iX 2/2021
S. 68
Report
Unternehmenswikis

Marktübersicht: Was Knowledge-Management-Systeme leisten

Wissen ist Macht

Martin Gerhard Loschwitz

Wissensmanagementsysteme haben sich zum Rückgrat vieler agiler Unternehmen entwickelt – doch nicht jede Software eignet sich für jeden Einsatzzweck gleich gut. iX stellt die wichtigsten Produkte vor und schaut ihnen unter die Haube.

Noch Mitte der 2000er-Jahre dominierten die Datensilos: Experten für Storage, Netzwerk und Systemadministration arbeiteten in separaten Teams, das großflächige Teilen von Wissen zwischen Teams fand schlicht nicht statt. Die Cisco-Experten der Netzwerkteams hätten mit Infos zu den Storage-Systemen von NetApp oder EMC ebenso wenig anfangen können wie die Linux-Developer mit Handbüchern für Router von Cisco.

Nicht zuletzt im Sog der Cloud hat sich aber die agile Arbeitsweise in den vergangenen Jahren radikal ausgebreitet. An Bedeutung verloren hat dabei vielerorts das klassische Silodenken mit separaten Teams für Netzwerk, Storage und Linux-Administration. Stattdessen gilt das Mantra des Software-defined Everything: Switches nutzen Linux, Storage ist in Form von Ceph auch nur ein Programm, das auf Standardhardware läuft, und Linux-Admins müssen Probleme in Ceph ebenso aufstöbern können wie jene in den Linux-­Switches. Statt zertifizierter Experten brauchen die Plattformen der Gegenwart gute Allrounder, vor allem aber eine unternehmensweite „Single Source of Truth“. In der müssen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle relevanten Informationen jederzeit auf Abruf zur Verfügung stehen.

Single Source of Truth

Das Prinzip eines zentralen Firmenwikis ist nicht neu und sie finden sich heute in fast allen Unternehmen. Im Kontext agiler Methoden ist die Bedeutung dieser Systeme in den vergangenen Jahren allerdings kontinuierlich gestiegen. Aber heute ist die „Single Source of Truth“ in Firmen eher ein zentrales System für das Management von Wissen denn ein einfaches Wiki, in das jede und jeder hineinschreibt, was ihr oder ihm gerade einfällt.

Dass das zentrale Wissensmanagement in Firmen immer wichtiger wird, ist denn auch vielen Dienstleistern nicht ent­gangen. Atlassians Confluence hat bald 17 Jahre auf dem Buckel und sich definitiv zum Marktführer entwickelt. Dennoch gibt es leistungsstarke Alternativen zum Branchenprimus, die diesen in mancherlei Hinsicht auch ausstechen.

Wer etwa Wert auf Open Source legt, ist bei Confluence definitiv falsch. Wer mit der Struktur von Confluence mit unterschiedlichen Spaces nichts anfangen kann, ist mit einer Alternative vielleicht besser bedient. iX stellt in dieser Marktübersicht aktuelle Tools für Wissensmanagement vor, namentlich BlueSpice, DokuWiki, Professional.Wiki (MediaWiki), TikiWiki und XWiki, und misst sie am Marktführer Confluence von Atlassian (siehe Tabelle „Marktübersicht“).

Fünf Kriterien im Fokus

Der Artikel legt sein Hauptaugenmerk dabei auf fünf Punkte: Neben der Struktur, in der die Software Wissen organisiert (Subwikis, Spaces, Baumstrukturen in Seiten), ist auch von Bedeutung, wie gut die jeweilige Lösung gespeicherte Informationen durchsuchbar hält. Bestimmte Compliance-Features sind zudem ein Muss, etwa die Fähigkeit, die Software an eine Benutzerverwaltung per LDAP oder Active Directory anzuschließen. Weil das Wissen auch irgendwie in die Software hineingelangen muss, ist die Möglichkeit zur Texteingabe ein ebenso relevantes Kriterium: Ist der Editor auch für Nicht-Profis zu bedienen? Lässt er sich per Plug-in austauschen? Lassen sich überhaupt weitere Funktionen per Plug-in nachrüsten? Diese fünf Kriterien bilden den Testparcours.

Der Klassenprimus: Confluence von Atlassian

Für viele Admins ist „zentrales Wissensmanagement“ bedeutungsgleich mit dem Produktnamen Confluence. Dass diese Sichtweise zu kurz greift, wird der Artikel im weiteren Verlauf noch darlegen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Confluence sich den Ruf des Klassenprimus hart erarbeitet hat.

Denn Confluence war als umfassende Lösung früh am Markt und nicht nur leicht zu installieren, sondern auch überaus gut benutzbar und kommt ab Werk mit sinnvollen Standardeinstellungen. Das merken Nutzer wie Admins an vielen Stellen, etwa der Struktur, in der Confluence Wissen speichert und verwaltet. Die Lösung geht einerseits von einem großen Namespace aus, bietet aber die Möglichkeit, diesen in unterschiedliche Spaces zu unterteilen. Weil für jeden Space separate Berechtigungen zu vergeben sind, lässt Confluence sich faktisch recht bequem übersichtlich halten – zumindest auf der Ebene der Spaces. In diesen ist allerdings ein Stück Arbeit notwendig, um eine Baumstruktur sinnvoll für Seiten und deren Unterseiten einzurichten. Diese Arbeit erledigen die Autoren der Seiten im schlimmsten Falle selbst per Drag-and-Drop, was nicht sonderlich bequem ist.

