iX 5/2020
S. 33
Markt + Trends
IT-Recht & Datenschutz

Rechtliche Aspekte der Coronakrise

Handlungsfähig

Tobias Haar

Auch im (IT-)Recht bewegt sich viel durch die Coronakrise. Gesetzgeber, Datenschutzbehörden und Gerichte reagieren auf die besonderen Herausforderungen.

Das Coronavirus hinterlässt in allen Branchen seine Spuren. Während in Branchen wie der Computer­spieleindustrie die Umsätze steigen, bringt die Krise viele andere Unternehmen in die Bredouille. Wenn Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen, weniger effizient aus dem Home­office heraus arbeiten oder wegen einer behördlich angeordneten Betriebsschließung gar nicht mehr arbeiten können, wenn Lieferketten zusammenbrechen, Mietzahlungen eingestellt werden oder Arbeitseinsätze im abgesperrten Ausland ausfallen müssen, wird nicht nur viel Vertrauen zwischen Vertragspartnern zerstört, das oft über Jahre mühsam aufgebaut wurde. Es stellt sich auch eine Unzahl an juristischen Fragen.

Nur gestundet, nicht erlassen

Über adidas ging jüngst ein Shitstorm hinweg, als der Konzern die Einstellung der Mietzinszahlung für Ladenlokale ankündigte. Andere Mieter – von der kleinen PC-Werkstatt bis hin zum IT-Großhandel – denken über ähnliche Schritte nach oder haben sie schon umgesetzt. Mit dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ hat der Bundestag in großem Umfang in Vertragsverhältnisse eingegriffen. Mietschulden aus der Zeit von April bis Juni 2020 rechtfertigen keine Kündigung des Vertrages durch den Vermieter. Die Regelung kann bei Bedarf bis September 2020 verlängert werden und umfasst auch die Nebenkosten.

Der Wegfall des Kündigungsrechts gilt, wenn der Mieter einen Zusammenhang zwischen dem Mietrückstand und der COVID-19-Pandemie glaubhaft macht. Müssen Ladenlokale aufgrund behördlicher Verfügungen geschlossen bleiben, liegt dies auf der Hand. Auch in anderen Fällen dürfte die Glaubhaftmachung der erheblichen Auswirkungen der Coronakrise auf das Wirtschaftsleben kein Problem sein. Oftmals übersehen wird jedoch, dass der Mieter selbstverständlich in der Zahlungspflicht bleibt. Allerdings gewährt ihm das Gesetz einen Zahlungsaufschub bis zum 30. Juni 2022. Tückisch ist allerdings, dass der Mieter auch Verzugszinsen zahlen muss. Wenn der Vertrag nichts anderes dazu regelt, betragen diese im gewerblichen Bereich derzeit 8,12%. Dies ist eine beachtliche Rendite für den Vermieter, der allerdings auch das Nachsehen haben kann, wenn sein Vertragspartner insolvent wird. Womöglich wird der Gesetzgeber hier aber noch nachsteuern.

Das Risiko, ein behördlich geschlossenes Ladenlokal nicht zweckmäßig nutzen zu können, ist in vielen Fällen nicht alleine vom Mieter zu tragen. Hier kommt es entscheidend auf die Regelungen im Mietvertrag an. Sehen diese vor, dass ein Geschäft zum Beispiel für den Betrieb eines IT-Reparaturunternehmens mit Publikumsverkehr geeignet ist, führen die behördlichen Ladenschließungen dazu, dass der Vermieter (!) diese Pflicht nicht mehr erfüllen kann. Darauf bezieht sich etwa die Ankündigung des mittlerweile insolventen Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof, keine Ladenmieten mehr zu bezahlen.

Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob der Vermieter tatsächlich noch Miete für seine Ladengeschäfte verlangen kann oder ob er eine Mietminderung oder gegebenenfalls sogar ­einen Wegfall der Mietzinspflicht hinnehmen muss. Diese Rechts­fragen stellen sich unabhängig davon, ob ein Vermieter bei Corona-bedingtem Zahlungsausfall den Mietvertrag kündigen kann. Unternehmen, die einfach nur aus Vorsorge ihre Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten lassen, müssen aber auch ihre Gewerbemiete weiterzahlen. Argument hierfür ist, dass sie die Büros ja nutzen können, dies aber – ohne behördliche Anordnung – aus Gründen des Arbeitnehmergesundheitsschutzes nicht tun. Das fällt in ihr Risiko.

Juristisch spannend ist auch die immer häufiger diskutierte Frage, ob es sich bei der Coronakrise um einen Fall höherer Gewalt, auf Englisch „Force Majeure“ oder „Act of God“, handelt. Oftmals gibt es Regelungen dazu, dass in einem solchen Fall die Leistungspflichten aus einem Vertrag ausgesetzt sind. Der Platinenhersteller muss dann den Laptophersteller nicht mehr beliefern, das Beratungshaus kann die ERP-Einführung aussetzen. Es gibt viele Beispiele, die klarmachen, welche massiven Auswirkungen dies haben kann. Deswegen wird juristisch auch ein sehr hoher Maßstab angelegt.

Höhere Gewalt – ja oder nein?

Zunächst müssen entsprechende Verträge Höhere-Gewalt-Klauseln überhaupt vorsehen. Das Gesetz hilft nur wenig und wenn, dann unter viel höheren Anforderungen als nach den meisten Vertragsklauseln. In Standardverträgen müssen solche Klauseln der AGB-Kon­trolle standhalten, also transparent und nicht allzu einseitig sein. Das bedeutet auch, dass die „höhere Gewalt“ ein un­vorhergesehenes Ereignis ist, das – und der Zusammenhang ist sehr wichtig – den einen Vertragspartner daran hindert, seine Leistung für den anderen Vertragspartner zu erbringen.

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