Wachsames Auge

Fahrzeug-Dashcam mit Alexa und 4K

Wenn es mal gekracht hat, ­liefern Dashcams wichtige ­Informationen zum Unfall­geschehen. Das Topmodell von Nextbase kann automatisch einen Notruf absetzen und blickt mit zusätzlichen Kameras nicht nur nach vorn, sondern auch nach hinten.

Von Sven Hansen

Nextbase, britischer Spezialist für Autozubehör, zählt zu den Pionieren in Sachen Dashcams. Das derzeitige Port­folio umfasst neun Kameras mit unterschiedlichen Ausstattungsmerkmalen – angefangen vom Einsteigermodell 122 (90 Euro) bis hin zum hier getesteten Top­modell 622GW für 300 Euro.

Im Lieferumfang befindet sich außer der Dashcam auch das nötige Montagematerial: ein Stromversorgungskabel für den Zigarettenanzünder, zwei Halterungen für die Saugnapf- oder Klebemontage an der Windschutzscheibe und ein Verlegewerkzeug. Eine MicroSD-Karte zum Aufzeichnen der Videos muss man selber beisteuern, der integrierte Kartenleser der 622GW unterstützt maximal 128 GByte. Neben dem Bewegungssensor hat das Modell im Kamerafuß einen GPS-Empfänger und speichert auf Wunsch die Geoposition parallel zum Video ab.

Die Montage mit der Saugnapfhalterung ist besonders schnell erledigt. Allerdings zeigte unser Dashcam-Test in Kooperation mit dem ADAC (siehe c’t 20/2018, S. 110), dass die Halterungen im Falle eines Unfalles oft nachgeben. Besser ist es daher, die Klebehalterung zu nutzen.

Alle Nextbase-Kameras sind mit einer Click&Go-Halterung ausgerüstet, lassen sich also beim Verlassen des Fahrzeugs mit einem Handgriff entfernen. Das ist bequem, in puncto Zuverlässigkeit bei einem Aufprall allerdings eine weitere potenzielle Schwachstelle.

Die 622GW ist mit einem Akku (320 mAh) ausgestattet, der selbst dann Aufnahmen von bis zu 15 Minuten Dauer erlaubt, nachdem das Gerät in Folge eines Crashs vom Bordnetz getrennt wurde. Die Kamera lässt sich am geschalteten 12-Volt-Anschluss eines Zigarettenanzünders installieren oder mit Dauerstrom betreiben. Bei ersterer Variante fährt sie herunter, wenn man den Zündschlüssel zieht. Bei letzterer geht sie in den Standby, wenn sie einige Minuten keine Fahrzeugbewegung registriert. Die Dauerstrom­versorgung ist Voraussetzung für den Park-Modus, in dem das Gerät bei Erschütterungen – etwa durch einen Parkrempler – eine Aufnahme anlegt.

Softwaresache

Nach der Installation im Fahrzeug lässt die Kamera sich wahlweise direkt über das 3-Zoll-Touchdisplay oder über die für iOS und Android erhältliche MyNextbase-App konfigurieren. Die App verbindet sich per Bluetooth oder über den von der Dashcam aufgespannten WLAN-Hotspot.

Zunächst sollte man die Voreinstellung für die Videoaufzeichnung von „Max“ auf „Min“ setzen. Nur so arbeitet die Dashcam gemäß den hierzulande geltenden Datenschutzbestimmungen. In der Default-Einstellung nimmt sie Videoschnipsel auf, bis ihre Speicherkarte voll ist. Erst in der Minimalvariante überschreibt sie Videos in wählbarer Schleifengröße von 1 bis 3 Minuten automatisch. Nur wenn der Bewegungsmelder ein Ereignis registriert oder der Nutzer die prominente Taste unterhalb des Minidisplays betätigt, wird das Videofragment dauerhaft auf der Karte abgelegt.

Die MyNextbase-App zeigt eine Live-­Ansicht der Kamera, wenn sie sich mit deren WLAN-Hotspot verbunden hat.