Zudem erlaubt es Confluence per Rechtesystem, Relationen zwischen Inhalten in Spaces einzuschränken. Eine Seite aus ­einem Space lässt sich etwa nur mit Seiten in anderen Spaces verbinden, wenn der zugreifende Nutzer auch auf beide Spaces Zugriffsrechte hat. Wer die Confluence-­Rech­teverwaltung auf der Ebene von Spaces nutzt, um bestimmte Bereiche der Wissensdatenbank nur bestimmten Gruppen von Nutzern verfügbar zu machen, unterbindet hier Interaktion und damit auch Kreativität.

Die Unterteilung in Spaces mit eigener Rechteverwaltung erschwert zudem den zweiten Aspekt des Tests. Zentrales Wissen ist nur nützlich, wenn eben die Personen Zugriff darauf haben, die es auch benötigen. Will ein Benutzer in Confluence auf Inhalte zugreifen, für die ihm die Berechtigungen fehlen, wirft die Lösung natürlich eine Fehlermeldung aus. Dasselbe gilt aber für Suchergebnisse, in denen Seiten mit Treffern gar nicht erst auftauchen, wenn dem suchenden Benutzer die Zugriffsrechte auf den Space oder die Seite fehlen (Abbildung 1). Abgesehen davon funktioniert die integrierte Suche in Confluence aber zuverlässig – sie ist eine Eigen­implementation von Atlassian und unterstützt etwa auch die Suche nach Keywords oder nach bestimmten Parametern. Eine semantische Suche bietet Confluence jedoch ab Werk nicht.

Berechtigungen für einzelne Benutzer definiert der Administrator in Confluence auf Basis bestehender Gruppen, die sich auch aus LDAP oder AD beziehen lassen (Abb. 1).

Compliance: gar kein Problem

Ist ein Produkt seit so langer Zeit etabliert wie Confluence, dann sind die Com­­­pli­ance-Anforderungen in normalen Unternehmen für die Software keine große Herausforderung. Confluence verfügt über eine eigene interne Benutzer- und Rechtever­waltung. Alternativ zur internen Benutzerdatenbank lässt sich Confluence auch an ein LDAP- oder ein Active-Directory-Verzeichnis anschließen. Es bezieht Nutzer- und Gruppeninformationen dann aus diesen Verzeichnissen, legt seine eigene Rechteverwaltung jedoch darüber. Nutzt man die eingebaute User-Datenbank, sind Funktionen wie Passwortwechsel, erzwungene Passwortwechsel und andere Standardprozeduren möglich. Generell wird Confluence Admins in Sachen Zugriffskontrolle keine Schwierigkeiten bereiten.

Besonders große Firmen wünschen sich oft, dass täglich genutzte Werkzeuge wie Confluence zumindest Elemente des Corporate Design nutzen. Confluence hat verschiedene Theming-Optionen und erlaubt die optische Anpassung, allerdings nur bis zu einem bestimmten Grad – die grundsätzliche Struktur der Seiten, wie Con­fluence sie darstellt, bleibt erhalten.

Auf der Höhe der Zeit: Editoren in Confluence

Ab Werk kommt in Confluence ein ­WYSIWYG-Editor („What you see is what you get“) zum Einsatz (Abbildung 2). Während der Nutzer also Texte eingibt, sieht er bereits, wie die später im Wiki aussehen werden. Außerdem erkennt der Editor in Confluence Markup-Blöcke im Text oder die Eingabe von Code. Das hilft, etwa Programmiertext elegant in Confluence-Seiten zu integrieren. Wer den Confluence-Editor nicht mag, hat allerdings Pech: Alternativen gibt es nicht und per Plug-in lässt er sich auch nicht austauschen.

Confluence bietet einen klassischen WYSIWYG-Editor, der sich im Alltag gut schlägt und leicht zu bedienen ist (Abb. 2).

Weniger Blöße gibt sich Confluence beim Thema Plug-ins. Das gilt sowohl für die Schnittstelle der Software-Plug-ins als auch für die API-Schnittstelle zur Software, die vorbildlich penibel genau do­kumentiert ist. Auch beim Blick auf die Anzahl der verfügbaren Plug-ins ist Confluence das Maß aller Dinge: Eine ganze Reihe von Unternehmen bietet Plug-ins und die Entwicklung derselben für Confluence an. Entsprechend breit ist der Funktionsumfang: Manche Plug-ins integrieren andere Onlinedienste wie Draw.io, andere erweitern Confluence um automatische Abläufe. Compliance-Plug-ins bieten Revisionssicherheit und erlauben es, in Confluence Dokumente etwa für ISO-­Zertifizierungen standardkonform zu verwalten.

Und natürlich sind sämtliche Werkzeuge aus der Atlassian-Toolchain perfekt in Confluence integriert. Das geschieht zwar nicht per Plug-in, sondern per API, funktioniert im Alltag aber bestens. Wer etwa Jira als Issue Tracker nutzt, verlinkt in Confluence Jira-Tickets aus Dokumenten heraus. Das macht Spaß und hilft in der Praxis sehr, die verschiedenen Verzeichnisse übersichtlich und verzahnt zu halten.

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