Tagesflüsterer

Headset Jabra Evolve2 75 mit ANC und Mikrofonarm im Test

Ein Büro-Headset soll ein gutes Mikrofon haben, ein Kopfhörer zu Hause bei Musik brillieren, und ein mobiler Kopfhörer soll das Rattern der U-Bahn ausblenden. Jabra versucht, das alles in einem Headset zu vereinen.

Von Jörg Wirtgen

Die ungewöhnlich großen On-Ear-Muscheln des Evolve2 75 bestehen aus einem harten Ring und einer weichen Mitte, die größer ist als der innere Bereich mancher enger Over-Ears – zu denen beispielsweise der große Bruder Evolve2 85 gehört. Dadurch trägt sich der Evolve2 75 komfortabel, wenn auch nicht so luftig wie diejenigen Over-Ears mit mehr als vier Zentimeter Innendurchmesser. Er wiegt rund 200 Gramm, das sind 20 Gramm mehr als beispielsweise die On-Ears Evolve2 65 oder Poly Focus 2 und 50 bis 100 Gramm weniger als Over-Ears mit Bluetooth.

Die Muscheln lassen sich um 90° drehen, aber nicht einklappen; besonders klein lässt sich der Evolve2 75 also nicht falten. Dass die dazu nötigen Minischarniere entfallen, kommt andererseits der Stabilität zugute. Eine vergleichsweise hübsche und robuste Transporttasche liegt bei, die zusätzlich das Smartphone oder ein Tablet bis 8 Zoll aufnimmt.

Klanglich liegt der Evolve2 75 eher beim großen Bruder: Kräftige, tief reichende, für die Preisklasse angemessen differenzierte Bässe, klare Höhen, unvergrummelter Gesang, ein etwas bemühtes Stereobühnchen. In der App (Android, iOS) oder der biedereren Windows- und macOS-Anwendung passt man den Klang per Equalizer dem eigenen Geschmack an. Die App führt zusätzlich auf Wunsch eine Hörprobe durch und erstellt ein individuelles, dann auf neutralen Klang ausgelegtes Profil. Das hinterlegt sie im Kopfhörer, sodass es auch ohne App aktiv bleibt. Die Büro-Headsets samt kleinem Bruder bläst der Evolve2 75 locker weg. Im Vergleich zu den Bluetooth-Kopfhörern derselben Preisklasse à la Audio-Technica M50xBT2, Sennheiser Momentum 3 oder Sony WH-1000XM4 fehlt vor allem Präzision.

Die Geräuschunterdrückung (Active Noise Cancelling, ANC) sorgt für angenehme Stille auch auf einer Zugfahrt während der Testphase. Sie gehört zu den besseren On-Ear-ANCs; gute Over-Ear-ANCs dämmen effektiver. Per Knopfdruck schaltet man auf den Transparenzmodus, der die Außengeräusche aktiv in die Musik einmischt, falls man mitbekommen möchte, dass Küchengeräte piepen, Paketboten klingeln oder Kollegen klopfen. Sowohl ANC als auch Transparenzmodus lassen sich in der App in fünf Stufen einstellen, zudem kann man beides ausschalten – und konfigurieren, zwischen welchen der drei Modi der Knopf an der linken Muschel umschalten soll.

Keine Störgeräusche

In der rechten Muschel ist der Mikrofonarm untergebracht, mit einem Griff klappt man ihn aus – das geht schneller als beim Evolve2 85, wo man klappen und drehen muss. Das Mikrofon liegt recht weit vom Mund entfernt, filtert dennoch Umgebungsgeräusche hervorragend weg: Kein Raumhall landet in der Aufnahme, kein Tastaturgeklapper, kein Stuhlgequietsche. An der leicht digital verzerrten Stimme merkt man, dass der DSP mehr zu tun hat als bei näher am Mund schwebenden Mikros – der Effekt ist aber weit weniger ausgeprägt als bei In-Ears oder Muschelmikrofonen. Für Podcasts reicht die Mikrofonqualität deswegen und wegen des durch Bluetooth beschränkten Frequenzumfangs nicht. Während Telefonaten und Videokonferenzen kann man die eigene Stimme in mehreren Stufen einblenden, was dem Evolve2 75 besser als vielen anderen Headsets gelingt.

Er verbindet sich per Bluetooth mit zwei Geräten gleichzeitig, sodass beispielsweise eingehende Smartphone-Anrufe die vom PC abgespielte Musik unterbrechen. Wie von anderen Jabra-Headsets gewohnt, kann man das Auto-Abweisen aktivieren: Nimmt man beispielsweise am PC an einer Teams-Sitzung teil, werden währenddessen einkommende Smartphone-Anrufe automatisch abgelehnt. Die Bluetooth-Verbindung brach erst eine Zimmerwand später als bei den meisten anderen Headsets ab.

