Bild: Thorsten Hübner

Solarmeter

Balkonkraftwerke: Stromproduktion messen

Echtzeitauswertung der heimischen Sonnenstromproduktion bereitet nicht nur Freude über den Ertrag, sie hilft auch bei der Eigenverbrauchsmaximierung. Das beschleunigt die Amortisation. Von Messsteckdose bis Zwischenzähler: diese Optionen haben Sie.

Von Andrijan Möcker

Balkonkraftwerke – kleine Photovoltaikanlagen für den Eigenverbrauch – sind gerade stark nachgefragt. Denn mit günstigen Solarmodulen und unkomplizierten Mikrowechselrichtern kann man die Sonnenenergie leicht anzapfen. Wenn Sie neu im Thema sind: In c’t 15/2022 lesen Sie die Grundlagen und in c’t 17/2022 alles Wichtige über Wechselrichter.

Damit sich Ihr Solarkraftwerk schnell bezahlt macht und dem Netzbetreiber nicht zu viel Strom schenkt, den Sie am Ende teuer wieder aus dem Netz einkaufen, sollten Sie Ihren Eigenverbrauch anpassen – also stromdurstige Geräte genau dann betreiben, wenn ihre Photovoltaikanlage am meisten produziert. Das geht am besten, wenn Sie Ihren Verbrauch, die Produktion des Balkonkraftwerks und den daraus resultierenden Überschuss genau kennen. Gleichzeitig erlaubt es Ihnen, den Tag zu feiern, an dem sich die Anlage amortisiert. Ab dann zapfen sie kostenlosen Sonnenstrom. Mit passender Software können Sie Schaltentscheidungen sogar automatisieren.

Zähler auslesen

Um den eigenen Verbrauch und den Überschuss genau zu ermitteln, braucht man eine Messmöglichkeit am Netzübergang, also am Stromzähler. Interessiert Sie ausschließlich die Produktion Ihres Balkonkraftwerks, können Sie im Abschnitt „Integrierte Messeinrichtungen“ weiterlesen.

Besitzen Sie bereits einen digitalen Stromzähler statt eines (mechanischen) Ferrariszähler mit Rücklaufsperre, besteht die Chance, dass das Auslesen sehr einfach ist: Viele dieser Zähler haben eine DIN-EN-62056-21-Schnittstelle – eine serielle Schnittstelle, die mit Infrarotlicht arbeitet; sie besitzt in der Regel einen Metallring, sodass magnetische Leseköpfe daran haften. Erkennen kann man sie meist an der Beschriftung „Info Dss“ (Info Datenschnittstelle) und zwei nebeneinander sitzenden Öffnungen. Bei vielen Zählern ist sie bereits aktiv und wirft in kurzen Abständen den Zählerstand aus. Um die aktuelle Wirkleistung zu erhalten, benötigt man bei nahezu allen Zählern eine PIN – diese erhält man vom Netzbetreiber entweder über ein Webformular oder eine formlose E-Mail mit Adresse und Zählernummer. Je nach Zähler muss man dann mit der PIN im Menü die erweiterten Informationen aktivieren oder die PIN deaktivieren, um das erweiterte Datenpaket mit der Wirkleistung zu erhalten. Meist geben es die Zähler im Ein- bis Zwei-Sekunden-Takt aus. Genauere Informationen finden Sie auf der Seite Ihres Messstellenbetreibers und in der Bedienungsanleitung Ihres Zählers.

Um die Datenpakete der Infrarotschnittstelle in einen Rechner zu befördern, benötigen Sie einen passenden Adapter – auch Lesekopf genannt. Fertige Produkte sind noch rar: Powerfox bietet den WLAN-fähigen Poweropti mit cloudbasierter Smartphone-App für 90 Euro; von Alpha-Omega gibt es den LoRaWAN-Adapter Klax, der in der IoT-Plattform Datacake integriert ist, allerdings nur alle paar Minuten sendet – er kostet 150 Euro.

