Wie auf Papier

Latenzarm schreiben mit dem E-Ink-Schreib-Tablet reMarkable 2

Das „reMarkable 2“ ist das Gegenteil von einer eierlegenden Wollmilchsau. Es hat ein mono­chromes Display, man kann we­­der E-Mails damit lesen noch im Web surfen. Nur papierrealistisch schreiben. Der Minimalismus aber entfaltet seinen besonderen Reiz.

Von Michael Link

Der digitale Notizblock, mit dem man so intuitiv arbeiten kann wie mit Stift und Papier, ist selbst im Zeitalter von Quantencomputern ein schwieriges Geläuf für Hersteller: Auf glatten Tablet-­Oberflächen schreibt es sich unnatürlich und Striche erscheinen irritierend verzögert auf dem Display. Nicht so beim Remarkable 2 des gleichnamigen norwegischen Herstellers. Es kommt dem analogen Vorbild schon bedeutend näher, es kann außerdem das Geschriebene in getippten Text übersetzen.

Das nur 4,7 Millimeter dicke Tablet misst 18,7 × 24,5 Zentimeter, also zwischen DIN A4 und A5. Das Kunststoffgehäuse mit Aluminiumrückseite kann man in eine der als Zubehör erhältlichen Hüllen oder Klappen stecken. Zusammen wiegt das Ganze rund 600 Gramm, wovon aufs Tablet allein 399 entfallen.

Das Remarkable 2 ist kaum mehr als ein klassisches One-Trick-Pony: Man kann mit dem Tablet handschriftliche Notizen machen und es zeigt DRM-freie E-Books im Epub-Format sowie PDFs an, die man auch bearbeiten und als PDF, PNG oder SVG per Mail versenden kann. Bilder zeigt es in Grauschattierungen an. Über eine Chrome-Extension lassen sich Webseiten am PC umwandeln und zum späteren Lesen zum Remarkable schicken.

Das war es dann aber schon: Es hat keinen Webbrowser, lenkt nicht mit Benachrichtigungen über eingehende Mail oder Nachrichten von Messengern ab. Es gibt keinen Mucks von sich, nicht mal Piepser. Der Hersteller erklärt den Minimalismus als Beitrag zum fokussierteren Arbeiten. Der Minimalismus des Remarkable 2 macht aber etwa bei Dienstreisen in der Regel die Mitnahme weiterer Geräte nötig.

Sachen lesen

Das matte, im Hochkantmodus betriebene monochrome E-Ink-Display bringt es auf eine Diagonale von 26,1 Zentimetern (10,3 Zoll). Es hat keine eigene Beleuchtung und erinnert farblich eher an Recyclingpapier als an die strahlend weißen Bettlaken aus der Waschmittelwerbung. Die 1872 × 1404 Bildpunkte ergeben eine Auflösung von 223 Punkten pro Zoll. Das hatten auch E-Book-Reader der ersten Generation, die Schrift wirkt daher einen Hauch weniger konturenscharf als beispielsweise beim Kindle Oasis oder Tolino Epos2.

Der Speicher des Remarkable 2 fasst 8 GByte, was laut Hersteller für 100.000 Seiten reichen soll. Als Arbeitsspeicher stehen 1 GByte LPDDR3-RAM zur Verfügung, die ein mit 1,2 Gigahertz getakteter Dual-Core-ARM-Prozessor nutzt. Untermotorisiert ist das Tablet damit nicht. Lediglich beim nur stufig möglichen Zoomen in PDFs bummelt das Tablet. Der fest eingebaute Akku hielt im Test zwölf Tage mit intensiver Nutzung durch. Zum Laden liegt ein USB-C-Kabel bei, aber kein Netzteil.

Das kapazitive Display ist multitouchfähig. Mit den Fingern kann man zwar Textseiten umblättern, aber nicht schreiben oder radieren – dazu benötigt man einen Marker-Stift, der ab 59 Euro zu haben ist. Praktischer ist der 40 Euro teurere Marker-Plus, mit dem man Texte wie beim normalen Bleistift radieren kann. Beide Stifte haften magnetisch am Remarkable und benötigen keine Energiequelle, sind also stets verwendbar. Das Remar­kable erkennt 4096 Druckstufen sowie die Neigung des Stiftes, sodass sich das Schreiben im Bleistiftmodus ebenso realistisch anfühlt wie das Schwingen der verschieden dicken Kalligrafiefedern oder das Hervorheben von Wörtern mit dem Textmarker. Das Remarkable nutzt die gleiche Technik wie Samsung bei den Notes, die Stifte sind also austauschbar.

Der Marker-Plus hat einen Radiersensor dort, wo bei einem Bleistift der Radierer steckt.
Die Spitzen der Marker verschleißen mit der Zeit und sind teuer.