In Kombination mit der App bietet die 622GW eine automatische Notruffunktion. Es lassen sich medizinische Daten und Informationen zum Fahrzeug hinterlegen. Registriert die Sensorik in der Dashcam einen Unfall, setzt die Kamera über das per Bluetooth gekoppelte Smartphone einen Notruf ab und übermittelt die Daten an die Leitstelle. Der Notrufdienst ist im ersten Jahr kostenlos, danach bezahlt man je nach Vertragsdauer zwischen 4 Euro und 2,22 Euro pro Monat.

Prominent in der Nextbase-App beworben wird die Unterstützung für Amazons Sprachassistentin Alexa, die wir zum Testzeitpunkt jedoch nicht voll einrichten konnten. Der entsprechende Skill war nur bei Amazon UK erhältlich und arbeitete den dortigen Bewertungen zufolge nicht richtig. Die deutsche Variante steht nach Angaben von Nextbase kurz vor ihrer Veröffent­lichung. Danach soll man die Dashcam über Alexa-Kommandos direkt steuern können. Per Bluetooth gekoppelt erkennt die Alexa-­App die 622GW immerhin schon als kompatibles Zubehör. Die Alexa-App im Smartphone ließ sich per Druck auf die Assistenzschaltfläche auf dem Dashcam-Display triggern.

Mit dem My Nextbase Player für Windows lassen sich die Dashcam-Videos am Rechner analysieren.

Mit dem kostenlosen My Nextbase Player für Windows analysiert, schneidet und teilt man Dashcam-Mitschnitte. Für letzteren Zweck stellt Nextbase eigenen Cloudspeicher bereit, auf dem man Videos für die Dauer von 30 Tagen kostenlos ablegen kann. Im Editor lassen sich Bildausschnitte gezielt vergrößern und Frame für Frame betrachten. Die parallel abgelegten Beschleunigungs- und Ortsdaten werden passend zum Video eingeblendet.

Die Dashcam zeichnet Videos in 4K mit bis zu 30 Bildern pro Sekunde auf, in Full-HD-Auflösung mit maximal 120 Bildern pro Sekunde. Die höhere Bildwiederholrate sorgt bei schnellen Bewegungen theoretisch für besseres Videomaterial durch mehr Einzelframes – in der Praxis lieferte jedoch die Einstellung mit 60 Frames pro Sekunde schärfere Ergebnisse, womöglich aufgrund einer besseren Einbindung des eingesetzten Codecs (H.264). Irritierend ist der Umstand, dass die diversen Video­einstellungen in der App sich von denen direkt am Gerät unterscheiden.

Als Zubehör bietet Nextbase seitlich ansteckbare Kameramodule an. Es gibt sie wahlweise in einer Weitwinkelausführung zur Beobachtung des Innenraums oder mit einem kleinen Teleobjektiv bestückt. Es filmt zwischen den Vordersitzen hindurch den rückwärtigen Verkehr – eine Art digitaler Rückspiegel. Es gibt auch eine klassische Rückfahrkamera, für deren Installation im hinteren Fahrzeugbereich ein Kabel durch den Innenraum zu führen ist. Nutzt man die 622GW mit Zusatzkamera, landen zwei separate Videos auf der Karte.

Fazit

Die 622GW ist eine solide Dashcam mit allerlei nützlichen Zusatzfunktionen. Dass man sie erst durch einen Menüeingriff in einen hierzulande legalen Betriebsmodus versetzten kann, ist misslich. In der Praxis wird sie der unbedarfte Nutzer einfach an die Windschutzscheibe bappen, wo sie munter vor sich hin filmt.

Im Idealfall muss man sich nach der Erstinstallation um nichts mehr kümmern und vergisst die 622GW nach einiger Zeit. Die Stunde des wachsamen Auges schlägt, wenn es bei einem Unfall den passenden Notruf absetzt, eine Fahrerflucht aufdeckt oder einen spektakulär verglühenden Kometen filmt. (sha@ct.de)

Nextbase 622GW
Dashcam
Hersteller Nextbase, www.nextbase.com
Lieferumfang Dashcam, Klebehalterung, Saugnapfhalterung, 12-Volt-Kabel
Display Touchdisplay (3 Zoll, 960 × 480 Pixel)
Kamera max. 3840 × 2160 Pixel bei 30 Frames
Akku 320 mAh (etwa 15 Minuten Video)
Zusatzfunktionen Alexa, what3words, Notruf
Abmessung / Gewicht 94 mm × 53 mm45 mm / 208 g
Preis 300 €