Große Auswahl haben Sie, wenn Sie zu mehr als zu einer App-Installation bereit sind: Es gibt USB-Adapter, UART-Adapter mit Lötkontakten und WLAN-Leseköpfe. Viele herstellerunabhängige Smart-Home-Zentralen unterstützen gängige Datenformate bereits und nehmen diese an seriellen Schnittstellen entgegen. Los gehts ab etwa 15 Euro für UART-Adapter; die Adapter kommen entweder mit Lötstellen an der Platine oder offenen Kabelenden und arbeiten mit 3,3 oder (seltener) 5 Volt. Solange der Ausgangspegel 3,3 Volt nicht übersteigt, kann man sie direkt an günstige Mini-Rechner beziehungsweise Mikrocontroller wie den Raspberry Pi oder den ESP8266 anschließen. Wer sowieso plant, einen Raspberry Pi im Hutschienengehäuse in den Zählerschrank zu bringen, kann die Zählerschnittstelle kostengünstig direkt über die Pinleiste anklemmen.

Fehlt der Lötkolben daheim, besorgt man sich ab etwa 22 Euro eine USB-Variante. Sie simuliert eine serielle Schnittstelle, die mit nahezu jedem Betriebssystem anstandslos zusammenspielt. Das ergibt auch Sinn, wenn bereits ein Server irgendwo im Schrank steht und Smart-Home-Aufgaben erledigt. Über USB-RJ45-Adapter verlängert man die Zuleitung wahlweise um bis zu 50 Meter und spart sich so einen weiteren Verbraucher und ein weiteres System, das gewartet werden will.

Der rund 35 Euro teure Hichi-WLAN-Lesekopf besteht aus einem ESP8266 mit der Open-Source-Firmware Tasmota und einer Adapterplatine für Infrarot. Er wird magnetisch auf die bei vielen Zählern vorhandene Info-Schnittstelle gesetzt und per Micro-USB mit Spannung versorgt.
Der rund 35 Euro teure Hichi-WLAN-Lesekopf besteht aus einem ESP8266 mit der Open-Source-Firmware Tasmota und einer Adapterplatine für Infrarot. Er wird magnetisch auf die bei vielen Zählern vorhandene Info-Schnittstelle gesetzt und per Micro-USB mit Spannung versorgt.

Besonders praktisch ist der Lesekopf des Unternehmers Hicham Belmadani (bei eBay: hicbelm-8): Er hat eine Infrarot-Adapterplatine konstruiert, die die ESP8266-Variante ESP01s aufnimmt und per Micro-USB mit Spannung versorgt wird. Für rund 33 Euro bekommt man das WLAN-fähige Komplettpaket mit vorinstallierter Open-Source-Firmware Tasmota. Sie spannt in der Werkskonfiguration ein eigenes WLAN auf und muss per Weboberfläche mit dem heimischen Funknetz bekannt gemacht werden. Anschließend recherchiert man im Netz nach dem passenden Skript für den Stromzählertyp. Damit zeigt Tasmota die Leistungsdaten auf der Hauptseite an und überträgt diese auf Wunsch auch über das Telemetrieprotokoll MQTT (siehe c’t 6/2018, S. 164) als JSON. Beides können viele herstellerunabhängige Smart-Home-Zentralen verarbeiten.

Zwischenzähler

Ist noch kein digitaler Zähler eingebaut, können Sie beim Messstellenbetreiber um eine Installation bitten beziehungsweise fragen, für wann dieser eine Installation plant. Die durch den Messstellenbetreiber angestoßene Installation ist in der Regel kostenlos. Sind Sie mit dem vorhandenen Zähler zufrieden, können Sie auch einen Zwischen- oder Wandlerzähler installieren – oder einbauen lassen, wenn Sie keine Elektrofachkentnisse haben.

Wandlerzähler nutzen ums Kabel geklemmte Wandlerspulen, die das am stromführenden Kabel entstehende Magnetfeld in eine Spannung beziehungsweise einen Strom konvertieren, der wiederum vom Wandlerzähler gemessen wird. Sie kommen oft zum Einsatz, wenn hohe Ströme von über 100 Ampere gemessen werden sollen, sind aber auch für unkomplizierte Zwischenmessung eine Option: Shelly bietet den rund 120 Euro teuren 3EM an, einen Messwandlerzähler mit WLAN und 50- oder 120-Ampere-Messwandlern im Format eines Sicherungsautomaten (eine Teilungseinheit). Er hat ein Webinterface und spricht auch MQTT.

