Ausgewachsener Videoprofi

Kompaktes Achtkanal-Bildmischpult Atem Mini Extreme

Die kompakten HDMI-Bildmischpulte der Atem-Mini-Familie sind während der Corona-Lockdowns als Preisschlager für Videostreaming bekannt geworden. Mit dem Atem Mini Extreme lassen sich sogar sehr viel teurere Studio-Bildmischer ersetzen.

Von Mirko Dölle

Der Atem Mini Extreme vereint mehrere Geräte in einem sehr kompakten Gehäuse: Bildmischer mit acht HDMI-Eingängen, digitales Audio-Mischpult, Rekorder und Streaming-Server. Das Pultgehäuse mit über 200 mehrfarbig hinterleuchteten Tasten macht das sonst in Studios übliche, mehrere tausend Euro teure Steuerungspult herkömmlicher Bildmischer überflüssig und erleichtert es, während Live-Übertragungen wie Game-Streams, Vorträgen oder Schulungen gezielt zwischen mehreren Kameras und Monitoren umzuschalten. Zusammen mit den neuen Media-Konvertern des Herstellers eignet sich der Mini Extreme sogar für professionelle Videostudios.

Die kostenlos erhältliche Steuerungssoftware Atem Studio Control dient im Wesentlichen dazu, den etwaigen Stream-Key einzugeben, Hintergründe hochzuladen, Bild-in-Bild-Einblendungen vorzubereiten oder Makros zu programmieren. Den Stream, die Aufnahme oder auch beides startet man dann per Knopfdruck am Bildmischpult. Dank der sechs Makrotasten wird man während des Streams nicht mehr davon abgelenkt, dass man wie bei anderen Atem Mini auf dem Steuerungsrechner per Maus das gewünschte Makro aus der Liste von insgesamt 100 Makros auswählen und dann starten muss. Bislang war die Alternative, sich ein externes Tastenfeld wie das knapp 150 Euro teure Elgato Stream Deck und zusätzliche Software anzuschaffen.

Viel für wenig Geld

Der Funktionsumfang des gut 900 Euro teuren Mini Extreme kann sich mit dem der um ein Vielfaches teureren Atem-Studio-Bildmischer messen: Der Extreme hat vier Upstream-Keyer für die Kombination mehrerer Videoquellen inklusive Super Source, wo etwa das Spielgeschehen von vier Spielern oder Teilnehmer einer Talk-Runde gleichzeitig nebeneinander zu sehen sind. Auch Luma- und Chroma-Keying erledigen die Upstream-Keyer, womit sich Blue- und Greenscreens einsetzen lassen. Außerdem gibt es zwei Videoprozessoren, die zum Beispiel das Videosignal einer Facecam herunterskalieren, und zwei Downstream-Keyer für Logos oder Texteinblendungen, zwei Media Player samt Mediathek mit 20 Speicherplätzen für Grafiken und nicht zuletzt das digitale Mischpult, das neben den acht Stereo-Kanälen der HDMI-Eingänge auch zwei analoge Mini-Klinkeneingänge besitzt, über die sich wahlweise zwei Stereo- oder vier Mono-Tonspuren von Mikrofonen oder einem externen Mischpult einspeisen lassen.

Neu ist der Kopfhöreranschluss, ein lange vermisstes Feature der Atem-Mini-Familie, mit dem der Ton in Echtzeit überwacht und eingepegelt werden kann. Dazu ist nicht einmal Software-Unterstützung erforderlich, das Pult bietet für alle Audio- und HDMI-Eingänge separate Tasten.

Profis im Blick

Eine der wenigen Beschränkungen des Mini Extreme gegenüber den Studio-Bildmischern ist, dass er höchstens Full HD mit maximal 60 Frames pro Sekunde liefert – die Studio-Bildmischer von Blackmagic Design beherrschen meist 4K. Außerdem haben sie SDI-Eingänge (Serial Digital Interface), womit sich in Videostudios auch große Distanzen zwischen Kameras und Bildmischer mit billigen Koaxkabeln überbrücken lassen. Für die Atem-Mini-Bildmischer musste man bislang auf die Pocket Cinema Camera 4K oder 6K zurückgreifen, die per HDMI angeschlossen werden. Mit den knapp 70 Euro teuren bidirektionalen 3G-SDI/HDMI-Konvertern [1] und der aktuellen Firmware können alle Mitglieder der Atem-Mini-Familie auch SDI-Kameras vollständig ansteuern, sodass man für den Mini Extreme in bestehenden Videostudios weder die Kameras noch die Verkabelung austauschen muss.

Die am Atem Mini Extreme angeschlossenen Kameras des Herstellers lassen sich ebenfalls direkt über das Pult steuern, jeder der Eingänge hat für Fokus, Gain, die Verschlusszeit und die Farbtemperatur eigene Tasten. So lässt sich der Autofokus bequem vor dem Bedienpult sitzend auslösen, indem man die „Focus“-Taste etwas länger gedrückt hält.

