Durch den Wandel bleibts beim Alten
Wieder hat Microsoft den Support seines angestaubten Windows 7 verlängert. Drei Jahre zusätzlich, bis 2023 sollen Unternehmen weiterhin Sicherheitsaktualisierungen erhalten – selbstverständlich gegen Bezahlung. Sofort wurden Stimmen laut, dass der Konzern auf sein nächstes Windows XP hinsteuern würde, dass Nutzer Windows 10 die kalte Schulter zeigen würden, dass die Tage Microsofts so ganz ohne Zukunftshoffnung am Horizont gezählt seien.
Auf den ersten Blick nicht ganz falsch. Die IT-Welt hat sich seit 2009, dem Erscheinungsjahr von Windows 7, stark verändert, so wie sie sich in den zehn Jahren nach Erscheinen von XP 2001 vollkommen wandelte. So begnügt sich Windows 7 zum Beispiel mit einem GByte Arbeitsspeicher und setzt keinen Multikernprozessor voraus. Heute kann selbst der gewöhnlichste Büro-Desktop mit einem Vielfachen an Rechenleistung aufwarten.
Jedoch spielt das keine Rolle – denn der zweite Wandel des letzten Jahrzehnts ist der Aufstieg der Cloud und ihrer Web-Applikationen. Das Betriebssystem bildet nicht mehr die Basis des Arbeitsalltags, der Browser hat diese Rolle für den Großteil der Anwender übernommen. So muss ein Betriebssystem heute bloß noch zwei Aufgaben bewältigen: Chrome starten und sicher bleiben. Beide erfüllt Windows 7 noch immer zur Zufriedenheit der meisten Nutzer.
Windows 10 lockt hingegen mit solchen „Vorteilen“ wie penetranten Aktualisierungen, Verhaltensanalysen und aufdringlicher Werbung. Nichts, was sich Administratoren und Unternehmensnutzer herbeisehnen. Wenn das neue System für den Arbeitsalltag der Anwender keinen positiven Unterschied macht und Verantwortliche vor allem mehr Ärger beim Management des Systems erwarten – warum sollten sie dann wechseln?
Microsoft erhält offiziell selbstverständlich den Druck auf seine Kunden aufrecht. Das ergibt Sinn, denn so geht der Konzern langwierigen Konflikten wie beim Ende der XP-Ära aus dem Weg. Doch das Management weiß auch, dass ein Wechsel seiner Kunden zwar erfreulich, aber fürs eigene Geschäft nicht mehr von elementarer Bedeutung ist. Schon längst bildet Windows nicht mehr die Basis des Erfolgs der Redmonder.
Rechtzeitig hat man sich bei Microsoft auf die abnehmende Bedeutung des Betriebssystems eingestellt. Cloud-Dienste für Nutzer aller Couleur sind die Zukunft. Und das schlägt sich im Gewinn des Konzerns deutlich nieder – der Dominanz von Windows im Jahresabschluss weinen die Redmonder höchstens auf der Bühne eine nostalgische Träne nach.
Und was machen Unternehmen im Jahr 2023, wenn sich Windows 7 (wahrscheinlich) endgültig verabschiedet? Microsoft freut sich sicher auch dann noch über mehr Nutzer für Windows 10. Aber selbst beim Schwenk auf macOS, Chrome OS oder gar Linux kann sich der Konzern entspannt zurücklehnen – denn für seine Dienste muss der Anwender in jedem Fall bezahlen.