Bild: Albert Hulm

Frei verbunden

Drei Open-Source-Fernwartungsprogramme zum selbst Hosten im Vergleich

Fernwartungssoftware, die Ihnen bei Privatbenutzung keine geschäftliche Verwendung unterstellt und bei geschäftlicher Nutzung kein Geld abknöpft – das gibts! Denn die drei Programme im Test, mit denen Sie Familie und Freunden bei PC-Problemen helfen, sind quelloffen und zum Selberhosten.

Von Jan Schüßler

Die meisten denken beim Begriff „Fernwartung“ automatisch zuerst an TeamViewer oder AnyDesk. Für unseren Eindruck nimmt die Beliebtheit der gleichnamigen Herstellerfirmen immer weiter ab, sei es wegen der Preispolitik oder weil Privatanwendern bei regelmäßiger Verwendung immer wieder mal kommerzielle und damit unlizenzierte Benutzung vorgeworfen wird. Nun könnte man einfach zu einem der vielen alternativen und meist kostenpflichtigen Konkurrenzprodukte greifen, die wir in [1] getestet haben. Viel spannender finden wir es aber, die Chance zu ergreifen und gleich selbst eine Fernwartungssoftware zu hosten. Als positiver Nebeneffekt ist die Open Source und frei von Werbung – und man weiß, dass der Server vertrauenswürdig ist. Deshalb schauen wir uns in diesem Artikel zunächst selbst hostbare Fernwartungssoftware an und erklären im nachfolgenden Beitrag, wie Sie den Server installieren und konfigurieren.

Eine wichtige Anforderung an Testkandidaten ist eine Eignung sowohl, um PC-Support so zu leisten, dass der Hilfesuchende dabei zuschauen kann, als auch für einen unbeaufsichtigten Zugriff, bei dem sich der Helfer selbst aus der Ferne auf den Rechner schalten kann. Aus diesem Grund scheidet auch die konventionelle Remotedesktopverbindung (RDP) mit Windows-Bordmitteln aus – sie erfordert die Anmeldung mit einem Benutzerkonto, das auf dem PC bereits existiert. Unsere Wahl fiel auf drei Testkandidaten: MeshCentral, Remotely und RustDesk. Während MeshCentral und RustDesk eine deutsche Oberfläche bieten, ist Remotely komplett auf Englisch.

Was Sie brauchen

Damit ein Helfer aus der Ferne den Rechner von jemandem, der Hilfe sucht, bedienen kann – ist Software an drei Stellen nötig. Erstens auf dem zu wartenden System (Ziel-PC), das den Bildschirminhalt an den Rechner des Helfers übermittelt und Maus- und Tastatureingaben von ihm entgegennimmt. Zweitens braucht auch der Helfer Software – entweder ebenfalls ein lokales Programm, das Verbindungen anfragt, Bildschirminhalte darstellt und so weiter, oder in Form eines Webbrowsers, wenn die Fernwartungssoftware als Webdienst bereitgestellt wird. Drittens ist ein Verbindungsserver nötig, der Helfenden und Hilfesuchenden zusammenbringt.

Kurz zu den Begrifflichkeiten: Fernwartungssitzungen, bei denen der Hilfesuchende nichts installiert, sondern nur ein Tool startet, nennen wir Ad-Hoc-Sitzungen. Die Entwickler nennen die dafür und für den unbeaufsichtigten Zugriff jeweils nötigen Tools unterschiedlich: Bei Remotely gibt es einen „Portable Instant Support Client“ und einen „Resident Agent“, RustDesk bietet einen rein portablen und einen normalen Client (wobei letzterer nach Wunsch auch ohne Installation läuft). MeshCentral bietet ebenfalls einen „Agent“, der sowohl mit als auch ohne Installation laufen kann, sowie speziell für Ad-hoc-Verbindungen zu Windows den „Assistant“.

Alle drei bieten Clients für Windows, Linux und macOS; RustDesk auch welche für Android und iOS. Hier und dort gibt es Einschränkungen; so ist zum Beispiel auf Linux-Desktops kein Fernzugriff möglich, wenn der Desktop im Wayland-Modus läuft. Weil eine deutliche Mehrzahl an Hilfe suchenden Anwendern vor einem Windows 10 oder 11 sitzen dürfte, haben wir das Gros der Tests mit Windows als Fernzugriffsziel durchgeführt.

Unterschiedliche Konzepte

RustDesk ist eine Software, die visuell an TeamViewer und AnyDesk erinnert: links ein Bereich mit einem acht- bis zehnstelligen Zifferncode, rechts daneben ein Überblick über die zuletzt verbundenen Rechner.

MeshCentral und Remotely hingegen brauchen aufseiten des Helfers keine Client-Software: Alles läuft bequem im Browser; Kompatibilitätsprobleme konnten wir keine feststellen. Die Unabhängigkeit von der Installation eines Clients bringt den Vorteil großer Flexibilität mit sich: Fernwartung ist überall dort möglich, wo man Zugriff auf einen Browser hat, nur sollte der vertrauenswürdig sein – also nicht gerade auf einem ungeschützten öffentlichen PC im Hotel laufen.

