Leserbriefe Mai 2023
Die nächste Ponzi-Pyramide
(Generative KI: ChatGPT: Was es kann und was nicht; iX 4/2023, S. 42)
Wer sich die Mühe gibt, ChatGPT wirklich herauszufordern, endet meines Erachtens doch schnell auf dem Glatteis. Nach wenigen Austauschen hatte ich ChatGPT so weit, dass es mir glaubhaft vorgaukelte, dass ein bekannter Technologieanbieter der IT mit dem und jenem Kunden zusammen dies und jenes unternommen hätte. Als ich dann Nachweise anfragte, rückte es mit Verweisen in Form von Internetlinks raus. Alle Links sahen glaubwürdig aus, keiner der Links hat jemals existiert – die Geschichten sind durch ChatGPT erzeugt, genauso wie die zugehörigen URLs. Logisch: Das Sprachmodell hat auch Links im Anlernprozess erfasst und kann sie demnach glaubwürdig erzeugen.
Was mich wundert, ist die Naivität der Bewunderer, die behaupten, dass die ganze Zukunft sich um ChatGPT und dergleichen abspielt. Wenn man versteht, wie Machine Learning funktioniert, muss man doch wissen, dass ChatGPT und dergleichen statistische Modelle sind, die folglich nur das reproduzieren können, womit sie angelernt wurden: Verblüffend ist halt nur die Glaubwürdigkeit, die sich aus der Vielfalt des Inputs (fast das ganze Internet) entfacht.
Da der Input von ChatGPT das Internet ist und ChatGPT unweigerlich auch seinen Output ins Internet stellt oder stellen wird, wird sich bald ChatGPT mit seinem eigenen früheren Output füttern. Um es im Informatikerjargon zu sagen: Ich behaupte mal, dass wir es mit einem rückgekoppelten SISO-Prinzip zu tun haben – Shit In Shit Out. Ähnlich wie in einer Ponzi-Pyramide die Anleger mit den Anlangen der anderen Anleger gefüttert werden. Und in dieses unstabile Gebilde investieren zurzeit wahnsinnig viele Investoren Milliarden von Dollars. Mir läuft’s da kalt über den Rücken.
Pascal Specht, via E-Mail
Quad9-Urteil: Suchmaschinen ebenfalls betroffen
(Editorial: Im Zweifel für die Sperre; iX 4/2023, S. 3)
Habe heute die Folge 455 Logbuch Netzpolitik angehört und mich über dieses dumme Urteil des Landesgerichts Leipzig gewundert. Eben dann die aktuelle iX aufgeschlagen, da begegnet mir das Thema wieder.
Man fragt sich zu Recht, ob die jeweiligen Richter – die Instanzen davor haben ja ähnlich zugunsten Sonys entschieden – sich wirklich mit der Materie beschäftigt haben. Wenn ja, dann dürfte allenfalls der Hoster der Domain, welche die geschützten Inhalte widerrechtlich zur Verfügung stellt, entsprechend zur Rechenschaft gezogen werden.
Ein anderer Vergleich (analog zu den Telefonbüchern) wären Suchmaschinen. Über diese können die potenziellen Urheberrechtsverletzer nach fraglichen Ressourcen im Netz suchen und diese auch finden. Eventuell spuckt Google dann sogar einen Link aus, der direkt auf eine IP-Adresse verweist. Dann kann man noch nicht mal einem DNS-Anbieter die Schuld geben.
Wenn das Urteil Schule macht, werden demnächst auch noch alle nachgelagerten DNS-Server-Betreiber, welche Quad9 als Forwarder für ihre eigenen DNS-Server benutzen, ebenfalls verklagt? Sollte man wohl auf Nummer sicher gehen und die Einträge filtern – am besten die von Sony und Konsorten gleich mit.
Ralf Gesche, via E-Mail
Ende der Passwörter: Schwer in Firmen
(Passkeys: Das Passwort ist tot – es leben die Passkeys; iX 3/2023, S. 46)
Vielen Dank für diesen sehr informativen Bericht! Einige hätten ihn vielleicht eher in der c’t erwartet. Allerdings scheint mir der Handlungsdruck im professionellen Umfeld deutlich größer zu sein. Da sind die begeisterten Laien besser aufgestellt als die nüchternen iX-Profis. Privat kann ich schon morgen etwas gegen Passworteritis tun. Im Unternehmen wahrscheinlich erst übermorgen.
Hartmut Brüning, via E-Mail
Mehr Betonbürokratie mit falscher Digitalisierung
(Kolumne: Nachhaltige Digitalisierung heißt: Risiken bekämpfen; iX 4/2023, S. 38)
Vielen Dank an Caroline Krohn und Manuel Atug für diesen Einblick, dass es doch noch Menschen gibt, die Fragen stellen! Gerade im Hinblick auf die kurz angerissene Softwarequalität – beziehungsweise deren Mangel – sehe ich hier einiges an Schwierigkeiten auf uns zukommen. Blind aufs Gaspedal zu treten und Digitalisierung durchzuprügeln, dass man den Punkt auf der endlosen Liste der To-dos abhaken kann, ist meines Erachtens der falsche Ansatz. Das führt dann zu bekannten Stilblüten wie „Ein Formular als PDF downloadbar tut der Digitalisierungsanforderung genüge“. Dass man es ausdrucken und unterschrieben persönlich abgeben muss, spielt keine Rolle mehr.
In der Breite scheint die Digitalisierung nicht als Prozessoptimierung verstanden zu werden, sondern vage als weitestgehend nicht hinterfragte und damit nicht verstandene Verbesserung.
Der andere Punkt ist, dass mit zunehmender Verbreitung von digitalen Formularen nicht nur in Unternehmen, sondern auch in der öffentlichen Verwaltung Betonprozesse zementiert werden. Dinge, die nicht in diese Prozesse abgebildet werden können, fallen durch das Raster. Mitarbeiter sind bemüht, das individuelle Problem des Kunden zu lösen, aber das Webformular gibt es nicht her, dieses korrekt zu erfassen.
Patrik Schindler, via E-Mail
Ergänzungen und Berichtigungen
Softwareentwicklung: Softwarequalität mit Teamscale steuern; iX 4/2023, S. 64
Im Fazit des Artikels heißt es, dass Teamscale die Entwicklungs- und Testlaufzeiten erhöht. Korrekt ist: Teamscale senkt durch sein Fast-Feedback die Entwicklungs- und Testlaufzeiten.
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