iX Special 2018
S. 3
Editorial
Susanne Nolte

Vor neuen Aufgaben

Geht es um Industrie 4.0, ist gern die Rede von sogenannten intelligenten, digital vernetzten Systemen und einer selbstorganisierten Produktion, in der Menschen, Maschinen und Produkte miteinander kommunizieren und kooperieren. Da könnte man leicht an implantierte Chips und ähnliche Science-Fiction-Szenarien denken. Doch derzeit geht der Trend im, wie es im angelsächsischen Raum gern heißt, Industrial Internet of Things oder IIoT in genau die entgegengesetzte Richtung: Maschinen steuern sich gegenseitig, Transportgüter melden über funkende Einwegchips ihren Standort und Roboter lernen, mit Menschen Hand in Hand zu arbeiten und dabei auf menschliche Worte oder Bewegungen zu reagieren.

Dennoch bleibt das nicht ohne Auswirkungen auf den Menschen. Nicht nur auf den Kunden, der – so die verträumten Versprechungen der Industrie heute – sich seinen Turnschuh künftig passgenau direkt im Laden drucken lässt. Vor allem die Berufstätigen in Industrie, Logistik, Zulieferung und Dienstleistung werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine tief greifende Veränderung ihrer Umgebung erleben.

Viele Aufgabenfelder und Berufsbilder werden sich verändern, einige verschwinden, andere sich einander annähern. Und wie immer, wenn Arbeitsbereiche zusammentreffen, darf ein Begriff nicht fehlen: Interdisziplinarität. Das meint aber nicht nur, dass sich unterschiedliche Fachbereiche und Gewerke in Forschungsprojekten treffen.

Sondern: Ingenieure müssen sich mit für sie neuen Techniken und Prozessen auseinandersetzen. Den IT-Profis eröffnen sich dagegen neue Betätigungsfelder, in denen ihr Wissen und ihre Erfahrung gefragt sind. Denn mit der Industrie 4.0 ziehen Software, Hardware, Vernetzung, Sicherheitstechniken und -konzepte in die Produktions- und Lieferketten ein und mit ihnen Massen von Daten, die es zu bewegen, zu speichern und zu verarbeiten gilt.

Hüten sollten sich IT-Profis aber, wenn sie etwa ihren Arbeitsschwerpunkt in die Industrie verlegen, vor dem Glauben, mit ihrem bisherigen Wissen voll gerüstet zu sein. Denn vieles in der industriellen IT ist anders als in der klassischen, Business- oder Office-IT. Ein paar Beispiele: Generische Systeme wie Wintel-Rechner, die je nach installierter Anwendung fast beliebigen Zwecken dienen können, sucht man unter den Prozessrechnern vergebens. Software, die mit Ressourcen aast, ließe sich nicht einmal auf den Zielsystemen installieren. Eine Vernetzung, die in Rechenzentren als Standard gilt, würde in der Fabrikhalle weder lange funktionieren noch den Anforderungen etwa an die Laufzeit der Daten genügen. Und Sicherheitsmaßnahmen wie Virenscanner und Personal Firewalls eignen sich überhaupt nicht für industrielle Netze und Systeme.

Es gibt also viel zu lernen, zu entdecken, aber auch zu entwickeln und zu experimentieren. Wer einst in die IT einstieg, weil ihn das Neue und das In-Bewegung-Sein reizte, ist hier genau richtig.

Susanne Nolte