Kritzeln wird zu Text

Auf der etwas rauen Displayoberfläche gleitet der Stift wie auf Papier. So wie man Bleistifte ab und zu spitzen muss, so halten auch die weichen Kunststoffspitzen im Marker-Stift nur rund sieben Wochen intensiver Nutzung, bevor sie mit Fingerkraft oder einem Werkzeug gezogen und ersetzt werden müssen. Neun Spitzen kosten happige 14 Euro.

Das Schreiben gestaltet sich intuitiv: Sobald eine Notiz durch Antippen geöffnet ist, kann man loslegen. Ohne merkliche Verzögerung erscheinen Stiftbewegungen als Striche auf dem Display; die Latenz beträgt laut Hersteller 21 Millisekunden. So ergibt sich ein unmittelbares und sehr natürliches Schreibgefühl mit allen Freiheiten, die man auf Papier schätzt: Mal eben einen Text hinkrakeln, dann noch eine kleine Skizze aufs „Papier“ werfen? Einfach. Sie mit einer Legende versehen, wieder etwas darin herumradieren oder einen Teil mit unterschiedlichen Linienarten und -dicken hervorheben? Auch einfach.

Praktisch sind auch die vorgestalteten Lineaturen, Rechenkästchen, Notenblätter, Tabulaturen sowie Vorlagen etwa für perspektivische Zeichnungen und Abhaklisten. So lässt sich beispielsweise unterwegs mal eine Song-Idee festhalten oder ein ordentlich aussehendes, strukturiertes Memo skizzieren.

Wer schneller schreiben als tippen kann, wird womöglich die Umwandlungsfunktion nutzen: Textnotizen lassen sich in wenigen Sekunden in getippten Text konvertieren und zwar ausnehmend treffsicher. Selbst Texte, die der Verfasser selbst kaum noch entziffern konnte, entschlüsselte das Tablet. Das klappt allerdings nur mit einsprachigen Texten. Das Remarkable übersetzt zwar Handschriften aus 33 Sprachen, gemischtsprachige Texte überfordern es jedoch. Und: Die Erkennung funktioniert nur, wenn das Tablet über WLAN mit den Remarkable-Servern im Internet verbunden ist.

In puncto Sprachen zeigte sich indes ein gravierenderes Manko: Will man bearbeitete PDFs oder umgewandelte Notizen mit dem Tablet versenden, stößt man unweigerlich auf eine Bildschirmtastatur zum Eintragen der E-Mail-Adresse sowie den Betreff und womöglich etwas Begleittext. Die Bildschirmtastatur gibt es aber nicht mit deutschem Layout, sondern nur auf Englisch beziehungsweise Norwegisch. Umlaute im Text sind somit nicht möglich.

Von hinten durch die Brust ins Auge

Zum Übertragen von Dateien zwischen dem Remarkable und Computern (macOS oder Windows) sowie Smartphones (Android oder iOS) gibt es eine kostenlose Software zum Download. Damit verbunden ist auch eine Cloud des Herstellers zum automatischen Synchronisieren der Inhalte zwischen allen Geräten. Zurzeit ist sie kostenlos, die Anbieter behalten sich im Kleingedruckten aber kostenpflichtige Premium-Abos vor. Die Daten landen verschlüsselt auf Servern, die von Google gehostet werden, was die Cloud für hochsensible Anwendungen disqualifiziert. Das Gerät selbst lässt sich per Passwortsperre vor unbefugter Nutzung sichern.

Per Software lassen sich Inhalte auch am PC übertragen – ab Werk allerdings über die Remark­able-Cloud.

Ein einfaches Überspielen etwa von PDFs mit einem angestöpselten USB-C-Kabel ist etwas umständlich, gelingt aber ohne Cloudverbindung auch über den Browser und den Aufruf der Geräte-IP. Daraufhin öffnet sich eine Dateiliste im Browser und neue Dateien lassen sich per Drag & Drop übertragen. Will man die Cloudnutzung verhindern, sollte man die App nicht nutzen.

Fazit

Das minimalistische Remarkable ist kompromisslos auf die Nachbildung eines natürlichen Schreibgefühls ausgelegt. Es ist – dafür, dass man nicht sehr viel damit anstellen kann – recht teuer. Nachteilig sind fehlende Tastatursprachen und wünschenswert wäre die Verwendung beliebiger, auch privater Clouds. Ein unschätzbarer Vorteil ist aber, wie fokussiert und schnell man damit arbeiten und die Ergebnisse weitergeben kann. (mil@ct.de)

reMarkable 2
Schreib-Tablet
Hersteller Remarkable, www.remarkable.com
Abmessungen (L × B × H) / Gewicht 187 mm × 246 mm × 4,7 mm / 399 g1
Arbeitsspeicher / Speicherplatz 1 GByte LPDDR32 SDRAM/ 8 GByte
Display 10,3" monochrom E-Paper,1872 × 1404 Pixel (226 dpi)
Konnektivität WLAN (2,4 GHz, 5 GHz), USB-C
Preis 399 Euro
1 nur Gerät