Trotz der über 200 Tasten lassen sich nicht alle Funktionen direkt am Atem Mini Extreme nutzen. Beispielsweise gibt es nur für einen der zwei Videoprozessoren Tasten, um bei Bildeinblendungen das zweite Fenster in einer der Bildschirmecken zu platzieren. Lediglich für zwei nebeneinander stehende Bilder, etwa in einer typischen Interview-Situation vor einem Hintergrund, gibt es eine separate Taste, die dann auch den zweiten Videoprozessor ansteuert. Praktisch wäre eine, um zwischen beiden Prozessoren umzuschalten. Von den insgesamt vier Upstream- und zwei Downstream-Keyern lässt sich über das Pult lediglich jeweils der erste ein- und ausschalten; die insgesamt 28 Bus-Auswahl-Tasten am oberen Rand des Panels bieten auch nur Zugriff etwa auf die Key-Quelle der ersten beiden Upstream-Keyer. Die Steuerungssoftware wird also durchaus noch gebraucht, in der Praxis reichen die vorhandenen Tasten aber aus, um einen Live-Stream ohne zusätzlichen Videoproducer zu bewältigen.

Anschlussfreudig

Auf der Rückseite hat der Atem Mini Extreme nun zwei voneinander unabhängige USB-C-Anschlüsse, die auch USB-Hubs unterstützen. Damit kann der kleine Bildmischer gleichzeitig als Webcam an einem Rechner dienen und parallel das Video auf einer USB-C-Festplatte oder -SSD aufzeichnen. Damit die Aufzeichnung nicht abbricht, wenn das Medium vollläuft, kann der Atem Mini mit mehreren Laufwerken umgehen und die Aufzeichnung nahtlos auf einem zweiten Medium fortsetzen.

Der rund 300 Euro teurere Atem Mini Extreme ISO ist sogar in der Lage, die Ton- und Bildsignale sämtlicher Eingänge sowie des Ausgangs gleichzeitig in separaten, per Timecode miteinander synchronisierten Dateien zu speichern. Außerdem stellt er automatisch eine Davinci-Resolve-Datei für jede Aufzeichnung bereit, die sämtliche Bildwechselsequenzen enthält. Das spart in der Post-Produktion enorm viel Zeit. Die passende professionelle Schnittsoftware Davinci Resolve gibt es kostenlos für Windows, macOS und Linux zum Download. Allerdings eignet sich nur die Windows-Version zur Nachbearbeitung der Aufzeichnungen – unter macOS und Linux fehlen in Davinci Resolve die vom Atem Mini verwendeten H.264-Codecs, weshalb sich die Videodateien nicht importieren lassen.

Blackmagic Design hat dem Atem Mini Extreme gleich zwei HDMI-Ausgänge spendiert. Einer dient üblicherweise als MultiView-Anschluss, um sämtliche Eingänge sowie die wichtigsten Betriebsparameter auf einem Bildschirm im Blick zu haben. Der zweite kann etwa für einen Beamer oder bei Vorträgen für einen Großbildmonitor benutzt werden. Für Game-Streams gibt es die Möglichkeit, das Signal eines HDMI-Eingangs mit besonders niedriger Latenz auf den zugehörigen HDMI-Ausgang durchzureichen. So ist es möglich, den Bildmischer direkt zwischen Grafikkarte und Monitor einzuschleifen, ohne die Konfiguration des Gaming-Rechners ändern zu müssen.

Bei der Streaming-Funktion gibt es keine Verbesserungen gegenüber dem älteren Mini Pro oder dem über 500 Euro teuren Web Presenter HD [2]: Noch immer bietet Atem Software Control nur wenige Dienste zur Auswahl an, neben YouTube, Twitch, Facebook und Twitter sind inzwischen auch Vimeo und Restream.io vertreten. Auch gibt es weiterhin nur drei Qualitätsstufen. Eine benutzerdefinierte Streaming-Konfiguration ist nicht in Sicht, allerdings hat Atem Software Control eine Import-Funktion für Streaming-Dienste: Mithilfe des Python-Projekts ATEMStreamingXML (siehe ct.de/yp58) können Sie eigene Stream-Konfigurationsdateien mit beliebigen Stream-URLs und individuellen Qualitätseinstellungen erzeugen, importieren und dann in Atem Software Control als weiteren Dienst nutzen.

Fazit

Der Atem Mini Extreme ist mit unter 1000 Euro ein Preisbrecher, für vergleichbare Bildmischer musste man in der Vergangenheit ein Vielfaches ausgeben. Mit seiner umfangreichen Ausstattung, die professionellen Geräten das Wasser reichen kann, eignet er sich für größere Videostudios, aber auch für Game-Streams, Talkrunden, Webinare oder virtuelle Konferenzen. (mid@ct.de)

Atem Mini Extreme
Achtkanal-HDMI-Bildmischpult mit integriertem Rekorder und Streaming-Server
Hersteller Blackmagic Design, www.blackmagicdesign.com
unterstützte Auflösungen Eingabe: 720p50 bis 720p60 und 1080p23,98 bis 1080p60; Ausgabe, Aufzeichnung und Stream: 1080p23,98 bis 1080p60
Anschlüsse 8 × HDMI in, 2 × HDMI out, 2 × USB-C, 2 × Stereo-Mini-Klinke (Mikrofon/Line), 1 × Stereo-Mini-Klinke (Kopfhörer), Ethernet
Preis ca. 900 bis 950 €

Stream-Konfigurator: ct.de/yp58