Kleinere Ströme bis 65 Ampere – eine typische Anschlussgröße für ein Ein- bis Zweifamilienhaus – messen digitale Zwischenzähler direkt. Sie müssen jedoch zwischen dem offiziellen Stromzähler und den Verbrauchern sitzen. Deshalb ist die Installation etwas aufwendiger. Zwischenzähler mit WLAN sind selten; etabliert ist das zweidrahtige RS485 (serielle Schnittstelle für lange Kabel) mit Modbus-Protokollaufsatz, das man etwa per USB-Adapter an einen (Raspi-)Server anschließen kann. Auch einige herstellerunabhängige Smart-Home-Zentralen wie Home Assistant, Node-Red oder openHAB sprechen Modbus und liefern dazu gute Dokumentation.

Unter anderem Eastron und Wago liefern Zwischenzähler mit Modbus-Schnittstelle ab etwa 60 Euro. Wer für die Solaranlage sowieso in die Unterverteilung eingreift, kann auch gleich einen kleineren Zwischenzähler für den Solarstrom installieren: Eastron etwa hat auch kleine einphasige Zähler wie den SDM120 im Sortiment.

Digitale Stromzähler zum einfachen Installieren auf der Hutschiene gibt es etwa von Eastron. Sie sind praktisch, wenn der Zähler des Messstellenbetreibers keine Schnittstelle hat und eignen sich auch bei festverdrahteten Photovoltaikanlagen. Auslesen kann man sie meist per Modbus.
Digitale Stromzähler zum einfachen Installieren auf der Hutschiene gibt es etwa von Eastron. Sie sind praktisch, wenn der Zähler des Messstellenbetreibers keine Schnittstelle hat und eignen sich auch bei festverdrahteten Photovoltaikanlagen. Auslesen kann man sie meist per Modbus.

Integrierte Messeinrichtungen

Nahezu alle Hersteller von Wechselrichtern bieten Modelle mit integrierter Messeinrichtung an. Sie sind der einfachste Weg, um an die Leistungsdaten der Photovoltaikanlage zu kommen.

Mikrowechselrichter werden meist über Funk oder Powerline (Daten per Stromleitung) mit einer Bridge verbunden, die dann entweder selbst Monitoringfunktionen besitzt oder die Daten an die Herstellercloud weiterleitet. Integrierte WLAN-Schnittstellen sind seltener und kamen uns bislang nur bei den nahezu baugleichen Mikrowechselrichtern von Bosswerk und Revolt unter.

Wer nur auf dem Smartphone die Leistungsdaten überwachen will, dürfte mit den Apps der Herstellers auskommen. Wer die Daten aber in sein Smart-Home einbinden und damit Schaltentscheidungen treffen möchte, sollte genau darauf achten, ob der Hersteller eine offene und dokumentierte Anwendungsschnittstelle (API) bietet. Nicht alle Hersteller haben auf dem Schirm, dass einige ihrer Kunden mehr als schicke Diagramme wollen und so scheitert das Integrationsprojekt am Ende mangels dokumentierter Schnittstelle.

Die Solarman-App, die bei WLAN-fähigen Wechselrichtern von Pearl, Bosswerk & Co. zum Einsatz kommt, liefert unkompliziert Leistungswerte. Das nicht änderbare WLAN-Passwort ist indes kritisch und man muss tricksen, um die Daten ins Smart Home einzubinden.
Die Solarman-App, die bei WLAN-fähigen Wechselrichtern von Pearl, Bosswerk & Co. zum Einsatz kommt, liefert unkompliziert Leistungswerte. Das nicht änderbare WLAN-Passwort ist indes kritisch und man muss tricksen, um die Daten ins Smart Home einzubinden.

Messsteckdosen

Wer sowieso plant, sich der Norm zu widersetzen und das Balkonkraftwerk per Schutzkontaktstecker statt per Einspeisesteckdose (Wieland RST20i) anzuschließen, kann den Ertrag auch einfach mit einem Schuko-Zwischenstecker erfassen. Jedoch messen nicht alle Energiekostenmessgeräte in diesem Spezialfall zuverlässig und genau.

Wer eine aktuelle Fritzbox mit DECT einsetzt, hat es besonders einfach: AVMs Zwischenstecker Fritz!DECT 200 (Innenraum) und 210 (Außen, IP 44) messen Einspeisung wie Entnahme zuverlässig und AVM hat grundlegende Auswertungsfunktionen wie Diagramme in FritzOS integriert. Auch in einigen Smart-Home-Zentralen findet man fertige Plugins für AVMs Messadapter, die die Daten dann von der Fritzbox abrufen. Voraussetzung ist allerdings, dass die DECT-Basis der Fritzbox bis zum Installationsort der Steckdose funkt – das prüft man vorab einfach mit einem DECT-Telefon. Die FritzDECT 200 kostet rund 60 Euro, die FritzDECT 210 zwischen 60 und 80 Euro.