Hürdenlauf

Die Weboberflächen von MeshCentral und Remotely bringen einen Vorteil für den Hilfesuchenden mit: Sie bieten auch Landingpages beziehungsweise individuelle Links zu Downloadseiten, auf denen man die passende Clientsoftware direkt herunterlädt. Die individuelle Server-URL und der korrekte Schlüssel zur Authentifizierung am Server sind direkt in den Download eingebacken.

Den RustDesk-Client hingegen laden die Nutzer in unpersonalisierter Form aus RustDesks GitHub-Repository oder von der Webseite herunter. Startet der Hilfesuchende den Client, muss er die Daten Ihres Servers – Domain oder IP-Adresse sowie den einen öffentlichen Schlüssel – von Hand in die Einstellungen eintragen. Das ist Aufwand, den Sie ihm abnehmen können, indem Sie Server-URL und Schlüssel in den Dateinamen des Clients packen – das klappt allerdings nur für Windows-Wartungsziele (mehr dazu auf S. 86).

Talentvergleich

Manches beherrschen alle drei Kandidaten, zum Beispiel die Übertragung von Dateien zwischen beiden Rechnern per Assistent oder per Drag & Drop, Chatfenster sowie eine gemeinsame Zwischenablage für Text.

Bei der Zwischenablage tun sich die ersten Unterschiede auf. MeshCentral hatte keine Probleme mit dem Kopieren und Einfügen von Text, Grafik (etwa aus Screenshot-Tools) und Dateien; RustDesks Zwischenablage mag keine Grafikinhalte und Remotely übertrug nur Textmaterial verlässlich. Auch können alle Kandidaten Tastenkombinationen wie Strg+Alt+Entf per Klick übertragen, was aber nicht in allen Szenarien verlässlich funktioniert – mit Remotely zum Beispiel funktioniert Strg+Alt+Entf nicht, solange der Befehl in einer Ad-hoc-Session ohne installierten Client ausgelöst wird.

In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, eine Fernwartungssitzung als Video aufzuzeichnen. Auf Anhieb kann das nur Remotely mit einer Schaltfläche im linken Ausklappmenü einer aktiven Sitzung. Die Bedienung ist fehleranfällig: Beendet man eine Aufzeichnung und startet dann eine neue, ohne zuvor per Klick auf „Download“ das aufgezeichnete Video herzunterzuladen, wird die vorherige Aufnahme einfach überschrieben. MeshCentral kann prinzipiell auch aufzeichnen, die Fähigkeit dazu muss dem Server allerdings schon bei der Einrichtung mitgegeben werden (siehe Artikel ab S. 84).

Lassen Sie sich nicht von der etwas altbackenen Optik täuschen – MeshCentral ist das mächtigste Fernwartungssystem im Test.
Lassen Sie sich nicht von der etwas altbackenen Optik täuschen – MeshCentral ist das mächtigste Fernwartungssystem im Test.

Für alle drei Kandidaten gilt: Installiert man den Client auf dem zu wartenden Rechner, gibt es keinerlei Probleme mit der Windows-Benutzerkontensteuerung (User Account Control, UAC) – das passiert im Regelfall beim Ändern von Systemeinstellungen, Installieren und Entfernen von Programmen und so weiter. Der abgedunkelte Bildschirm mit der Ja/Nein-Abfrage wird anstandslos übertragen und reagiert auch auf Eingaben.

UAC? O weh, o weh!

Alle drei bekommen jedoch Probleme mit dem UAC-Dialog, wenn sie portabel ausgeführt werden – also nicht installiert sind. Ohne Installation, zum Beispiel bei einer einmaligen Ad-hoc-Session, verhalten sich die Clients etwas unterschiedlich.

Benutzt der Hilfesuchende den MeshCentral-Agent, reißt die Verbindung ab, sobald man eine UAC-Abfrage triggert, was sich immerhin mit dem Befehl uac interactive in der MeshCentral-Konsole beheben lässt. Aus der Ferne bedienen kann man Fenster mit erhöhten Rechten dann aber trotzdem nicht; jemand muss vor Ort UAC bestätigen.