Alternativ schließt man das Headset per USB-C an; es wird von Windows, macOS, iOS und Android sofort ohne Treiberinstallation erkannt – ebenso das Mikrofon, wenn auch nicht mit größerem Frequenzumfang als per Bluetooth. Ungewöhnlich: Bluetooth bleibt aktiv, nun sind also drei Verbindungen gleichzeitig möglich. Ein Analoganschluss fehlt.

Am Mikrofonarm findet man eine Mute-Taste, die auch in Videokonferenzanwendungen funktioniert. Die rechte Muschel hat drei erfühlbare Tasten für Start/Stopp, Lautstärke sowie durch Längerdrücken für Skip und Sprachassistent. Die Taste in der Mitte der rechten Muschel startet oder beendet Anrufe, ist sonst aber funktionslos; nur wenn man per USB oder per mitgeliefertem Bluetooth-Stick verbindet, öffnet sie Teams (oder in der UC-Version des Headsets die entsprechende Software) und beendet Teams-Calls.

Eine LED in den Muscheln zeigt auf Wunsch laufende Gespräche an – als Bitte an Personen in der Umgebung, einen nicht anzusprechen. Wer Gespräche im Gegenteil besonders dezent führen möchte, etwa unterwegs, kann auch mit hochgeklapptem Mikrofonarm telefonieren – dann mit der bei Muschelmikrofonen üblichen Überempfindlichkeit für Störgeräusche.

Legt man den Kopfhörer ab oder um den Hals, stoppt die Musik zuverlässig und spielt beim Aufsetzen weiter; Anrufe schalten das Mikrofon stumm. Ausgelöst wird das durch einen Näherungssensor in den Muscheln; irrt er aufgrund spezieller Brillen-, Frisur- oder Ohrkonstrukte zu häufig, lässt er sich abschalten.

Als Zubehör gibt es eine Ladestation mit USB-Anschluss, in der die linke Muschel magnetisch hält. Zudem sind Ersatzpolster erhältlich. Die Akkus lassen sich allerdings leider nicht wechseln.

Im normalen Modus (rot) fehlt dem Evolve2 75 Bass im Vergleich zu unserer Referenz (gelb, Sennheiser HD600), im V-förmigen Equalizer-Modus „eingeschaltet“ (grün) sieht es bis auf den Subbass besser aus.

Fazit

Guter Klang, gutes Mikrofon, bequemer Sitz, zeitgemäße Bluetooth-Technik, guter Transparenzmodus – da bleibt nicht viel auf der Wunschliste. NFC, kompaktere Packmaße und ein Analogeingang vielleicht; mehr ANC und besserer Klang gehen natürlich immer. Als Over-Ear wäre der Evolve2 75 zwar bequemer, aber schwerer und größer. So kommt er dem idealen Hybriden für Unterwegs, Büro und Unterhaltung sehr nahe.

Die Kontrahenten Evolve2 65 und Logitech Zone Wireless musiziert er an die Wand. Hauptkonkurrent dürfte der Poly Voyager Focus 2 (siehe Test in c’t 17/2021, S. 84) mit ähnlicher Bluetooth-, Musik- und Mikrofonqualität sein. Dessen größter Vorteil ist das rechts und links tragbare Mikrofon, zudem wiegt und kostet er weniger. Beim Evolve2 75 bekommt man USB-C statt Micro-USB, das bessere ANC, die praktikablere Steuerung und den besseren Transparenzmodus. (jow@ct.de)

Jabra Evolve2 75
On-Ear-Headset mit Mikrofonbügel
USB / analog USB-C (Laden, Audio, Mikrofon) / –
Verbindung Bluetooth 5.2 (Multilink, Codecs AAC, SBC)
Gewicht 201 g
Muschelgröße (B × H) 70 mm × 78 mm (weicher Bereich 44 mm × 50 mm)
Lieferumfang Transporttasche, Kabel USB-C auf USB-A (1,2 m), Bluetooth-Dongle
Bewertung
Mikrofon plus
Klang plus
Geräuschunterdrückung plus
Tragekomfort plus
Straßenpreis 240 € (290 € mit Ladestation)
plusplus sehr gut plus gut neutral zufriedenstellend minus schlecht minusminus sehr schlecht ✓ vorhanden – nicht vorhanden