Eine Open-Source-Messsteckdose mit WLAN bekommt man von Delock: Die 11827 liefert der Hersteller mit der quelloffenen ESP8266-Firmware Tasmota aus. Sie spricht somit das Telemetrieprotokoll MQTT und kann darüber in viele Smart-Home-Zentralen integriert werden. Manko: TLS für verschlüsseltes MQTT findet aufgrund des begrenzten Speichers des ESP8266 keinen Platz und das Gehäuse erfüllt keine Schutzklasse. Der Preis von rund 20 Euro ist jedoch unschlagbar und in unserem Versuchen auf dem Verlagsdach bewies die 11827, dass sie die Einspeisung recht genau misst.

Delocks 11827 ist einer der wenigen WLAN-Messzwischenstecker, der mit vorinstallierter Open-Source-Firmware ohne Cloud kommt – in diesem Fall Tasmota. Seine Einspeisemessfähigkeit hat er auf dem Heise-Dach bereits bewiesen.
Delocks 11827 ist einer der wenigen WLAN-Messzwischenstecker, der mit vorinstallierter Open-Source-Firmware ohne Cloud kommt – in diesem Fall Tasmota. Seine Einspeisemessfähigkeit hat er auf dem Heise-Dach bereits bewiesen.

Wer es lieber professionell und mit physischem Netzwerkanschluss möchte, findet bei Gude – einem Hersteller von IP-Mess- und Schaltprodukten – die 1105-1 und 1105-2. Sie unterscheiden sich nur beim Wechselspannungsanschluss: Erstere ist die Schuko-Variante, Letztere die mit C13-/C14-Anschluss (Kaltgerätebuchse und -stecker). Beide haben je einen Fast-Ethernet-Anschluss und liefern ihre Messdaten per Webinterface, REST API, SNMP, Modbus TCP und MQTT aus. Außerdem besitzen sie einen weiteren Port für separat erhältliche Atmosphärensensoren. Eine IP-Schutzklasse erfüllt das Gehäuse aber nicht. Der Preis ist höher als bei den vorherigen Steckdosen: Gude verlangt rund 250 Euro.

Zwar wurde bei unserem Test in c’t 10/2019 nicht geprüft, ob die 1105-Serie auch Einspeisung korrekt messen kann, der Hersteller sagte jedoch auf Anfrage, dass man dies bereits erfolgreich getestet habe.

Software

Wer seine Schaltentscheidungen nicht nur manuell und grob nach Gefühl, sondern automatisiert nach tatsächlichen Messwerten und der Wettervorhersage treffen möchte, muss zwangsläufig weitere Software einsetzen; das können reine Messsysteme in der Regel nicht. Zwar gibt es auch fertige Komplettprodukte, dabei muss aber meist alles aus einer Hand stammen. Wer herstellerunabhängig Hardware zusammenbringen und darüber schalten möchte, benötigt eine herstellerunabhängige Smart-Home-Zentrale: Ob nun FHEM, Home Assistant, openHAB, Domoticz oder Node-Red – da scheiden sich die Geister. Am Ende hilft nur: Alles ausprobieren und den Liebling behalten.

In der Redaktion ist die Automationssoftware Node-Red sehr beliebt: Sie hat eine Flussdiagramm-basierte Programmieroberfläche; Schnittstellen zu vielen anderen Systemen kann man im Handumdrehen nachinstallieren und einfache Visualisierung ist auch integriert. Node-Red ist besonders interessant für alle, die wenig bis gar nicht programmieren möchten und mit grafischen Oberflächen besser klarkommen. Mit ihr kann man Schaltentscheidungen also leicht zusammenklicken und Hardware aller Couleur „verheiraten“. Node-Red behandelt zudem alles, was zwischen den Nodes weitergereicht wird, als Objekt. Auf diese Weise kann man unkompliziert zwischen Schnittstellen übersetzen – etwa zwischen der Anwendungsschnittstelle eines Wechselrichterherstellers und einer influx-Datenbank, die man wiederum mit Grafana für Datenvisualisierung einsetzt. In den Literaturverweisen finden Sie einige Artikel zum Thema. (amo@ct.de)