Wesentlich besser eignet sich für Ad-hoc-Sessions der MeshCentral-Assistant. Einen Download-Link dafür generieren Sie in der Weboberfläche von MeshCentral in der Gruppenansicht mit der Schaltfläche „Einladen“ und Auswahl von „MeshCentral Assistent“. Über den generierten Link kann die Gegenseite den Assistant herunterladen und ausführen. Das Tool erzeugt ein Icon im Infobereich der Taskleiste, über das die Gegenseite Hilfe anfordern kann; der Helfer sieht eine Pop-up-Nachricht in der MeshCentral-Verwaltung. Für Ad-hoc-Sitzungen ist diese Variante vor allem deshalb charmant, weil beim Beenden der Supportanfrage jegliche Verbindung zum MeshCentral-Netz beendet wird – der Supporter sieht nicht mehr, ob der PC überhaupt online ist. Damit der Umgang mit UAC-Abfragen einigermaßen gut funktioniert, muss der Hilfesuchende das Tool per Rechtsklick mit Adminrechten starten. Tritt dann während der Fernwartung ein UAC-Dialog auf, muss er vor Ort die Abfrage bestätigen; danach kann der Helfer das Programm mit den erhöhten Rechten aus der Ferne bedienen. Letzteres ist nicht möglich, wenn der MeshCentral-Assistant ohne Administratorrechte läuft: Der Helfer würde Programmfenster mit erhöhten Rechten zwar sehen, nicht aber bedienen können.

Bei Remotely ist das UAC-Verhalten konsistenter: In Ad-hoc-Sitzungen müssen Abfragen vor Ort abgenickt werden, Programme mit Adminrechten sind danach aber problemlos bedienbar. Den Client explizit mit Adminrechten zu starten ist nicht erforderlich – er fragt automatisch danach.

RustDesk verhält sich ähnlich: Portabel und ohne Adminrechte setzt die Verbindung bei einer UAC-Abfrage aus; aus der Ferne ist der Rechner erst wieder benutzbar, wenn das Programmfenster mit den erhöhten Rechten durch einen Benutzer vor Ort geschlossen oder minimiert wird. Den Client von vornherein per Rechtsklick mit Adminrechten zu starten, spart Scherereien: Auch mit RustDesk will die Abfrage vor Ort abgenickt werden, danach ist das betreffende Programm auch fernbedienbar.

Fazit

Jeder der Kandidaten hat Stärken und Schwächen. In Sachen Funktionsumfang ist MeshCentral das mächtigste der drei Tools, es ist flexibel einstellbar und bietet eine praktische Übersicht über einen ganzen PC-Fuhrpark. Auch der spezielle MeshCentral-Assistant für Ad-hoc-Sitzungen findet Gefallen. RustDesk ist vor allem praktisch für Hilfesuchende, die sehr ans Aussehen von TeamViewer oder AnyDesk gewöhnt sind und sich möglichst wenig umgewöhnen möchten. Und Remotely? Die Weboberfläche für Admins dürfte aus unserer Sicht gerne übersichtlicher sein – sicher spielt da auch der individuelle Geschmack eine Rolle.

Remotely zeigt allerdings keine deutsche Oberfläche – für Hilfesuchende, die IT-technisch unbedarft sind oder schlicht nie Englisch lernen mussten, kann das schnell zum Problem werden. Zudem war die Website des Anbieters während unseres mehrwöchigen Testzeitraumes nie erreichbar – das stimmt skeptisch, was die Zukunft des Projekts angeht. Im folgenden Praxisartikel lesen Sie, wie Sie Ihren eigenen Verbindungsserver für MeshCentral und RustDesk aufsetzen. (jss@ct.de)

Open-Source-Fernwartungssoftware
Name MeshCentral Remotely RustDesk
URL meshcentral.com remotely.one ¹ rustdesk.com
Kompatibilität
Helfer (Client) Webbrowser Webbrowser Windows, Linux, macOS, Android, iOS
Hilfesuchender Windows, Linux, macOS Windows, Linux, macOS Windows, Linux, macOS, Android, iOS
Einstellungen
Desktopbild abschaltbar
Qualität einstellbar
Verbindungsfunktionen
Chat
Videokonferenz
Dateiaustausch
Strg+Alt+Entf schicken
gem. Zwischenablage ✓ (Text, Grafik, Dateien) ✓ (nur für Text zuverlässig) ✓ (Text, Dateien)
UAC-Abfrage Ad-hoc / installiert – / ✓ – / ✓ – / ✓
Verbindungsabbruch kundenseitig 1 Klick 1 Klick 1 Klick
Verwaltung
Adressbuch f. gespeicherte Verbind. ✓ (nur für installierte Clients)
unbeaufsichtigter Zugang
Sitzungsaufzeichnung
Verbindungsprotokoll
Zwei-Faktor-Authentifizierung f. Admins ✓ (Authenticator, Windows Hello) ✓ (Authenticator)
Bewertung
Bedienung Admin / Hilfesuchender plus / plusplus neutral / neutral neutral / plus
Funktionsumfang plusplus plus neutral
Preis kostenlos kostenlos kostenlos
plusplus sehr gut plus gut neutral zufriedenstellend minus schlecht minusminus sehr schlecht ✓ vorhanden – nicht vorhanden ¹ Website im Test nicht erreichbar, Downloads via github.com/immense/remotely

Alle Downloads und Dokus: ct.de/ybz6