iX 5/2023
S. 8
Markt + Trends
Patch me if you can

Es war einmal eine KI …

Was Trolle sind, weiß jeder, der sich im Internet bewegt. Sie sind nervig und manchmal sogar richtiggehend toxisch. Was aber, wenn per KI eine neue Generation Meinungsbeeinflusser die Foren erobert, andere manipuliert und die Redefreiheit bedroht? Unser Kolumnist hat sich seiner dystopischen Fantasie hingegeben.

Von David Fuhr

Zuerst waren es nur wenige merkwürdige Konversationen, die hier und da auf Twitter, Facebook, Telegram und Discord auftauchten. Die Akteure schienen sich sogar dümmer anzustellen als die üblichen Sockenpuppen, auch wenn sie klingendere Namen trugen wie KatzjaMitHut oder GanzAndererDoktor, nicht mehr ralf03047620. Sie tippten zwar in einwandfreiem (fast zu einwandfreiem) Deutsch – oder Englisch, Französisch, Russisch, Hindi, je nachdem, was in dem Kanal gerade üblich war –, wiederholten sich aber oft, häufig mit kleinen Veränderungen. Ausfallend wurden sie beinahe nie, und auch politisch bewegten sie sich eher im Mainstream des jeweiligen Mediums. Das Auffallendste an ihnen war, dass sie zu jedem, aber auch wirklich jedem Thema etwas tatsächlich halbwegs Sinnvolles sagen konnten. Wäre diese völlig unmenschliche Eigenschaft nicht gewesen, man hätte sich langsam nicht mehr sicher sein können, wer überhaupt noch ein echtes Gegenüber war.

Dann wurden sie mutiger – wobei das Wort fast unpassend erscheint. Immer noch schienen sie keiner inhaltlichen Strategie zu folgen, schlugen sich mal auf diese, mal auf jene Seite einer Diskussion. Sie zu melden, hatten wir längst aufgegeben, da sie innerhalb weniger Wochen perfekt gelernt hatten, sich im Sinn der Nutzungsbedingungen (die sie natürlich bis auf den letzten Buchstaben aus dem „Kopf“ zitieren konnten) nicht das Geringste zuschulden kommen zu lassen, und im Notfall auch reizend, geduldig und in der Regel erfolgreich mit dem Trust and Safety Team diskutieren konnten.

Kommentieren