstande, ausdrücklich für den Einzelhandel bestimmte Festplatten mit voller Garantie zu liefern.

Weshalb das so ist, konnten wir bisher nicht klären. Die Hersteller behaupten, solche Produkte seien über autorisierte Distributoren (Zwischenhändler) lieferbar. Manche Einzelhändler behaupten hingegen, das sei nicht der Fall.

Was tun?

Wir empfehlen, die betroffenen Laufwerke mit Hinweis auf die Sachlage beim Händler zu reklamieren. Nach unserer Auffassung sollten zudem alle betroffenen Händler feststellen können, wem sie eine gebrauchte Festplatte als neu verkauft haben und von sich aus den Kunden anbieten, diese zurückzunehmen.

Wer beim Festplattenkauf halbwegs auf Nummer sicher gehen will, kauft bei den Herstellern direkt ein, muss dann aber meistens höhere Preise zahlen. Die Hersteller nennen zudem eine Reihe von offiziellen Händlern. Bei Toshiba und Western Digital muss man zunächst das passende Land auswählen, Seagate macht es seinen Kunden mit einer Liste deutscher Händler auf der deutschen Website deutlich einfacher (Links über ct.de/ysby).

Aber auch wenn man die Laufwerke von einem offiziellen Händler kauft, kann man hereinfallen: Fünf der von den Lesern genannten Händler stehen auch auf der Seagate-Liste. Daher empfehlen wir, direkt nach dem Kauf anhand der Seriennummer zu prüfen, ob die Laufwerke OEM-Laufwerke sind oder ob sie beispielsweise schon vor geraumer Zeit in den Handel gekommen sind. (ll@ct.de)

Garantieabfragen und Händlerlisten: ct.de/ysby

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